Monat: März 2025

Die Magellanstraße ruft

Nach dem Pia-Gletscher haben wir eigentlich nur das Ufer gewechselt, um in die Caleta Cinco Estrellas zu fahren, da diese als wunderschön beschrieben wurde. Und das war sie auch, in der Zufahrt werden wir sogleich von ein paar Delphinen begrüßt. Dies war eine kleine, fast runde Bucht mit einer schmalen Zufahrt, in der wir uns im Päckchen verschnürt und mit Landleinen gesichert haben. Hier wollten wir nur eine Nacht bleiben und sind am nächsten Morgen dann wieder nur 5 sm weiter in die Caleta Julia gefahren, das Wetterfenster muss genutzt werden. Diese beiden Ankerplätze liegen nah beieinander in der Bahia Tres Brazos auf der Isla Gordon. Bei beiden konnten wir einen Landgang unternehmen und haben hierbei unseren ersten Andenkondor aus nächster Nähe gesehen, der nach einem Bad im See an Land stand, um seine Flügel wieder zu trocknen. Wir haben ihm bestimmt eine halbe Stunde zugesehen und tolle Aufnahmen gemacht. Schön sind diese Tiere ja nicht – aber beeindruckend.

Weiter ging es dann gen Westen zunächst als kurzer Übernachtungsstopp in die Caleta Emilita. Hier kam am Abend dann noch ein Boot rein und kurz danach klopfte es bei uns. So haben wir nochmals kurz Alex Lebewohl gesagt, einem jungen Franzosen, den wir bereits in Ushuaia kennengelernt hatten. Er war mit seinen Freunden auf dem Rückweg aus den Kanälen.

Weiter ging es am nächsten Tag bis zur Pozo Isla del Medio, wo wir wieder eine Schlechtwetterfront am nächsten Tag absitzen wollten. Die sollte lt. blauer Bibel ein sehr sicherer Platz sein, der normalerweise von Fischern benutzt wird. Wir sind auch gut dort angekommen und haben die schmale Einfahrt mit ihren Untiefen gemeistert. Die komplette Bucht ist nur sehr flach mit ungefähr 3 Metern. Leider hatten wir beim Ankern unglücklicherweise Seitenwind, so daß wir, bis wir die Landleine auf der Luvseite (Windseite) des Bootes ausgebracht hatten, fast auf die Felsen gedrückt wurden. Zum Glück sind die Felswände hier meist sehr steil abfallend, so daß hier Unterwasser keine allzu große Gefahr bestand. Das Ausbringen der Landleinen dauert halt mitunter etwas, da die Wege manchmal etwas länger sind, um bei einem passenden Baum oder Felsen fest zu machen.

Als dann Ulf neben uns im Päckchen lag, haben wir beide Boote mit mehreren Landleinen gut verzurrt und waren mit unserem Werk zufrieden.  Der starke Wind kann kommen, wir liegen gut. Kaum fertig, nähert sich noch ein weiteres Segelboot der Einfahrt. Sie kommen rein, wir reden kurz – also unsere beiden Heckleinen wieder lösen, die legen sich auch noch ins Päckchen. Nachdem sie endlich fest sind, zurren wir sofort unsere Heckleinen wieder an, damit der Seitenabtrieb wieder aufgehalten wird. Die beiden sind aber nicht so zufrieden und outen sich als erfahrene Patagonien-Fahrer, die seit Jahren hier unterwegs sind. Sie meinten, wir lägen zu weit am Ufer, unter ihrem Boot ist es zu flach und wenn der starke Wind kommt und das Wasser aus der Bucht drücken würde, hätten wir nicht mehr genug Wasser unter dem Kiel. Dies wäre auch für uns blöd.

Also wieder alles auf Anfang. Die Boote mehr in die Mitte der Bucht verholen. Dafür wieder sämtliche Leinen lockern und zum Teil neu ausbringen. Aber – hier war es auch nicht wirklich tiefer …. Bis wir dann wirklich fertig waren, war es schon etwa 20:30 Uhr (wir waren eigentlich um 18 Uhr fertig). Jetzt langt es aber, bei dem Ausbringen der zusätzlichen Leinen der Franzosen helfen wir nicht mehr.

unser Spinnennetz mit Landleinen

Nun lagen wir da wie in einem Spinnennetz. Da sollte doch alles sicher sein. Das war es auch. Natürlich hat es an den Leinen gezerrt und gezogen, die Tiefe unter unserem Kiel hat sich auch nicht zum kritischen geändert. So haben wir den folgenden Nachmittag dann bei Kaffee und Kuchen alle gemeinsam auf der JOSA verbracht und einigen „Tratsch“ aus Puerto Williams ausgetauscht. So, nun kennen wir zwei weitere nette Franzosen. Wer mich kennt, weiß, daß ich eine natürliche Abneigung gegen alles habe, was französisch ist. Ich bin da eher „südländisch“ angehaucht mit Italien und Spanien. Aber ich bin lernfähig!

