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Alles hat ein Ende

Patagonien – Ende unseres ersten Abenteuers

…doch der Reihe nach…

Nachdem wir einen weiteren Tag in Dalcahue verbracht haben und noch etwas durch die Stadt gestromert sind, sind wir am folgenden Tag 19 Seemeilen weiter in die Caleta Anihue auf der Isla Mechuque (sprich meschugge 🙂 ) übergesetzt. Hier haben wir uns auch unseren Fred geschnappt und sind an Land gefahren, um uns das kleine Örtchen einmal anzuschauen. Leider ist halt Nebensaison und daher alles ziemlich leer. Wir konnten diverse geschlossene Restaurants sehen, eine kleine Kirche betreten, in der gerade eine Totenwache abgehalten wurde und sind etwas an der „Strandpromenade“ entlanggelaufen. Die berühmten Stelzenhäuser hier sind teilweise schon toll anzusehen, wenn halt nicht jedes zweite dem Verfall überlassen werden würde. Auch gab es hier ein historische Museum, dessen Gebäude auch verfällt. Hier konnten wir nur durch die Scheiben einen Blick hineinwerfen und wir konnten ein Sammelsurium an nautischen Objekten erkennen. Bei genauerer Betrachtung sah es eigentlich nicht so aus, als würde das schon lange so vor sich „hingammeln“, keine dicken Staubschichten. Aber das Gebäude lässt von außen nicht vermuten, daß das Museum noch aktiv betrieben wird.

Weiter ging es am nächsten Tag in das Örtchen Quemchi, wo wir uns frech an eine freie Fischerboje gehängt haben, da es auch hier so eng zugeht. Dies ist auch ein quirliges Touristenörtchen, in dem wir zwei Nächte geblieben sind. Laut unseren Informationen solle man unbedingt die Isla Aucar besuchen, was wir natürlich auch gemacht haben und losmarschiert sind. Der einfache Fußweg etwa 6 km. O-Ton Ulf „ist ja flach“. Wir konnten die Insel ja von unserem Liegeplatz aus sehen und müssten nur am Ufer um die Bucht herum. Nur die Straße/Weg geht nicht am Ufer entlang….An der ersten Steigung hat Ulf seine Aussage revidiert. Und als was stellte sich die Insel heraus? Ein Friedhof mit dem klingenden Namen „Isla d las almas navegantes“ – Insel der navigierenden Seelen (oder der Seelen der Seefahrer) mit einer kleinen Kapelle, die natürlich wieder verschlossen war. Die Insel soll laut der Beschreibung ein Ort der Natur und Spiritualität sein. Naja, ich bin da nicht so dabei. Es war ein schöner Tag mit einem Spaziergang und die Insel war nett angelegt. Hätte ich aber vorher gewußt, daß es ein weiterer Friedhof ist, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr mitgelaufen.

So richtig nett wurde es dann hinterher. Auf der Festlandseite des Steges befanden sich einige Verkaufsstände, bei denen wir mal zum „schauen“ hinmarschiert sind. Hatten wir doch schon etwas Hunger, der Spaziergang wurde spontan erst in der Stadt entschieden, also hatten wir außer Wasser keinerlei Verpflegung dabei. Wir haben dann bei einer netten Dame jeder eine Empanada mit Apfelfüllung – auf deutsch eine große Apfeltasche – verköstigt, die wirklich lecker war. Sie hat allerlei leckere Dinge verkauft, die sie alle selber herstellt. Einige Dinge hat sie mir dann erklärt und hat sich sichtlich über unseren Besuch gefreut. So viele Ausländer kommen hier nicht an. Für den Rückweg kam dann die Entscheidung, daß wir evtl. einen Bus nehmen, wenn einer vorbeifährt. Diese wurde uns aber abgenommen, als ein Auto neben uns angehalten hat und uns eingeladen hat, mitzufahren. Nicht ganz uneigennützig 🙂 Die Dame am Steuer ist ein Tourguide und fragt auch gleich, wann wir denn abreisen. Aber sie war sehr nett, hat uns noch von einigen Highlights in der Ecke erzählt, von denen wir bisher nichts wussten – die wir jetzt aber auch nicht mehr sehen werden, da wir morgen weiterfahren werden.

Für den nächsten Tag galt es, den Golfo de Ancud nach Norden zu überqueren, um wieder ans Festland zu gelangen. Dies ist unser letzter Ankerplatz vor Puerto Montt und soll uns zwei Tage lang Schutz bieten, da ein starker Nordwind vorhergesagt wurde. Wirklich gut geschützte Buchten waren in unserer blauen Bibel nicht zu finden (für unser Empfinden) und so haben wir uns auf eine Aussage aus der Noforeignland-App verlassen und beim Betrachten der Gegebenheiten für Gut empfunden. Wir hatten an diesem Tag einen sehr guten Wind und konnten fast die gesamte Strecke schön segeln. Der Ankerplatz befindet sich in einer sehr großen Bucht zwischen einer Muschelfarm und dem Strand. Bei der Anfahrt darauf dachte ich noch „Gott, da ist doch kein Platz zum Ankern“ – aber getäuscht. Was immer so eng aussieht, ist in Wahrheit viel Platz zum Schwojen und so lagen wir dann an einem flach abfallenden Strand direkt hinter Muschelfarmen, die ja auch hereinlaufenden Schwell etwas abbremsen. In der Zufahrt zur Bucht wurden wir von total übermütigen Delfinen begleitet, was uns natürlich sehr gefreut hat. Endlich hatten wir einmal springende und Drehung machende Exemplare am Boot.

Wir sind am Freitag dort angekommen, der Starkwind war für Sonntag vorhergesagt. Folglich konnten wir am Samstag was? Natürlich – Landgang. Mit Fred ans Ufer gefahren – mei, war das weit weg und am Kieselstrand entlang zu der kleinen Siedlung an der Südspitze gelaufen. Die obligatorische Kirche wieder verschlossen, freilaufende Rinder, Hühner und Schweine. Hunde sowieso. Und endlich mal ein klarer Blick auf das Andenpanorama mit seinen weißen Gipfeln. Keine spektakulären Entdeckungen, aber zumindest die Beine wieder ordentlich vertreten, so daß der Sonntag dann im Boot ausgesessen werden konnte.

Am Montag hieß es dann „Anker auf“ für die letzte Etappe in Patagonien. Heute laufen wir in Puerto Montt ein, wo wir in der Marina Club Nautico Reloncavi unseren Liegeplatz gebucht haben. Die Überfahrt verlief problemlos mit ordentlich Schiffsverkehr außenrum und so konnten wir 3 Stunden später unsere Ankunft über Funk mitteilen. Am Steg wurden wir von Jorge, dem Hafenmeister des Clubs begrüßt, der uns beim Festmachen half.

fest am Steg im Club Nautico Reloncavi

Nun sind wir endgültig wieder in der Zivilisation angekommen mit seinen Menschen, Lärm und Verkehr. Aber auch seinen Cafes, Restaurants und Supermärkten. Und am wichtigsten: eine richtig heiße Dusche mit Endlos-Warmwasser dank Durchlauferhitzer, einer Waschmaschine und einem Wäschetrockner. Gott, welch ein Luxus, in dem wir hier schwelgen!!!!!

Was ist nun unser Fazit von Patagonien???

Die Natur in den unberührten und unbewohnten Kanälen ist überwältigend. Wir sehen vom Wasser aus Gegenden, in die man sonst nicht kommt. Andersherum kommen wir halt dafür nicht so einfach dahin, wo der „Landurlauber“ hinkommt. Die Tierwelt hatten wir uns ja so vorgestellt, darüber informiert man sich ja. Aber daß auch die Pflanzenwelt so artenreich ist, hätte ich nicht erwartet. Vor allem, wenn man bedenkt, unter welchen Bedingungen sich hier so ein kleines Pflänzchen behaupten muß. Ständig starke Winde, ständiger Regen, der Boden ein einziger Sumpf. Eisig kalte Winde aus dem Süden. Wer will da schon wachsen? Und dennoch blüht es in den unterschiedlichsten Farben, es gibt Brombeeren und viele andere Früchte. (Gut, die probierten Beeren waren jetzt nicht wirklich süß – fehlt halt doch etwas Sonne). Die Gletscher – beeindruckend gigantisch.

Was haben wir uns anders vorgestellt? Nun ja, uns war klar – es wird kalt. Ganz so schlimm war es jetzt nicht, ich hätte mehr Frost erwartet. Dafür war uns überhaupt nicht klar, daß es hier so viel regnet. Wir konnten dem dank unserer Kuchenbude gut trotzen und immer relativ trocken sitzen, auch beim Segeln. Aber es zehrt schon an den Neven, wenn es Tagein, Tagaus aufs Dach prasselt oder tropft.

Man liest sich ja immer ein, wann ist die beste Zeit um wo rumzufahren. Für uns hieß das Januar / Februar unten rum. Jetzt im Nachhinein würde ich sagen: nein, lieber früher da sein und die Zeit Januar/Februar schon in den Kanälen sein. Wir waren am 03. Januar das erste Mal in Puerto Williams, am 21. Januar an Kap Hoorn und sind letztendlich erst am 17. Februar in Puerto Williams in Richtung Kanäle losgefahren. Also tendiere ich dazu zu sagen, schon im November in Puerto Williams zu sein und dann ein Fenster für Kap Horn zu suchen, um im Dezember Richtung Kanäle loszukommen uns somit spätestens im Februar mitten in den Kanälen westlich von Puntas Arenas zu sein. Dann hat man genug Zeit im „Sommer“. Durch unsere Motorenprobleme wurden wir leider hier im Zeitplan etwas durchgereicht und wir sind schon sehr in den Herbst hineingekommen.

Beim nächsten Mal dann machen wir das besser…..

Nun stehen wir in Puerto Montt und genießen die guten Versorgungsmöglichkeiten, können das erste mal seit Buenos Aires wieder mit dem Bus in die Stadt fahren und nach Herzenslust einkaufen. Leider bietet die Stadt auf den ersten Blick nicht wirklich viel Sehenswertes, mal schauen, vielleicht findet sich ja noch was. Und siehe da, das erste mal seit unserer Abreise überhaupt, sind wir richtig Krank geworden. So musste der zweite Termin zur Begutachtung von unserem Motor durch einen Mechaniker verschoben werden, der Nächste, 4 Tage später, hat dann die Erkenntnis gebracht. Am ersten Termin hat er die Injektoren nochmal mitgenommen um diese zu Überprüfen. Beim Zweiten wurden dann noch die Kompression der einzelnen Zylinder überprüft. Letztendlich war dann doch ein Injektor nicht ganz perfekt und dieser wurde getauscht. Die Kompressionsprüfung ergab, daß alle Zylinder schön ordentlich Druck aufbauen. Das „Worst-Case-Szenario“, daß die Maschine aus dem Schiff muss, bleibt somit aus. Bleibt also nur noch die Einspritzpumpe übrig, die wohl nicht mehr ganz zur richtigen Zeit das Richtige tut. Eine kurze Schraubereinlage, um die Einspritzzeiten durch das Verdrehen der ganzen Pumpe in der Aufnahme zu verändern zeigt schon einen guten Erfolg. Also: Pumpe komplett ausbauen und auf dem Prüfstand fein säuberlich einstellen. Durch die Arbeiten am Motor mussten wir auch gleich unseren Krantermin stornieren: wir brauchen die Wasserkühlung für die Testläufe, die an Land nicht gegeben ist. So muss erstmal der Motor fertig gestellt werden, bevor es mit der Dicken aufs Trockene geht, um da dann den Unterwasseranstrich nochmals zu erneuern. Langweilig wird es wohl nicht werden die nächsten Tage.

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Und täglich grüßt das Murmeltier

Die etwas ältere Generation kennt den Filmklassiker von 1993 mit Bill Murray in der Hauptrolle, wir fühlen uns fast schon genauso. Seit dem Verlassen von Puerto Williams führen wir den täglichen Kampf gegen die Feuchtigkeit im Schiff, die sich überall bildet, trotz der guten Isolierung unserer Dicken. So beginnt der Tag damit, erst einmal alle Luken und Fenster mit einem Lappen trocken zu legen, ebenso tagsüber und genauso endet der Tag auch. Bevor es in die Koje geht: wischen. War es zu Beginn der Reise Richtung Norden noch recht einfach – man konnte fast jeden Tag auch mal ordentlich lüften – ist es mittlerweile schon fast ein Kampf geworden. Der viele Dauerregen macht ein Lüften kaum möglich, es wird aber jede noch so kleine Möglichkeit genutzt, genau dies zu tun. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit aber ein Kampf gegen Windmühlen, der aber weitergekämpft werden muss. So freuen wir uns auf eine Marina mit Landstrom, so daß unser Luftentfeuchter seinen Dienst verrichten kann. Im Moment geht das nur kurz und sporadisch, wenn genug Strom in den Batterien vorhanden ist, Solarstrom gibt es halt auch fast keinen.

Der nächste Kampf gilt unserem Motor, er läuft zwar noch, aber das ist jetzt mal nicht das Gelbe vom Ei. Die Hoffnung, daß es „nur“ an den Einspritzdüsen liegt, wurde in Puerto Aguirre ja zerschlagen. Alles was ich unterwegs überprüfen und machen kann, ist gemacht. Der erste Kontakt zu einem Mechaniker in Puerto Montt ist hergestellt; der muss es wohl richten, hoffentlich. Bis dahin muss er noch, zumindest halbwegs, funktionieren. So genug der Jammerei, weiter geht´s mit der Reise.

Von Puerto Aguirre aus wollten wir eigentlich die Inseln an der Westküste „abklappern“. Doch wie immer kommt uns das Wetter in die Quere. Es zieht wieder ein Tiefdruckgebiet heran, das uns einige Tage „bewinden“ sollte. Und da das Wetter aus Westen über die Inseln heranzieht, fühlen wir uns in den Kanälen des Festlandes etwas sicherer. Also entscheiden wir uns, daß wir nach Norden an der Festlandküste hochziehen werden, bevor wir auf die große Insel Chiloe übersetzen werden, die hier auch ein „To-Do“ ist.

Unser erster Schlag fällt daher etwas länger aus, da die nächste passende Ankerbucht, die Caleta Reunion auf der Südseite der Isla Magdalena liegt, einer großen Insel direkt vor dem Festland. Es läuft gut, wir können auch wieder einmal die Segel setzen und zu unserer großen Freude sehen wir etliche Buckelwale. Wir machen einen Abstecher und drehen auch ein paar Kringel, um diesen eleganten Kolossen zuzusehen. Einfach immer wieder faszinierend und atemberaubend, man kann sich hier nicht sattsehen.

In der Caleta Reunion verbringen wir einige Tage vor Anker und Landleinen, bis sich das Wetter etwas beruhigt und können hier auch mit dem Dinghi den Flußlauf etwas hinauffahren und die Natur bestaunen. Dann brechen wir auf, um auf die Nordseite der Insel zu wechseln; eine Strecke von 50 Seemeilen liegt vor uns. Unser Ziel ist die kleine Caleta 13 de Diciembre. Auch hierher können wir wieder segeln, verlieren aber durch die nötigen Kreuzschläge ziemlich viel Zeit, so daß wir mit unserer JOSA erst in der Dämmerung ankommen. Diesmal war Ulf vor uns da, er hat sich das Segeln erspart und ist unter Maschine auf direktem Kurs gefahren, da sein Boot nicht so hoch am Wind fahren kann und er durch das Kreuzen noch viel mehr Zeit verloren hätte als wir. Er hilft uns bei Ankunft noch schnell, die Landleinen auszubringen, solange noch etwas Licht vorhanden ist. Im Stockdunkeln an einer Felswand hochkraxeln, um einen Baum zu erreichen, ist nicht so prickelnd.

Aber diese kleine Bucht ist wunderschön. Jochen ist am nächsten Tag in einer Regenpause mit Fred losgezogen und hat die gesamte Bucht vor unserer Minicaleta abgerudert. Eine traumhaft schöne Bucht mit vielen kleinen Inselchen. Entsprechend natürlich auch die Tierwelt. Diese Zeit habe ich genutzt, um einen Kuchen zu backen. Schließlich hat unsere Nachbarin zu Hause ja heute Geburtstag und das ist bekanntlich „Kuchentag“! Bei uns ist zwar keine Auswahl vorhanden, aber immerhin haben wir einen.

Tags darauf ging es in Richtung Puerto Santo Domingo im Canal Refugio. Dieser Kanal soll wunderschön sein und der Ankerplatz befindet sich in einer weitläufigen Bucht mit zwei bewohnten Häusern. Eines davon ist von einer deutschen Aussteigerin mit ihren Kindern bewohnt. Sie wollen wir unbedingt besuchen, hat uns doch Martin von ihr erzählt und wie nett es da wäre. Leider sahen wir vom Canal Refugio nicht wirklich viel. Wir haben hier an der Festlandseite zwar den Vorteil, daß der Wind schon abgebremst wurde und durch die vorgelagerten Inseln nicht so stark ankommt, aber leider hängen sich halt die Regenwolken hier an den Bergen fest und es ist permanent am Regnen. Entsprechend ist auch die Sicht. Hinter den vielen Wolken befindet sich ein wunderschöner Vulkan – den wir leider überhaupt nicht zu Gesicht bekommen haben.

Als wir in der Bucht ankommen, liegen da auch einige Boote. Wir vermuteten Fischerboote und sind guten Mutes einmal rübergefahren und haben nach Fisch gefragt. Nein, Fisch hat er nicht. Sie sind Arbeitsboote. Na gut, dann halt kurz die Beine an Land vertreten bevor es dunkel wird, es regnet ja gerade mal 10 Minuten nicht.

Unser ursprünglicher Plan war noch die Insel „Tictoc“ auf der Festlandseite anzufahren, da diese eine tolle Tierwelt bieten soll. Doch leider zeigt die Wettervorhersage wieder einmal etwas anderes. Nach Tictoc wollten wir nach Chiloe übersetzen; hierfür queren wir den Golfo de Corcovado, der durch den Boca Del Guafo mit dem Pazifik verbunden ist. Eine sehr breite Öffnung zwischen den Inseln. Und hier rollt die Welle ordentlich rein, wenn draußen entsprechende Winde herrschen. Lediglich für den Sonntag ist ruhiges Wetter mit nur kleiner Dünung angesagt. Sollten wir diesen Tag nicht nutzen, sitzen wir mindestens eine weitere Woche hier fest. Also beschließen wir, daß wir gleich morgen früh, dem Samstag zeitig aufbrechen und in 20 sm Tictoc ansteuern, um dann am Tag darauf nach Chiloe aufzubrechen. In der Hoffnung, daß wir dann wenigstens den Rest des Tages noch etwas von Tictoc sehen können, wenn wir hier schon nicht an Land können, um Bekanntschaft zu machen.

Also hieß es für uns, morgens um 7.30 Uhr im Stockdunkeln den Anker zu lichten und Richtung Norden aufzubrechen. In unserer Bucht ist von Wind und Welle nichts zu spüren und wir fahren in die Dämmerung, die wieder von Wolken, Nebel und Regen geprägt ist. Uns war klar, daß uns etwas Welle entgegenschlagen wird, wenn wir aus dem geschützten Kanal Refugio hinausfahren und daß uns Wind von vorne erwartet, gegen den wir anfahren müssen. Aber für 20 sm sollte das gehen…. Naja, ging es nicht. Nachdem wir uns es einige Zeit angetan hatten, gegen die Welle anzufahren und der Wind auch schon früher und stärker zulegte als vorhergesagt, haben wir uns entschieden: „umdrehen“. Also ging es wieder zurück nach Puerto Santo Domingo. Dann fahren wir morgen früh direkt nach Chiloe los.

Nachdem der Regen am Mittag eine Pause eingelegt hat, haben wir Fred geschnappt und sind an Land zu den Häusern gefahren. Begrüßt wurden wir gleich von mehreren bellenden Hunden und uns kam dann auch gleich Veronika entgegen. Wir haben uns dann als Deutsche geoutet und gestanden, daß wir sie aufgrund Martin’s Erzählungen unbedingt besuchen wollten. Sie hat sich sehr gefreut und uns eingeladen, sie in ihrem Haus zu besuchen. Wir sollten uns vorher aber unbedingt bei dem Besitzer des Grundstückes anmelden und um Erlaubnis bitten, hier an Land zu gehen. Da er im Haus nebenan wohnt, sind wir mit Veronikas jüngstem Sohn als Übersetzer hinübermarschiert und wollten kurz Hallo sagen. Naja – kurz.

Er hat uns gleich eingeladen zu sich ins Haus und wir saßen dann dort gemütlich zusammen. Veronika kam dann auch noch herüber und so haben wir einiges über den Besitzer und die Gegend erfahren. Das Land hier in der gesamten Bucht gehört ihm, sogar der Strand ist in Privatbesitz. Dies ist nicht üblich in Chile, er ist der einzige Besitzer von Strand. Normalerweise endet der private Besitz vor dem Strand und der Strand ist öffentlich. Hinter seinem Land fängt gleich der Nationalpark an, ebenso die vorgelagerte Insel ist Nationalpark und auch der Küstenabschnitt gegenüber ist geschützter Bereich. Da darf weder getaucht noch gefischt werden. Dies interressiert die Salmoneras-Besitzer aber nicht. Sie bauen dort ihre Lachsfarm auf – weil einfach nicht kontrolliert wird. Daher auch die diversen Arbeitsschiffe, die vor Anker liegen. Das sind Arbeiter, die auf den Salmoneras arbeiten. Und die Häuser, die hier stehen waren früher die Unterkünfte für die Taucher, die auf den Salmoneras gearbeitet haben. Er hat diesen Landabschnitt vom Staat gekauft und baut sich die Häuser nun seinen Wünschen entsprechend aus und um, um hier ein einfaches Leben ab von Städten und Menschen zu führen. Und Veronika darf einen Teil davon nutzen und hilft dabei, das Land zu bewirtschaften und herzurichten. Für den morgigen Tag z.B. steht die Schlachtung eines Stieres an. Da hier früher die Arbeiter gewohnt haben, haben sie noch den Luxus, daß zweimal in der Woche eine Fähre vorbeikommt und hier auch anlandet, wenn dies gewünscht oder benötigt wird.

Gerne wären wir hier noch einige Tage geblieben und hätten etwas mitgeholfen, nur um von diesem einfachen Leben etwas mehr zu erfahren. Doch leider müssen wir uns wieder verabschieden, um am nächsten Morgen wieder zeitig aufzubrechen. In den Genuß, das Haus von Veronika zu sehen, kamen wir natürlich auch nicht mehr….

Am Sonntag hieß es dann wirklich zeitig um 7 Uhr „Anker auf“. Es liegt ein weiter Weg vor uns. Und es war wie vorhergesagt ein schöner Tag mit Sonnenschein, blauem Himmel und Sicht auf die hinter uns liegenden Berg- und Vulkangipfel. Endlich sieht man mal was!!! Die Dünung war noch angenehm und kurzzeitig war auch reines Segeln möglich. Doch leider war der Wind etwas zu schwach auf der Brust, damit die Segel in der Dünung wirklich gut stehen und nicht das Schlagen anfangen. Daher war es ein mehrfaches Segel setzen und Motor an und aus. Nach 58 Seemeilen und 10,5 Stunden Fahrt hieß es dann „Anker ab“ in Puerto Quellon auf Chiloe.

Anker ist gefallen in Quellon mit Blick auf die Anden – hier der Vulkan Corcovado

Mit Ankunft in Chiloe hat sich das Landschaftsbild auch komplett geändert: von der unberührten Natur und den Berggipfeln, die von den rauhen Naturgewalten gekennzeichnet sind, hin zu einer weichen Hügellandschaft. Erhöhungen, die kaum über die 200 Höhenmeter reichen, alles Grün, alles bewaldet mit Wiesen dazwischen, hier und da stehen immer wieder Häuser oder kleinere Siedlungen. Man merkt einfach direkt, daß hier wieder mehr Menschen leben, weil wohl auch einfacher als der unzugänglichen Natur der Bergwelt etwas abzuringen…

Quellon, ein 13000-Einwohner-Ort, der vom Fischfang lebt. Entsprechend viele Fischerboote liegen im Hafen und wir verziehen uns ganz ans Ende der Bucht, um nicht permanent von vorbeifahrenden Booten durchgeschaukelt zu werden. So ist der Weg mit Fred zum Pier zwar länger, aber vor Anker viel angenehmer. Unsere direkten Nachbarn sind ein paar Seelöwen, die auf einer kleinen Plattform liegen. Von Ulf kam dann auch noch die Frage, ob wir denn noch mal an Land gehen werden, er würde natürlich nach so einem langen Tag und wenn wir schon in einer Stadt sind, gerne zum Essen gehen. Na klar, also Fred gesattelt und an die Pier gefahren. Hier sind die Fischer alle mit dem Abladen ihrer Boote beschäftigt und wir legen uns neben die ganzen kleinen Ruderbooten, mit denen die Fischer zu ihren großen Booten an den Bojen fahren, an den Pier.

Ein erster Marsch durch die Stadt zur Orientierung und schon geht die Restaurantsuche los. Wir haben uns für heute eigentlich eine Pizza eingebildet und so haben wir ein junges Pärchen nach einer Pizzeria gefragt. Ihre Empfehlung hat leider in dem Moment geschlossen, als wir dort ankamen. Also retour zu einem anderen Restaurant, an dem wir vorbeigelaufen sind und die auch Pizza auf der Karte hatten. Vorhin war der Laden leer, nun ist er leider komplett besetzt. Anscheinend gehen hier alle Fischer und Arbeiter nach ihrem Tagwerk zum Essen. Also auf zum nächsten Laden genau gegenüber. Die Karte gab jetzt nicht wirklich viel her, was uns etwas gesagt hätte. Auf die Nachfrage bei der Kellnerin, um was es sich denn da handelt, kam dann die (wir denken) Chefin mit einem Handyvideo, um uns das Essen zu zeigen. Wir orderten dann diese „Tabla del Mar“ und waren begeistert. So ein leckeres Essen haben wir in diesem Restaurant nicht erwartet. Sah es doch mehr wie eine Bar aus. So endet ein wettertechnisch gesehen Super-Tag mit einem noch besseren Essen.

Am nächsten Tag hieß es dann „zuerst einmal Kaffee und Kuchen, dann Shopping“. Gesagt, getan. Wieder mit Fred an unseren Pier gefahren. Heute wurden hier gerade kistenweise Seeigel abgeladen. Ein Fischer hielt uns dann einen aufgeschnittenen Seeigel zum Probieren hin. Jochen hat als erstes probiert und fand es nicht schlimm, also habe ich ihn auch gekostet. Kein schlimmer Geschmack, etwas salzig-süß und schleimig – aber als (teure) Delikatesse würde ich ihn jetzt nicht bezeichnen. Vor allem wir haben ihn ja noch mit allem Inhalt vor die Nase gehalten bekommen, im Restaurant schaut das bestimmt etwas netter aus, wenn die Gedärme und so entfernt worden sind.

Kaffee und Kuchen waren wie immer lecker, Shopping auch erfolgreich und so war der Tag auch schon wieder um. Neuer Versuch mit Pizza. Restaurant Nr. 1 war heute geschlossen, Nr. 2 war komplett reserviert. Dann halt wieder woanders schauen. Wir haben dann ein Restaurant erwischt, die Pizza auf der Karte hatten und die war auch noch seehr lecker.

Dritter Tag im quirligen Quellon und wieder hieß es Landgang mit allem was dazugehört. Heute war wohl „Muscheltag“ am Pier. Säckeweise lagen hier die Muscheln aufgeschichtet. Alle schön sauber, sicherlich aus Muschelfarmen. Auch hier wurde uns gleich wieder der Löffel entgegengehalten von ein paar Fischern, die auf ihrem Boot einen frischen Muschelsalat gegessen hatten. Dieser war dann auch köstlich.

Wir haben es aber immer wieder geschafft, wenn wir in Fred saßen, doch irgendwie jedes Mal naß zu werden. Entweder fing es das regnen an oder es nieselte so vor sich hin. Gott, was haben wir diesen Regen satt! Angeblich sind April und Mai die regenreichen Monate. Na hoffentlich wird das im Juni besser!

Nach 3 Tagen hier ging es für uns weiter in eine geschützte Bucht, da wieder einmal ein „Wetterchen“ kommen sollte. So sind wir am Mittwoch aufgebrochen in die Estero Pailad, die laut blauer Bibel geschützt und „der schönste“ Ankerplatz auf Chiloe sein soll. Nun ja. Ich will nicht sagen, daß es hier häßlich wäre. Der Ankerplatz war nett, aber von einem Schutz vor starkem Nordwind möchte ich nicht sprechen. Auch die schönen Wanderungen, die man hier machen können soll, stimmen so wohl nicht mehr ganz. Man kann laufen – ja. Aber nur der Schotterpiste entlang von endlosen Stacheldrahtzäunen. Ich denke, daß es hier in den letzten Jahren einige Veränderungen seit den Besuchen der Blaue-Bibel-Schreiber gegeben hat.

So haben wir dann am nächsten Nachmittag vom Ankerplatz vor der Kirche verlegt an einen Ankerplatz in einer kleinen Bucht, gleich um die Ecke. Hier liegen wir nun hinter einer Fisch- oder Muschelfarm vor Anker und haben zusätzlich noch Landleinen gelegt, da Winde von bis zu 9 bft angekündigt sind. Da wir nicht wissen, ob uns hier der Schwojkreis ausreichend Platz gibt, haben wir die Landleinen lieber vorsichtshalber noch ausgebracht, nachdem wir unser Boot mit Bug gen Norden ausgerichtet haben. Soll der Wind doch kommen.

Heute ist der Tag, an dem der Wind kommen soll. Bisher ist hier noch nichts zu merken, außer daß es den ganzen Tag hindurch nur geregnet hat. Also unter Deck verkriechen, Jochen hängt im Motorraum, ich habe als Trost Kuchen gebacken und schreibe diese Zeilen. Warten wir ab, was die Nacht noch bringen wird….

Der Abend und die Nacht hatten Wind in sich, aber es war nicht so, daß wir davon viel bemerkt hätten. Wir haben ab und an eine Böe gehört und etwas im Boot gespürt, aber von den hohen Windstärken war an unserem Ankerplatz wenig zu spüren, eine gute Wahl. So sind wir am nächsten Morgen zeitig aufgebrochen bis zu unserem nächsten Plätzchen, dem Estero Pindo. Einer Bucht auf der Isla Quehui vor einer Siedlung namens Los Angeles 😊 Die Überfahrt war sonnig, teils wolkig, für uns aber weitgehendst trocken. Erst wieder pünktlich zum ankern fing es an zu regnen. Wie immer! So daß ich doch noch nass werde, wenn ich am Bug den Anker herablasse. Aber das hat bald wieder nachgelassen, und so sind wir am Nachmittag übergesetzt an Land. Prompt kam natürlich wieder ein Schauer über uns, so daß wir uns kurz am Fähranleger untergestellt haben. Dort wurden wir dann gleich von einem Minimercado-Besitzer abgefangen, der uns in seinen kleinen Markt „zum Schauen“ bugsiert hat und erklärt hat, daß uns seine Schwester ein Abendessen kochen könne.

So haben wir uns noch etwas die Beine vertreten und sind gegen 18.30 Uhr in der kleinen Hospedaje (Unterkunft) angekommen, wo wir ein leckeres Essen erhalten haben. Los Angeles ist ein kleines Fischerörtchen, wo man auch schön laufen gehen kann (zumindest den aushängenden Schildern nach).

Doch wir sind am nächsten Morgen weitergezogen in das Örtchen Dalcahue, wieder auf der Hauptinsel Chiloe. Auch dieser Ort ist ein Fischerort, aber gleichzeitig wohl auch ein Touristenort. Wir haben an einer freien Boje festgemacht, da das freie Ankern zwischen den vielen Fischerbooten doch kaum Platz zulässt. Bei unserem ersten Landgang sind wir zunächst über den sonntäglichen Kunsthandwerk-Markt geschlendert, der direkt an der Pier liegt. Hier werden viele Wollprodukte wie Socken, Handschuhe, Pullover, Ponchos, Teppiche etc. verkauft und allerlei Krimskrams. Auch gibt es hier etliche Unterkünfte, Restaurants und Cafes. Wie immer wurde ein solches natürlich von uns aufgesucht und für gut befunden. Hier gibt es viele sehr schöne Häuser, die auch teilweise entsprechend gut gepflegt sind. Holzhäuser mit Schindelverkleidung in allen Farben und Formen und verzierten Ortgängen und Giebeln. Man merkt halt sofort, wo Tourismus herrscht. Alles in allem ein nettes Örtchen; so haben wir beschlossen, daß wir hier eine weitere Nacht verbringen werden, bevor wir wieder weiterziehen. Laut Wettervorhersage soll es jetzt mal einige Tage trocken bleiben – mal schauen…

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Plötzlich wieder Schiffsverkehr

Wir haben die Caleta Millabu verlassen und wollen nun langsam weiter durch die Kanäle tingeln. Die nächsten beiden Etappen sind nicht so lang, also lassen wir uns Zeit mit dem Anker aufgehen.

Unser nächstes Ziel heißt Caleta Mariuccia auf der kleinen Insel Prieto im ebenso kleinen Kanal Abandonados. Dieser kleine Kanal wurde wohl noch nie richtig vermessen, man sollte daher also wirklich bei Sicht hier durchfahren. Aber er war wirklich schön. Viele kleine Inselchen und Felsen, die aus dem Wasser schauen, Seevögel und Seelöwen, die neugierig beäugen, wer hier durchkommt und auch wieder einige Wasserwirbel und Strömungen, wo sich das Wasser zwischen den Inseln durchzwängt.

Die Caleta war auch wieder sehr nett und wir haben auch hier versucht, ein paar Meter zu laufen. Aber leider war der Bewuchs am Strand wieder so dicht, daß kein Durchkommen war und wir daher nur ein paar Meter am Strand hin- und herlaufen konnten. Daher am nächsten Tag dann gleich wieder Anker auf, neuer Versuch 11 Seemeilen weiter in der Caleta Estero Los Dos Galanos im ebenfalls kleinem und unvermessenem Kanal Alejandro.  Auch die Anfahrt hierher war superschön durch viele Inselchen hindurch.  Hier wieder das übliche Spiel: kein Durchkommen durch den dichten Bewuchs. Also wieder nur mal Dinghirunden gedreht. Dasselbe Spiel in der nächsten Caleta Jacqueline, die wir nach nur 13 sm ansteuern. Alle Caletas hier sind wunderschön und dicht bewachsen, aber halt leider nur zum anschauen und nicht zu erlaufen. Daher halten wir uns hier nicht länger auf, denn nur auf dem Boot sitzen und rausschauen können wir überall.

Seit wir den Golfo de Penas gequert und zurück in die Kanäle eingebogen sind, ist wieder Schiffsverkehr; vorher war das schon ein Highlight, ein anderes Boot zu sehen. Hier plötzlich ist wieder einiges los. Wir sehen Frachter und Versorgungsschiffe, viele Fischer und noch mehr Lachsfarmen. Der Lachs ist hier eigentlich gar nicht heimisch, sondern wurde „eingeführt“, da dies dem ursprünglichen Lebensraum nahekommt mit Süß- und Salzwassergemisch und Temperatur. Leider nimmt das doch extrem Überhand hier, der einheimische Fisch wird hauptsächlich für Fischmehlverarbeitung gefangen, um damit die Lachse zu füttern. Von den Antibiotika etc. zu schweigen, die in das Wasser gekippt werden. Chile ist der zweitgrößte Lachsproduzent nach Norwegen!!! Jetzt verstehen wir auch, warum wir im Kanal Beagle immer die Schilder „No Salmoneras“, also „keine Lachsfarmen“ gelesen haben. Dort ist so etwas noch nicht zu finden.

Unser nächstes „große“ Ziel heißt Chacabuco, ein kleiner Fischerort mit einer guten Verbindung nach Aysèn, wo es einen großen Supermarkt gibt. Dort wollen wir unsere Vorräte etwas auffüllen und wieder Zivilisationsleben spüren.

Hierfür müssen wir jetzt mal längere Schläge fahren, bis sich die nächste Ankermöglichkeit auftut. Daher fahren wir morgens zeitig los, um den Tag zu nutzen, der lt. Wettervorhersage trocken bleiben soll. Und wirklich, es war ein toller sonniger Tag, bei dem wir in unserer Kuchenbude richtig warm gesessen waren, da sich diese mit Sonne schön aufheizt. Und weil das Wetter so gut mitgespielt hat, haben wir unser auserkorenes Ziel rechts liegen lassen und sind gleich nochmals 10 Seemeilen weiter bis zur nächsten Caleta gefahren. Denn: morgen soll Regenwetter kommen und da ist es doch schöner, wenn wir da keine so lange Strecke haben.

So sind wir am Nachmittag in die Caleta Gato eingebogen, einer wirklich netten Caleta. Ein kleiner länglicher Fjord, an deren Eingang eine kleine alte Lachsfarm liegt, einem Fischerhäuschen am Ufer und eine große Boje, an der die Fischer festmachen, um in dieser Caleta zu übernachten. Wir sind bis ganz ans Ende gefahren und haben dort unsere Anker geworfen. Ein wunderschöner, gut geschützter Platz für diese Nacht. Natürlich springen wir nochmals in unseren Fred, das Fischerhäuschen muß ja besichtigt werden. Keine Ahnung, ob dieses noch benutzt wird, es sah jedenfalls unbewohnt, aber nicht total verlassen aus. Auch ein „Steg“ aus aufgeschütteten Steinen hat es uns erlaubt, trockenen Fußes an Land zu kommen. Nachdem wir wieder auf unserem Booten waren, ist auch schon der erste Fischer für die Nacht hereingefahren und hat an der Boje festgemacht. Diese fahren aber auch immer früh morgens wieder weg, so daß wir sie beim Aufstehen schon nicht mehr gesehen haben.

So sind wir auch wieder zeitig aufgestanden, die restliche Etappe nach Chacabucco steht an und am Morgen soll es noch halbwegs trocken sein. Es war keine gemütliche Fahrt: Nebel und Regen verschlechtern die Sicht und für die bisherigen Verhältnisse „viel Verkehr“. Die Anfahrt in die gut geschützte Ankerbucht Ensenada Baja, die nahe an dem kleinen Ort liegt, ist sehr spannend. Die gesamte Bucht hat nur eine Maximaltiefe von etwa 5 Metern bei Niedrigwasser und die Einfahrt ist noch niedriger. In unserer Bibel sind die genauen GPS-Punkte vermerkt (5 Stück), damit man den besten Weg findet. Wir sind dann im Schneckentempo eingelaufen und haben es dennoch geschafft, uns zweimal festzufahren. Hier ist der Grund zum Glück Schlamm, was wir wußten, so daß da nix passiert. Jochen hat uns mit Rückwärtsfahrt wieder rausbugsiert und dann waren wir wieder im „sicheren Tiefwasser“.  Der Anker hält wegen des Schlammgrundes sehr gut, er saugt sich regelrecht in den Matsch ein und so kann kommen was will – der Anker hält. (Dafür stinkt es gewaltig, als wir den Anker hochholen…)

Chacabucco selbst gibt nicht viel her, vor allem da wir außerhalb der Tourisaison da sind. Daher ist das örtliche Cafe schon geschlossen und Restaurants oder Versorgungsmöglichkeiten sind sehr sparsam. Daher beschließen wir, als wir unsere erste Ortsbesichtigung machen, „fahren wir gleich nach Aysen“. Dorthin fährt ungefähr alle 20 Minuten ein Collectivo, ein kleiner 10-Mann-Bus. Für umgerechnet etwa 1 € kann man mitfahren. Der Bus hält direkt vor dem Supermarkt, das ist sowas wie der Shoppingbus der Einheimischen.

Und Aysen ist halt schon wieder eine Stadt. Mit viel Straßenverkehr (Gott, wie lang haben wir keine mehrspurige Straße mehr überquert!), Ampeln, Supermarkt, vielen Restaurants und Shops. Wir haben dann gleich mal ein Cafe angesteuert: juhu, Kaffee und Torte und uns einen Überblick verschafft, was es wo denn so gibt. So sind die Vorräte an Motorenöl wieder günstig aufgefüllt, jeder von uns hat ein paar neue, hoffentlich wasserdichte Gummistiefel und wir haben uns wieder einmal im Restaurant verwöhnen lassen. Lediglich die Suche nach einer neuen Regenhose für Jochen war leider vergeblich. Vor allem haben die Südamerikaner ein Problem mit den Größen der Europäer, sei es Schuhe oder Hosen 😊 Als wir im ersten Baumarkt nach Gummistiefeln Ausschau halten, stehen dort in der Auslage Schuhe in Größe 38. Das ist wohl die durchschnittliche Männergröße hier. Jedes Mal, wenn wir mit Größe 47 ums Eck kommen, werden wir nur groß angeschaut und kopfschüttelnd angelächelt.

Wir haben hier ein mexikanisches Restaurant gefunden. Gott, war das schön, mal wieder eine andere Geschmacksrichtung zu erleben und nicht das typische „Viel Fleisch, sonst nix“. Am Tag vorher hatten wir in einem „irischen“ Restaurant die Grillplatte für 3 Personen bestellt. Als Beilage zu dem Berg Fleisch gab es ganze 3 Kartoffeln, für jeden eine. Das restliche Fleisch haben wir uns einpacken lassen und haben davon nochmals zu Dritt Brotzeit gemacht. Noch Fragen?

Nach 3 Tagen haben wir aber Chacabucco verlassen, um weiter vorwärts zu kommen. 2 Tage Cityleben langt ja auch wieder eine Zeit lang. Unser nächstes Highlight stand dann als Zwischenstop an: eine heiße Quelle. Die Therme in der Ensenada Perez. Diese heiße Quelle ist quasi touristisch erschlossen, da ein Hotelier aus Chacabucco seine Gäste mit einem Katamaran mehrmals in der Woche hierherfährt. Der Besuch ist kostenlos, man solle aber fragen, ob es in Ordnung ist. Das würde wohl immer erlaubt werden. Bei unserer Ankunft ist kein Katamaran da, also legen wir an der großen Boje an und ich rudere mal rüber zu dem „Wärterhaus“ um nachzufragen, ob wir reindürfen. Die Männer haben anscheinend gerade ihren Mittagsschlaf gehalten und ich habe sie geweckt, aber kein Problem. Wir dürfen rein und er checkt noch mal schnell die Wassertemperatur. Also geschwind aufs Boot, in den Bikini reinhüpfen und wieder rüberfahren. Was soll ich sagen???? Soooo schön. 41 Grad Wassertemperatur, außenrum Nieselregen und Natur pur und wir sitzen im Becken und weichen uns mal wieder so richtig schön auf. Wie lange ist das schon her? Der gute Wärter hier hat wirklich auf die Schilder an den Becken noch das Datum und die Wassertemperatur aufgeschrieben – nur für uns 3, das wäre doch nicht nötig gewesen!!!

Nach einer Stunde aufweichen haben wir uns wieder auf die Socken gemacht und sind zur Caleta Santiago für die Nacht gefahren. Hier wirklich nur noch Anker werfen, Abendessen und sich im Inneren verkriechen, das Wetter war schon sehr ungemütlich geworden, seit wir in der Therme waren. Wie vereinbart lichten wir am nächsten Morgen um 10 Uhr den Anker und machen uns auf den Weg nach Puerto Aguirre. Hier werden wir das erste Mal seit Ushuaia wieder in einer „richtigen“ Marina festmachen, der Marina Austral. Eine klitzekleine Marina, wo es wieder Duschen und Waschmaschine gibt.

Und wir werden auch schon erwartet. Jaime, der Manager erwartet uns schon am Steg und nimmt unsere Leinen entgegen. Auch Martin von der Aracanga steht schon mit seiner Tochter parat. Mit ihm hatten wir schon Kontakt aufgenommen und uns auf ein Kennenlernen gefreut. Er hängt hier fest, weil auch er Motorenprobleme hat und auch wir schließen uns ihm an und schicken wieder einmal unsere Injektoren in eine Werkstatt, weil es wieder Problemchen gibt. Und da seine am Montag in die Werkstatt kommen, dürfen unsere auch gleich mit in das Paket. So sind wir auch definitiv eine Woche hier und können mal wieder laufen, gammeln, putzen usw.

Da das Wetter so toll ist, fragen wir gleich mal bei Jaime nach, ob er denn einen Grill hätte für ein Asado. Auch er hatte die Idee, daß heute gegrillt wird und so haben wir gleich an unserem ersten Abend in der Marina mit „allen“ Gästen ein Barbecue. Gut, so viele Gäste sind das nicht 😊 Das sind wir 3 und Martin mit seinem drei Mädels (Frau und 2 Töchter) sowie Jaime, dem Manager und seinem Cousin Enzio, dem die Marina gehört und der gerade zu Besuch ist. Es war ein schöner, spontaner Abend mit netten Menschen.

Die Zeit, die wir hier verbringen vergeht wie im Fluge. Wir sitzen jeden Tag mit den beiden anderen Booten zu Kaffeezeit zusammen und gönnen uns einen gekauften oder selbstgebackenen Kuchen, „erlaufen“ uns etwas die Gegend und bringen die müden Seglerbeine wieder ein bisschen in Schwung. Es gibt eine Aussichtsplattform hoch über dem Städtchen mit einem tollen Rundumblick über die Inselwelt und rüber auf den schneebedeckten Vulkan und die anderen Gipfel. Desweiteren gibt es hier auch die Möglichkeit einiger kleiner, sogar angelegter! Pfade zu laufen und einen Spielplatz. An einem Tag sind wir bis zur Caleta Andrada hinübergelaufen, quasi der „Nachbarort“. Ebenso haben wir natürlich noch die Friedhofsinsel besucht, die im Gegensatz zu Puerto Eden auch noch wirklich genutzt wird. Hier haben wir festgestellt, daß die kleinen Häuschen, die zur Erinnerung an die Verstorbenen erbaut werden, teilweise besser sind als die Häuser, in denen die Menschen hier leben. Auch haben wir viele Totentafeln von sehr jung verstorbenen Menschen, auch vielen Kindern lesen müssen. