Nachdem Fred und der Außenborder schließlich verstaut sind und soweit alles vorbereitet ist, heißt es endlich gegen 19 Uhr Anker auf. Doch hier der erste Schreckmoment, unsere Ankerkette hat sich wohl irgendwo am Grund um einen Felsen verschlungen. Mit ordentlich Zug auf der Kette und dem leichten auf und ab in der Dünung vom Boot kommt sie schließlich frei, Glück gehabt. Hätte das nicht funktioniert, hätte sich die Abfahrt wohl um einen Tag verschoben. Bei 20 m Wassertiefe hätte es eine Tauchausrüstung benötigt, um die Kette wieder frei zu bekommen. Unsere ist gut um Schiff verstaut und sich an eine der örtlichen Tauchschulen zu wenden, hätte alles noch einiges an Zeit gekostet. Bis es soweit gewesen wäre, wäre es schon so dunkel, daß daran nicht mehr zu denken gewesen wäre ins Wasser zu gehen, Tauchlampen haben wir leider keine dabei. Es hätte auf den nächsten Tag verschoben werden müssen. Aber wie gesagt, Glück gehabt.
So können wir schnell die Segel setzen, bei der Behörde noch schnell unsere Abfahrt durchfunken und los geht´s. Kaum aus der Landabdeckung draußen ist der Wind auch so kräftig, daß wir die Segel gleich noch etwas weiter reffen müssen als eh schon gemacht. Dann passt alles und so geht es die nächsten 2 Tage ohne weiteres Zutun dahin. Der Wind dreht schließlich immer weiter, nimmt auch noch etwas zu und wir fahren nun hoch am Wind unserem Ziel entgegen. Eine sehr zermürbende Fahrt, sowohl für´s Gemüt als auch für´s Material.
Dazu will ich euch mal ein wenig in die Grundlagen vom Segeln entführen. Der Einfachheit werde ich die Werte etwas runden, damit es verständlicher wird, der Profi wird mir verzeihen. Zuerst mal die Windgeschwindigkeiten die bei uns oft in Beaufort, kurz Bft, angegeben sind. Hier handelt es sich um eine Windscala die besagter Herr Beaufort entwickelt hat. 1 Bft entsprechen einer Windzunahme von ca. 5 kn, das sind ca. 10km/h. So entsprechen 5 Bft um die 20 kn Wind. Beim Segeln sprechen wir noch von einem wahren Wind und dem scheinbaren Wind. Der wahre Wind ist der Wind, den ihr spürt wenn ihr an einem festen Ort steht, Richtung und Stärke entsprechen den Angaben. Der scheinbare Wind ist der Wind den ihr in Bewegung spürt. Als Beispiel nenne ich mal das Fahrradfahren. Wenn ihr bei 20 km/h Wind dem Wind genau entgegenfahrt mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h (mit E-Bike schafft das jeder😉), so spürt ihr den Wind mit 40 km/h. Fahrt ihr mit den gleichen Werten genau mit dem Wind von hinten, so fühlt es sich an als wäre Windstille. Das ist der scheinbare Wind mit dem wir auf unserem Boot unterwegs sind. Kommt der Wind noch etwas von der Seite, ändert sich auch mit der Boots- bzw. Fahrradgeschwindigkeit der Einfallswinkel vom Wind. Auf dem Boot fahren wir auf Am-Wind-Kurs = Wind von vorne, Halb-Wind-Kurs = Wind von der Seite, Raumschot-Kurs = Wind von hinten. Jetzt fahren wir auf Am-Wind-Kurs bei besagten 5 Bft ca. mit 8 kn durch das Wasser, das fühlt sich dann schon an wie 6-7 Bft Wind, das ist schon nicht ohne. Fahren wir mit den gleichen Werten nun Raumschot, sind es nur noch 3-4 Bft Wind die wir auf dem Boot spüren und auch zur Verfügung haben, um vorwärts zu kommen. Jetzt kommt noch der Faktor Welle/ Dünung mit ins Spiel, auf dem Fahrradweg oder der Straße bleiben die Bedingungen ja gleich. Die Dünung ist in der Regel eine er langgezogene Welle die von einem weit entfernten Windsystem kommt. Hier im Südpazifik kommt jene meist aus südwestlicher Richtung und entstehen tut sie südlich des 40ten Breitengrades in den Stürmen, die da unten gang und gäbe sind. Die Welle kommt, der Einfachheit wieder gesagt, aus der Richtung, aus der der Wind kommt und wird auch von jenem erzeugt den man vor Ort hat. Fährt man nun auf Am-Wind-Kurs, kommen einem die Wellen mit ihrer etwas steileren Seite entgegen, das Schiff kämpft gegen die Wellen an. Ein ständiges Stampfen ist die Folge, viel Gischt und Wasser kommen über das Deck. Fahren wir Raumschot kommt die etwas flachere Seite der Welle von hinten, hebt das Schiff sanft an und geht mit der Welle auch wieder sanft nach unten. Wie in einen Fahrstuhl ein auf und ab, aber alles entspannt. Auf Halbwindkurs ist das Ganze eine Mischung aus den beiden, Windstärke ist wie angesagt und die Welle von der Seite. Ich hoffe es soweit verständlich geschrieben zu haben, ansonsten könnt ich über den Kommentar gerne nachfragen.
Bei der letzten Überfahrt zu der Osterinsel waren wir auf der Nordseite von einem Hochdruckgebiet, hatten somit auf der Südhalbkugel den Wind von hinten (die Wettersysteme drehen auf der Südseite entgegengesetzt wie auf der Nordseite) und die Fahrt mit 8 Bft war weitestgehend entspannt. Bei der Überfahrt die wir jetzt haben, sind wir auf der Nordseite eines Tiefdrucksystems, also Wind von vorne. Waren zuvor 8 Bft entspannt, ist es jetzt bei 6 Bft schon etwas übel. Da wir ja nicht genau gegen den Wind segeln können, kommt der Wind leicht schräg von vorne. Durch den Wind in den Segeln haben wir schon eine Grundkrängung (Krängung = Schräglage) im Schiff. Unsere Josa kämpft sich wacker durch die Wellen, nur die Wellen die dabei ständig auf die Bordwand prallen, sind lautstark und bringen das Boot immer wieder stark ins Schwanken. Kommen dann die etwas größeren Wellen an, spritzt die Gischt über das ganze Boot und etliche Kubikmeter Salzwasser werden über das Deck gespült. Die Belastungen für das Boot sind enorm und das eigene Gemüt leidet auch stark. Nach eineinhalb Tagen langt es uns, wir drehen etwas ab und sind nun mit Halbwind unterwegs, die Wellen von der Seite und etwas weniger scheinbarer Wind, lässt das Ganz schon viel erträglicher werden. Von dem Plan die Pitcairn Insel (bekannt von der Bounty, deren Meuterer sich hier niedergelassen haben und deren Nachfahren noch heute hier leben) zu besuchen, können wir uns in diesem Moment verabschieden. Was mich am meisten dabei stört: wir verpassen noch ein kleines Atoll, das auf dem Weg dahin liegt, Ducie Island. Eines der abgelegensten Atolle der Welt, kaum jemand kommt hier vorbei. Alles unberührte Natur, hier mal den Kopf Unterwasser zu stecken, mit Sicherheit traumhaft schön und interessant. Aber so ist das Seglerleben: es gibt Pläne, um sie zu ändern. So fahren wir anfangs einen Nordkurs. Später, als die Bedingungen etwas besser werden, einen Nordwestkurs um einem größeren Flautengebiet, das im Anmarsch ist, möglichst aus dem Weg zu gehen; ganz werden wir es wohl nicht schaffen. Der ursprüngliche Plan während der Flaute die Zeit am Atoll zu verbringen, hätte auch nicht funktioniert, der Weg wäre doch noch zu weit gewesen, um rechtzeitig dorthin zu kommen. Da wir am Rand von einem Tiefdruckgebiet unterwegs sind, sind die Tage und Nächte weitestgehend bewölkt, die Sonne zeigt sich nur spärlich. Nach zwei weiteren Tagen steht wieder mal der Wechsel zwischen zwei Windsystemen auf dem Programm. Wie bei der letzten Überfahrt hält mich das Ganze wieder über viele Stunden auf Trab, natürlich auch wieder in der Nacht, was sonst. An Schlaf ist so gut wie gar nicht zu denken. Als sich der Wind schließlich eingependelt hat ist es schon taghell und ich kann mich auch endlich mal auf´s Ohr legen. Den Rest vom Tag verbringe ich meist in der horizontalen, um den Schlaf nachzuholen. Mit dem neuen System sind wir jetzt auch in einem Hochdruckgebiet, die Sonne begleitet uns und ein Blick in den Mondkalender verspricht Neumond, sprich kein Mond zu sehen. Die nächste Nacht lässt somit einen fast ungetrübten Blick auf den Sternenhimmel zu, nur ein paar Wolken sind zu sehen, einfach traumhaft dieser Anblick. Letztendlich kommen wir auch in das Flautengebiet wie angekündigt, wir haben aber Glück und sind wirklich bis an den Rand gekommen. Wir haben immer gerade noch soviel Wind, daß wir unter Segel fahren können, zwar sehr langsam – aber immerhin; und ob wir ein oder zwei Tage später auf den Gambier´s ankommen ist nicht so wichtig, Zeit haben wir ja.
Vielen Dank an Ulf der uns die Bilder zur Verfügung gestellt hat, wir können mit unseren Mitteln leider keine Sternenbilder fotografieren. Die Bilder zeigen den Sternenhimmel von dem ich immer so schwärme noch viel deutlicher, sie sind in der Atacamawüste aufgenommen, keine Lichtverschmutzung und noch weniger Staub in der Luft.
Als der Wind wieder einsetzt, setzen wir doch wieder Kurs auf Ducie Island, wir sind gerade mal 170 sm davon entfernt, wir wären in spätestens 30 Stunden dort. Der Wind würde gut passen, um dorthin zu kommen. Ich checke nochmals alle Für und Wider der Vorhersage, die für die weiteren Tage gemeldet sind und nochmal und nochmal. Schweren Herzens fällt doch der Entschluss, wieder direkten Kurs auf das Gambier Archipel zu nehmen. Zu einem haben wir noch mäßigen Wind, wenn wir an dem Atoll ankommen würden, die Ankerverhältnisse sind völlig unklar, im Zweifel müssten wir trotzdem weiterfahren. Auch für den weiteren Verlauf danach schaut es nicht gut aus. Das nächste Eiland ist Henderson 200 sm weiter, auch hier die Ankerverhältnisse völlig unklar. Um dorthin zu kommen müssten wir auch wieder ein Flautenloch überbrücken. Danach dann wieder kräftiger Wind, vor dem wir uns irgendwo Schutz suchen müssten. Das wäre dann die Pitcairn Insel nochmals weitere 100 sm entfernt, Ankerplatz sehr rollig und ein anlanden an Land nur bei ruhigen Verhältnissen möglich. Alles Dinge, die letztendlich entschieden haben, daß wir diese interessanten Inseln nicht anlaufen werden. Nach zwei Tagen, auf denen wir Raumschot und mit guten Windverhältnissen unterwegs sind macht sich so langsam die uns bevorstehende Flaute bemerkbar, der Wind nimmt langsam aber stetig ab. Gerade am raumen Kurs, wenn der Wind zu wenig wird, rollt das Schiff immer mehr von der einen Seite auf die andere, da der Winddruck in den Segeln fehlt. Durch diese Rollbewegung fangen die Segel immer mehr das Schlagen an. Wenn man bedenkt, daß sich die Mastspitze immer 5 Meter von der einen zur anderen Seite bewegt – und das innerhalb kürzester Zeit – erzeugt das schon beachtliche Beschleunigungen in den Segeln, die das Ganze verursachen. Die nächsten beiden Tage werden die Nerven wieder auf eine harte Probe gestellt. Wir passen den Kurs und die Segel immer wieder an, um es zumindest etwas abzumildern. Die zweite Nacht lässt die Überlegung schon aufkommen unter Maschine weiter zu fahren. Aber die nächsten drei Tage noch unter Maschine bis zum Ziel? Nein Danke, wir halten durch. Am Morgen ergibt sich dann ein ganz neues Bild, der Wind hat kräftig gedreht und die Welle sich auf ein Minimum reduziert. Ich setzte beide Segel, das Großsegel war zuletzt zur Pause verdammt worden und die Genua nur zu 80% gesetzt, alles dem Schlagen geschuldet. Nun kommen wir auf einem Amwindkurs, trotz der er schwachen Windverhältnisse, gut voran und durch die wenige Welle gleiten wir jetzt gemächlich über das weite Blau des Pazifiks. Die Sonne lacht vom Himmel und das Meer hat seine tausenden Spiegel ausgepackt, die im steten Wechsel die Wasseroberfläche in einem silbernen Glanz erscheinen lässt, Seglerherz was willst du mehr. Dieser uns wohl gesonnene Zustand hält natürlich nicht ewig an, am nächsten Tag ist es dann so weit. Das Segel hängt fast wie ein nasser Sack am Vorstag, wir bergen es. Aber bevor wir die Maschine starten gibt es noch ein erfrischendes Bad im Pazifik, welche Wohltat. Ich schwimme eine Runde um das Boot in einem unglaublichen Blau, in diesem Bereich ca. 3200 m tief. Wer kann schon von sich behaupten in so einem tiefen Gewässer mal geschwommen zu sein? Schreibt uns gerne.
Dann geht´s schließlich unter Motor weiter, zum Glück aber nur 3 Stunden lang, bevor der Wind wieder einsetzt. Kleiner Nebeneffekt, die Batterien sind auch wieder voll geladen. Wir setzten nur die Genua für die weitere Wegstrecke, aber schon schnell wird der Wind immer kräftiger, ich fang das reffen an. Kurz darauf taucht am Horizont auch noch ein Wolkenband auf, das ein Anzeichen für weitere Windzunahme ist. Als es immer Näher kommt, wird weiter gerefft, viel steht nicht mehr vom Tuch. Aber genau zur richtigen Zeit und in der richtigen Dimensionierung sind wir gut gewappnet für das, was kommt. Es ist wesentlich entspannter so etwas am Tag zu erleben, man sieht was kommt und kann entsprechend reagieren. Schließlich dreht der Wind und wir sind in unserem neuen Wettergebiet angekommen. Es ist Zeit, die ersten Berechnungen für unsere Ankunft zu tätigen. Der Wind sollte uns bis zu den Gambier´s gewogen sein. Aktuell kommt er als Halbwind daher und soll etwas auf Raumschot drehen. Perfekt, so kann ich nur unter der Genua segelnd gut die Geschwindigkeit kontrollieren, indem ich die Segelfläche anpasse. Ich rechne aus, wie schnell wir fahren müssen und dürfen, um bei Tageslicht unser Ziel zu erreichen. Zwar soll das Atoll gut betonnt sein und somit auch eine Einfahrt bei Nacht möglich sein, aber schöner und sicherer ist es doch bei Tageslicht. Mittlerweile, aber schon wieder im Dunkeln, fängt ein wilder Tanz an, keine 12 Stunden nach meiner Schwimmeinlage wird es immer heftiger. Das Ausmaß ist dann erst in der Morgendämmerung zu erkennen, Wellenberge kreuz und quer sind zu sehen. So wilde Wellenberge hatten wir auch noch nicht. Nach gut 2 Stunden übelster Schaukelei scheint der Höhepunkt erreicht zu sein, die Wellen nehmen langsam eine einheitliche Richtung an, was auch auf dem Boot deutlich zu spüren ist. Es bleibt aber weiterhin alles andere als angenehm, aber mit der Aussicht am nächsten Tag anzukommen, erträglich. So ist mit der ersten Morgendämmerung dann auch Land in Sicht. Während ich mich über das Erreichen von unserem ersten Ziel in der Südsee freue, kommt von Sabine nur, „endlich hört das Geschaukel auf“. So unterschiedlich sind die Gedanken. Wir kommen mittig in der gewünschten Zeitspanne zu unserem Wegpunkt an, bei dem wir die Ansteuerung zur Passeinfahrt starten. Die einzelnen Inseln (Motu’s), die in dem Atoll über der Wasseroberfläche zu sehen sind, werden immer deutlich in ihrem Aussehen, die höchsten Berge sind hier etwas über 400 m hoch. Unser Tiefenmesser, der bis 300 m Tiefe anzeigt, macht sich erst wenige Meter vor dem Pass das erste mal bemerkbar, so steil ist auch die Unterwasserlandschaft. Insgesamt ein steiler Berg, mitten im nirgendwo, die See ist um das Atoll herum noch 3 bis 4-tausend Meter tief. Wenn man bedenkt, daß Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze 2962 m hat, Garmisch auf 708 Meter liegt, so hat man noch ungefähr 2200m reinen Berg. Dieser Berg hier steigt vom Meeresgrund empor und ist damit fast doppelt so hoch wie unsere Zugspitze, unglaublich. Die Durchfahrt hat dann eine maximale Tiefe von 12 m, links und rechts noch deutlich weniger, ist aber dank der genauen Seekarten leicht zu passieren. Danach fällt der Grund auch wieder auf bis zu 40 m ab, die See ist deutlich ruhiger geworden. Das Innere eines Atoll´s ist immer mit zahlreichen Untiefen bestückt, eine genau angegebene Kurslinie muss eingehalten werden, um diese Gefahrlos zu passieren. An diesem Atoll gibt es drei verschiedene Zufahrten, wir haben uns für die aus Südwest entschieden. Hier sind die ersten Seemeilen innerhalb nicht mit Fahrwassertonnen bestückt, aber durch die Beschreibung in der Seekarte ohne weitere Probleme zu meistern. Bis wir das Hauptfahrwasser erreichen, in dem dann die Tonnen das Fahrwasser markieren, sind die ersten 10 sm noch unter Segel zurückgelegt, der Wind steht dafür gut. Für die weiteren 10 sm muss dann auf die Maschine zurückgegriffen werden, bis wir den Hauptort Rikitea das erstmal sehen. Durch die große Weite vom Atoll, dem kräftigen Wind geschuldet, ist trotz alledem einiges an Wellengang. Die letzte Seemeile führt nun durch eine schmale Durchfahrt eines breiten Riffgürtels, das unseren anvisierten Ankerplatz vor dem Ort sehr gut schützt. Eine kleine Runde vor dem Ort und unser Anker fällt auf 15m Tiefe in den Sand, willkommen in der Südsee, unserem zweiten Traumziel nach Patagonien.
1653 sm nach 13 Tagen und 20 Stunden macht einen durchschnittlichen Etmal von 120 sm, insgesamt 4100 sm vom chilenischen Festland zurück gelegt.