Nach dem Überstehen des Starkwindfeldes ging es weiter in Richtung Caleta Brecknock; ein weiteres „Must-do“ auf der Liste der Patagonienfahrer. Damit haben wir nun auch endgültig den Beagle-Kanal mit seinen ganzen Seitenkanälen verlassen.

Dieser Ankerplatz ist wirklich spektakulär, bei der Kulisse hätte hier auch „Herr der Ringe“ gedreht werden können (wahrscheinlich war es ihnen hier nur zu kalt und zu stürmisch 😊). Die Einfahrt erfolgt durch eine Fjordlandschaft mit hohen, steil aufragenden Felsen. Vorbei an einigen Wasserläufen bis zu einer kleinen Einkerbung. Hier war absolut kein Windhäuchchen zu spüren und wir konnten entspannt unseren Anker setzen und die Landleinen ausbringen. Das Wasser so klar, daß wir trotz Bewölkung den Grund in 8 m Tiefe sehen konnten, eine Möglichkeit unseren Schaden vom Pia-Gletscher zu begutachten. Ulf kam dann auch, legte sich wieder ins Päckchen neben uns und der Landausflug konnte am übernächsten Tag starten, bis dahin hatten wir nur Dauerregen. Es ging den Hügel hinauf zu einem wunderschönen See mit Wasserfall in den Fjord hinunter. Tolle Ausblicke, ein Gefühl wie in den Fjorden Norwegens. Bei der Abfahrt aus dieser Caleta kommen uns die beiden Franzosen wieder entgegen, die gerade hineinfahren, sie hatten einen anderen Weg hierher genommen.

Nun ging es weiter in Richtung Norden. Um in die Magellan-Straße zu kommen, in die wir leider rein müssen, gibt es drei Kanäle. Der Kanal Barbara ist der kürzeste Weg, der Kanal Acwalisnan der nächstkürzere und der Canal Magdalena der längste Weg und auch der unbequemste für Segler. Denn dieser bedeutet die längste Strecke in der Magellanstraße, die mit starken Winden von vorne und Strömungen für uns als Segler nicht so einfach ist. Von der chilenischen Armada ist nur der Canal Magdalena erlaubt zu befahren. Dies kommt daher, daß die beiden anderen Kanäle zum Teil sehr schmal sind, Untiefen haben und nicht so gut vermessen sind, was für die Großschiffahrt eine Gefahr darstellt. Leider gibt es hier keine Unterschiede zwischen kleinen Segelbooten und großen Frachtern. Das ist hier auf dem Papier alles dasselbe. Also sind die beiden anderen Kanäle eigentlich Tabu. Wir wollten im Vorfeld eine Genehmigung für den Barbara-Kanal einholen, doch hierfür sollten wir einen Antrag in Puntas Arenas stellen. Alle anderen einheimischen Segler sagten uns, fahrt einfach durch, wir machen das auch. Da kräht keiner danach. Also machen wir das auch so. Und wir haben vorsichtshalber einige Tage vorher mal unser AIS-Signal abgeschaltet und uns stumm gestellt.

Also haben wir uns einen guten Ankerplatz als Startplatz gesucht, damit wir die schwierigste Engstelle im Barbara-Kanal zum günstigsten Zeitpunkt ansteuern können. Zuerst ging es in die Caleta Tarmac, wo wir den ersten Stop eingelegt haben und tags darauf zum Ankerplatz Puerto Nutland. Bei beiden konnten wir frei ankern und mußten uns nicht mit Landleinen abmühen. Dafür konnten wir hier keinerlei Landgänge machen.

Laut der blauen Bibel sollte man die Engstelle „Paso Shag“ von Süd nach Nord mit dem Hochwasser befahren, da einen dann der „Ebb-Strom“ in die Magellanstraße hinein mitziehen würde. Hochwasser sollte um 7:15 Uhr sein, so daß wir in aller Frühe die Anker gelichtet haben. Dies zog sich leider etwas, hatten wir doch viel Kelp am Anker hängen. Die Anfahrt zur Engstelle war dann auch schon faszinierend. Überall Strudel und Kehrwasser. Diese Strudel haben unsere Dicke auch ordentlich versetzt, wenn wir diesem zu Nahe gekommen sind. Der Skipper hat hier fleißig am Ruder gearbeitet, um den besten Weg zu finden. Ein Motorenproblem sollte man hier nicht bekommen. Dann die Engstelle vor uns – nicht lange, aber oho.

Irgendwie stimmt da etwas in der blauen Bibel nicht. Wir hatten teilweise eine Gegenströmung von weit über 6 Knoten, obwohl jetzt Hochwasser ist und gar kein Strom vorhanden sein sollte, bzw. wir mit der Tide mitfahren würden, wenn diese fällt…. Unser Motor hat ordentlich arbeiten müssen, der Hebel lag quasi auf dem Tisch und dennoch zeigte der Geschwindigkeitsmesser nur 0,5 Knoten – und das teilweise rückwarts. Unser Plott auf dem Navigationsgerät zeigte Kreise an, wo wir gar keine gefahren sind. Jochen hat wieder fleißig am Steuer gearbeitet, um doch noch einen Weg zu finden. Die Überlegung kam dann schon auf, wieder umzudrehen und in zwei Stunden einen neuen Versuch zu starten. Dann kam aber ein Windhauch von Lüftchen und so hieß es „schnell die Genua zur Unterstützung mit raus“ und so nah wie möglich ans Ufer ran, hier ist die Strömung nicht ganz so heftig. So haben wir es dann doch noch geschafft, diese 300 Meter zu bewältigen und durchzukommen. Leider sahen wir, daß Ulf noch festhing und kämpfte.

Eine kleine Anektode noch: Bei dem ganzen „Kampf ums Überleben“ von uns, sieht man noch die Seelöwen, die sich einen Spaß in den ganzen Strudeln gönnen. Sie spielen mit den Strömungen und zeigen uns eindrücklich, wer hier wirklich in seinen Element ist.

Doch auch Ulf hat es dann geschafft, die richtige „Spur“ zu finden und Paso Shag hinter sich zu lassen. Nun waren wir in der berüchtigten Magellanstraße! Nur noch ein kurzes Stückchen bis zur Isla Carlos III in die Bahia Mussel, unser nächster Stop.

auch segeln war wieder mal möglich, ein seltener Moment

Auf dem Weg dorthin hatten wir endlich unsere ersehnte Buckelwal-Sichtung. Vor der Isla Carlos III ist wohl ein Gebiet, in dem sich immer Buckelwale aufhalten. Dies ist als Nationalpark ausgewiesen und wir haben dort auch ein Touristenboot gesehen. Wir haben natürlich auch aufgestoppt und uns zwischen den Giganten treiben lassen. Ein tolles Erlebnis.

ohne Worte

In der Bahia Mussel haben wir zwei Nächte verbracht – erst mal ausruhen von den Aufregungen der letzten Tage und warten, bis das Wetter passt, um in der Magellan schnell Richtung Westen zu kommen. Diese wollten wir so schnell wie möglich hinter uns bringen. Die nächste „Heurausforderung“ war der Paso Tortuoso an der Westspitze unserer Ankerinsel. Hier teilt sich die Magellanstraße etwas und es entstehen Kreuzseen und wer hätte es gedacht, Strömungen.

Diesmal war unser Timing aber besser (wir haben nach Gefühl gearbeitet) und wir sind hier gut durchgekommen, kurzzeitig hatten wir 10 Knoten auf dem Log stehen, so gut war die Strömung mit uns und wir konnten sogar komplett segeln bis zu unserem Ziel Caleta Playa Pardo auf der Nordseite der Magellanstraße. Der nächste Tag sollte auch ein gutes Wetterfenster bieten, also ging es gleich weiter zur Caleta Uriarte, diesmal auf der Westseite der Magellanstraße gelegen. Auch heute konnten wir wieder segeln. Die Strecke auf direktem Weg war bei 30 Seemeilen; dadurch, daß wir gezwungen waren zu kreuzen, kamen am Schluß 49 Seemeilen dabei heraus. Das war schon sehr unangenehm, hat uns aber Diesel gespart…. Und schließlich sind wir ja ein Segelboot. Erst als der Wind, zum Ende hi in so einem gemeinen Winkel eintraf, daß wir auf der Kreuz wieder zurück gefahren wären, wurde der Motor angeworfen – und schließlich wollten wir ja auch ankommen. Dies sollte ein sehr geschützter Platz sein, doch uns gefiel er nicht so gut. Hier möchten wir eigentlich keinen Sturm absitzen müssen, für das Vorhergesagte aber in Ordnung.

Sonnenaufgang in der Caleta Uriarte

Die Wettervorhersage prognostizierte für den nächsten Tag ein annehmbares Wetter bis zum Mittag. So war der Plan bis zur Caleta Wodsworth zu fahren, einem Fjord mit zwei Armen. Jochen hatte hierzu auf einem anderen Seglerblog gelesen, daß dieser Platz noch beeindruckender wäre als die Caleta Brecknock. Und es war uns klar, daß in den nächsten Tagen einige Tiefs über uns hinweg rauschen werden und wir dann sicher mindestens 10 Tage hier auf der Südseite festhängen werden. Also suchen wir uns lieber ein Plätzchen, das toll ist und auch sicher. Und so ein Fjord bietet da schon eine gewisse Sicherheit im Kopf.

Also wieder früh raus, das gute Wetter nutzen und los geht’s. Nun sind wir so weit westlich in der Magellanstraße, daß wir hier quasi am Trichter ankommen. Die Straße weitet sich auf 15 Seemeilen breite und hier kachelt der Wind so richtig vom offenen Pazifik rein und tunnelt sich entsprechend. Auch die sich aufbauende und ankommende Welle kann hier sehr unangenehme Höhen erreichen, so war in der Vorhersage für die kommenden Tage eine Welle von 6 Metern angesagt.

Wir haben uns dann gegen die herrschende Welle voranmotort und sind am Vormittag im Fjord angekommen. Und es stimmt, dieser ist noch beeindruckender als die Brecknock. Das ankern ist direkt vor einem gigantischen Wasserfall, total geschützt in der letzten Ecke mit hohen Bergen außenrum. Aber wie gesagt – wir sitzen hier mindestens 10 Tage fest. Das Wetter schaut im Moment noch so super aus, die Welle hatte sich gelegt, wenn wir jetzt noch die Magellanstraße queren – das sind 20 Seemeilen bis zum nächsten Ankerplatz – dann haben wir es geschafft und haben evtl. die Möglichkeit, schon früher weiterzufahren, da das Wetter auf der anderen Seite der Straße doch schon erheblich bessere Vorhersagen hat. Der Wind kommt halt von Nordwest und kachelt voll auf die Südseite, während die Nordseite da schon einigen Schutz durch die Inselwelt bietet. Kurze Abstimmung mit Ulf – „jawoll, dann lasst uns fahren“.

So sind wir noch quer über die Magellanstraße gefahren. Die Welle kam jetzt nicht mehr von vorne, sondern seitlich, so daß wir gut vorangekommen sind und uns nicht von jeder Welle wieder ausbremst werden, das Fahren war zwar etwas rolliger, aber ok. Uns war klar, daß es nicht gemütlich sein wird – aber es ist ja das letzte Stück. Zum Ende hin wurde es dann nochmals richtig ungemütlich – das vorhergesagte Schlechtwetter kündigt sich an. Der Wind frischte auf, drehte sich und wir hatten Böen bis zu 30 Knoten gegenan. So haben wir nochmals kurz die Genua gesetzt und sind etwas am Wind gefahren und konnten damit auch wieder die Geschwindigkeit verdoppeln – von 3 Knoten unter Maschine auf 6 Knoten unter Segel. Das ging halt leider nicht lange, da wir dann unsere Einfahrt in den Kanal Smyth hatten.

Zwischenzeitlich hatten wir noch die Idee, die Leuchtturmwärter auf der Islotes Fairway zu besuchen, die mitten in der Einfahrt liegen. Diese würden sich freuen, wenn man sie besucht. Doch der zwischenzeitliche starke Wind hat dieses Vorhaben gleich ausgebremst. Schauen wir doch lieber, daß wir unseren Ankerplatz erreichen.

Dann kam der große Augenblick, die Einfahrt in unseren Puerto Profundo, Caleta Teokita bei über 20 Knoten Wind auf der Anzeige. Eine Einfahrt mit einer Breite von etwa 8 Metern und einer darauf stehenden Welle. Doch auch hier hat uns Jochen gut rein gebracht und kaum hinter der Engstelle ist es deutlich ruhiger und der restliche Wind kommt zum Glück genau aus der richtigen Richtung, um hier den Anker entspannt und sicher zu werfen. Also, Anker werfen, Sabine rein ins Dinghi und Landleinen ausbringen. Kaum ist die letzte fest, kommt auch Ulf reingefahren. Noch seine Landleinen anbringen und fertig – naja.

Das Anbringen der Landleinen war hier etwas schwieriger, da ich erst einmal über Fels steil nach oben klettern muß. Und das mit diesen Stummelbeinen!!! Und prompt habe ich es geschafft, mich an Land zu buxsieren, verlässt mich mein Dinghi. Habe ich das nicht richtig festgemacht oder wieder losgetreten, als ich mich hochgewuchtet habe. Wieder was gelernt!! Pass besser auf dein Dinghi auf!! Also mußte Ulf sein kleines Beiboot zu Wasser bringen, hat mich eingesammelt und zu meinem Dinghi gerudert. Zum Glück waren wir im letzten Eck der Bucht und der Wind stand in die richtige Richtung, also ist mein Beiboot nur 20 Meter weiter an Land angestrandet. An anderer Stelle hätte jemand schnell ins Wasser springen müssen, um unsere schwimmende Landverbindung zu retten, Glück gehabt.

So, nun liegen wir hier – der Wind bläst schon ordentlich und zerrt an den Leinen. Aber wir sind gut verzurrt, der Anker hält und das lässt uns ruhig schlafen. So warten wir mal ab, was die Wettervorsagen für die nächsten Tage so erzählen und wie es sich hier anfühlt. Die Magellanstraße haben wir trotz ein paar kleiner Widrigkeiten schnell hinter uns bringen können, bei der uns immer wieder ein paar Seelöwen begleitet und ihr Können unter Beweis gestellt haben.

Uns erstaunt immer wieder, wie es die alten Seefahrer geschafft haben, hier, größtenteils unbescholten durchzukommen. Hatten diese schwerfälligen Schiffe doch lange nicht die Möglichkeiten wie wir: hoch am Wind zu segeln oder einen Motor zur Unterstützung zu nehmen, von dem Material ganz zu schweigen. Oder auch die ganzen Informationen, die wir heute nutzen können; es gab keinerlei Karten, GPS, Wettervorhersagen und, und, und. Es waren Meister ihres Fachs und Pioniere, ohne Wenn und Aber.

Nun noch eine letzte Erklärung: ich habe jetzt schon mehrfach von der blauen Bibel gesprochen. Dieses Buch, auch bekannt als „The Italian Book“ ist der nautische Führer hier unten in Patagonien. Ein dicker Wälzer, der von einem italienischen Paar geschrieben wurde, das hier etliche Jahre verbracht hat und alles an Informationen zusammengetragen und gebündelt hat. Diese Buch ist die Lektüre sämtlicher Patagonien-Segler und hilft uns teilweise mehr als die elektronischen Seekarten, die hier leider zum Teil so gar nicht stimmen. Manchmal stimmt eine Angabe auch nicht mehr so ganz in diesem Buch, aber das ist klar, wenn man bedenkt, daß die meisten Angaben aus den Jahren vor 2004 sind. Eine Zeit lang war dieses Buch auch überhaupt nicht mehr erhältlich, sind doch in bisher 3 Auflagen nur insgesamt 5000 Bücher gedruckt worden. Glücklich, wer ein solches Buch sein Eigen nennt.

unsere blaue Bibel
so sehen die Ankerplatzbeschreibungen aus, hier die oben genannte Caleta Teokita mit seiner schmalen Einfahrt rechts unten „Detail 2“
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Auf in die Kanäle Chile’s

Da wir schon gemerkt haben, daß die Bemerkung „Kanäle“ etwas für Verwirrung sorgen: hierbei handelt es sich nicht um künstliche und zum Teil kostenpflichtige Wasserwege wie bei uns. Vielmehr handelt es sich um die natürlichen Wasserwege in Süden und Westen Chiles, ähnlich den Fjorden Norwegens. Der Süden und Westen Chiles besteht aus unzähligen Inseln und Inselchen, die alle durch eben „Kanäle“ verbunden sind und entsprechend kreuz und quer befahren werden können. Jeder Kanal hat hier auch einen Namen und wir haben für das Befahren auch eine Genehmigung, der sogenannten Zarpe, in der aufgeführt ist, welche Kanäle wir befahren dürfen. Die bekanntesten sind die Magellan-Straße, die quer von Ost nach West das Festland von der großen Insel Tierra del Fuego (Feuerland) trennt. Weiter südlich verläuft ebenfalls von Ost nach West der Beagle-Kanal, in dem wir uns die ganze Zeit aufgehalten haben und den wir jetzt dann so langsam verlassen werden, wenn wir die nördliche Richtung einschlagen werden.

Die Ankerbuchten heißen hier „Caleta“ oder „Puerto“, von denen es unzählige gibt, eine schöner als die andere. Und über eben diese werden wohl die zukünftigen Beiträge handeln; mit den dazugehörigen Gletschern und Besonderheiten natürlich.

Wir sind nun endlich aus Puerto Williams losgekommen und haben nochmals Abschied von allen genommen, die uns in kurzer Zeit so an’s Herz gewachsen sind: unser Brite Steve, der schon sehr lange auf die Lieferung seines Ankers wartet und mit uns den ein oder anderen Kaffee getrunken hat (und auch mehr). Hacko und Nora von der Anixi, die bereits die patagonischen Kanäle hinter sich gebracht haben und nun Richtung Falklands starten. Heinz, der mit seinen nun 84 Jahren und über 40 Jahren Segelei durch die Welt, auch Richtung Europa starten will und noch über die Nordwestpassage nachdenkt (Nordamerika obenrum durch’s Eis) 😊. Und all die anderen, die wir hier kennenlernen durften. Den ein oder anderen werden wir unterwegs sicherlich noch einmal treffen. Mit uns fährt Ulf auf seiner Farvel, für den es als Einhandsegler hilfreich ist, sich mit anderen zusammenzuschließen. So werden wir immer mit zwei Booten unterwegs sein und können uns gegenseitig unterstützen.

Zum Abschied gibt es weiße Gipfel bei Porto Williams

Unser erstes Ziel sollte eine der Ankerbuchten sein, die wir nach dem Passieren von Ushuaia und dem Verlassen der argentinischen Grenzregion auffinden. In welche Caleta wir gehen, wollten wir spontan entscheiden – je nachdem wie weit wir kommen. Es war nur klar, es muß eine Caleta sein, in der wir die nächsten 3 Tage verbringen werden, da ein Starkwind angekündigt wurde, den wir sicher „aussitzen“ wollten. Wir hatten keinerlei Wind und auch keine Welle und sind daher nur unter Maschine gefahren. Wir hatten zwar einmal versucht, unsere Genua dazu zunehmen, aber das war nix. Wenigstens hatten wir keinen Gegenwind und keine Welle, die uns großartig ausgebremst hätte. Lediglich als wir Ushuaia passiert haben, wurde es neblig und feucht, aber es war erträglich. (für uns sowieso, da wir ja trocken in unserer Kuchenbude sitzen können – lediglich Ulf muß auf seiner Farvel die Zeit im Freien am Ruder verbringen).

Wir haben uns dann für die Caleta Boracho (Betrunkenenbucht) entschieden und just, als wir den Kurs hierauf absetzen, ruft uns Jeanette von der Santa Maria Australis an. Sie sehen uns auf AIS und sie wären ja in der Caleta Ferrari, ob wir denn auch da hinkommen. Kurzer Ratschlag mit Ulf, wir ändern den Kurs wieder in die Ferrari – Ulf wollte sowieso lieber hierhin. So haben wir nochmals die Chance, einen Abend mit den beiden zu verbringen und auch hier Lebewohl zu sagen.

Die Caleta Ferrari liegt in einer großen Bucht, der Bahia Yendegaia, in die ein Fluß mündet. Der Ankerplatz befindet sich vor einer ehemaligen Estanzia und bietet die Möglichkeit, das Land leicht zu betreten und zu erwandern. Das haben wir natürlich auch gleich ausgenutzt. Wir hatten tolles Wetter mit Sonnenschein bei unserem Landgang. Der Weg führte uns natürlich über die Estanzia, in der noch einiges an Inventar herumliegt. Leider verfallen die Gebäude sehr stark. Auch der ehemalige Garten ist noch zu sehen mit unzähligen Himbeersträuchern, an denen auch etliche reife Früchte hingen. Voller Freude habe ich das Pflücken angefangen; leider sind die Beeren so fest an ihrem „Kerngehäuse“, daß diese nur als Matsche an den Fingern kleben – doch kein Himbeernachtisch.

Weiter ging es am Fluß entlang, durch etliche Feuchtgebiete – die Biber leisten hier wirklich volle Arbeit. Etliche ehemalige Viehweiden sind total unter Wasser gesetzt und das Vorankommen ist sehr feucht und schwer. Ehemals genutzte Holzwege und Brücken sind noch vorzufinden, während wir uns Richtung ehemaliges Flugfeld bewegen. Überall grasen Pferdeherden und viele Vögel sind zu hören und zu sehen. Außerdem muss es sehr viele Hasen geben, nach den Hinterlassenschaften zu urteilen, gesehen haben wir nur einen Einzigen. Und natürlich wieder viele tolle Pflanzen und Blüten – Sommer halt. Man hält es nicht für möglich, daß diese Pflanzen hier gedeihen bei dieser Durchschnittstemperatur. Undenkbar für uns, daß bei uns Himbeeren an den Sträuchern hängen, wenn es nur 10 bis 14 Grad warm ist und des öfteren regnet.

Wir haben schließlich den starken Wind hier gut ausgesessen und sind dann 3 Tage später weitergezogen in die Caleta Olla. Hier werden wir unseren ersten Gletscher, den Glacier Holanda vom Boot aus sehen können. Die ersten Seemeilen können wir auch noch gut segeln, bis der Wind wieder auf eine Richtung dreht, in der wir unmöglich segeln können. Aber wir kommen auch so wieder gut vorwärts. Uns war im Vorfeld klar, daß wir in den Kanälen kaum segelbaren Wind haben werden. Daher ist es für unsere Planung und Weiterfahrt einfach nur wichtig: möglichst wenig Wind von vorne und nicht gegen Wind und Strömung ankämpfen müssen. Das würde uns nur unnötig Zeit und vor allem Diesel kosten. Und dieser ist hier seeeeehr wichtig. Die nächste Tankmöglichkeit besteht erst in Puerto Eden in Luftlinie 400 Seemeilen; in gefahrenen Seemeilen durch die Kanäle deutlich mehr. Bis dahin will unser Motor und auch unser Diesel-Ofen gefüttert werden.

Auch die Caleta Olla fanden wir wunderschön. Der erste Landgang ging auf den Hügel und am Strand entlang bis zum Fluß und dann ab zu einem Wasserfall. Natürlich wieder sehr feucht, sehr üppig und wunderschön. Die Männer sind dann am nächsten Tag mal alleine losgezogen in Richtung Gletscher da es mir nicht so gut ging. Nach mehreren schweißtreibenden Stunden kamen sie wieder erschöpft und zufrieden zurück und durften sich dafür bei frischem Apfelplootz stärken, ehe es hieß: „Fasnacht in Franken“, musste geschaut werden. Zum Aussichtspunkt auf den Gletscher und den Gletschersee gibt es einen kleinen Trampelpfad, der am Eingang markiert ist. Da man aber nicht Hin- und Rückweg auf dem selben Weg machen will – „man will ja was sehen“ – sind die beiden dann auf eigenen Wegen den Berg herunter. Das war wohl sehr anstrengend 😉. Außerdem war für den nächsten Tag eine Wanderung am Flußlauf entlang angedacht, der so beschrieben ist und bis zum Gletschersee führen sollte. Denkste, die eine Seite war durch den Biber unpassierbar geworden, die Andere zu dicht bewachsen und immer wieder mit kleinen Wasserläufe durchzogen. Am letzten Tag noch eine kleine Abschlusswanderung am Strand entlang bis zu einem Seezeichen und zurück, wer weiter will hat es wiederum sehr schwer.

Auch in dieser Caleta sind wir 4 Nächte geblieben wegen der Wettervorhersagen und am Montag zeitig losgezogen in den Seno Pia. Dies ist ein zweiarmiger Fjord, in dem an beiden Enden der Gletscher bis ins Wasser reich – und ein „must-do“, wenn man hier vorbeifährt. Wir sind bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein losgefahren und vorbei an tollen Gletschern, dem Italia, Francia, Alemania und dem Romanche. Leider haben wir schon gesehen, daß sich der Himmel langsam zuzieht. Für die nächsten Tage ist leider auch deutlich kühlere Temperatur mit Schneeregen angesagt. So sind wir direkt bis zum Pia-Gletscher im rechten Arm hineingefahren und haben unseren ersten Gletscher direkt am Boot erleben dürfen mit seiner Abbruchkante und den kleinen Eisbrocken im Wasser. Ein beeindruckendes Erlebnis. Ebenso beeindruckend: wir hatten leider massive Grundberührung bei der Zufahrt. Die elektronischen Seekarten sind hier leider nicht ganz genau und wir haben es geschafft, einen Felsen unter Wasser zu touchieren, der nicht eingezeichnet war.

Es hat einen abrupten Stopp gegeben und das ganze Schiff ist kurz nach Steuerbord gekippt und zurück. Ein erster Augenschein aller relevanten Teile hat keine ersichtlichen Schäden erkennen lassen. Der Skipper wird in den nächsten Tagen noch einmal das Unterwasserschiff abtauchen und schauen, wo unser dicker Kiel eine Beule hat. Sind wir mal froh, daß wir so eine „Fat-Lady“ aus dickem Aluminium und massiven Kiel haben. Lediglich später haben wir dann bemerkt, daß unser Haltebrett für den Außenbordmotor durch diese Wucht gebrochen ist und der Außenborder nur noch am seidenen Faden hängt. Also bastelt uns Jochen ein neues Brett, damit wir den Außenborder wieder an seinen Stammplatz hängen können.

Es fing dann natürlich auch pünktlich zum Ankern mit dem Regen an. Unser Schiff hat schnell seinen Platz gefunden und der Anker hält gut, die Leinen zum Land sind schnell gelegt. Nur Ulf hat mit seinem Boot etwas Probleme, sein Anker hält nicht richtig und er muß zweimal einen neuen Anlauf nehmen um zu ankern. Da wir ihm beim Landleinenausbringen natürlich helfen, sind wir alle drei durchgeweicht. Zur Belohnung gibt es erst mal einen Kaffee und einen warmen Schokopudding – für Leib und Seele. Das war dann auch genug Aufregung für heute – sowohl positiv als auch negativ. Als wir ins Bett gehen, sehen wir Ulf auf seinem Boot werkeln. Ein kurzer Ruf rüber, ob alles klar ist: Ja, er hat noch etwas Kette gegeben, da er seinen Anker über Grund rumpeln hörte.

Das musste sein:“ Whiskey on the rocks“, mit frischen Gletschereis. Nach der ganzen Aufregung haben wir uns das doppelt verdient.

Am nächsten Morgen, wir schauen aus dem Fenster. Jetzt hängt Ulf aber sehr nah am Ufer. Schneller Funkruf rüber, ob er es schon gesehen hat. Nein, noch nicht gesehen und ja, er hat immer noch Probleme mit dem Anker, die Aufzeichnung seiner Bewegung lässt naheliegen, daß der Anker nicht hält und er sich bewegt. Also zieht Jochen sich wieder Regenfest an und die beiden ankern nun nochmals komplett um und verlegen sein Schiff auf einen ganz anderen Platz, bis sicher ist, daß der Anker nun auch wirklich hält.

Hier (nochmals?) für die Laien eine kleine Erklärung, wie das mit dem Ankern so läuft bzw. wie wir es handhaben:

Jochen fährt langsam die Stelle ab, an der wir ankern möchten und beobachtet dabei den Tiefenmesser. Wir brauchen einen gewissen Radius um das Schiff mit genügend Tiefe, da sich das Schiff ja im Regelfall mit dem Wind um den Anker herum bewegt („schwojen“). Hat er eine Stelle gefunden, die ihm zusagt, ruft er mir zu „Anker ab“. Wir ankern gerne in einer Tiefe von 5 – 10 Metern, was leider nicht immer möglich ist. Ich lasse den Anker dann fallen und gebe entsprechend der Bedingungen Kette aus. (alle 10 Meter ist eine farbliche Markierung an der Kette, damit man weiß, wieviele Meter draußen sind). Ist unsere Wunschlänge ausgebracht, fährt Jochen langsam rückwarts, bis die Kette auf Zug kommt. Dies beobachte ich bzw. lege meine Hand auf die Kette. So kann ich auch fühlen, ob der Anker über den Grund „ruckelt“ oder greift. Kommt die Kette auf Zug, gebe ich Jochen die Info und er gibt dann rückwärts mehr Gas. Bleibt die Kette auf Zug und nichts ruckelt – das sehe ich, indem die Kette aus dem Wasser in flacherem Winkel kommt – hält der Anker. Wir hängen dann noch eine sogenannte Ankerkralle ein, damit nicht die ganze Kraft der Kette auf der elektrischen Ankerwinsch und dem Bugbeschlag hängt um diese evtl. zu beschädigt. Die Ankerkralle hängen wir in die Kette ein und belegen die Leinen, an die jene hängt, auf den starken Klampen, so nehmen diese den Zug auf.

Hier in den Caletas machen wir das auch so, aber nach dem Ankern werden noch zusätzliche Leinen an Land, an Bäumen oder Felsen ausgebracht, da hier meistens kein Platz zum schwojen ist und das Boot in seiner Lage fixiert sein muß.

So nun sind wir beide sicher vor Anker und verbringen unsere Zeit im warmen Schiff, da es jetzt sehr ungemütlich kalt mit Schneeregen ist. Die Schneefallgrenze ist nur noch wenige Meter über dem Meeresniveau, wahrscheinlich könnten wir auf unserer Mastspitze schon einen Schneemann bauen 😊. Jochen fängt das reparieren an und ich kümmere mich um andere Kleinigkeiten.

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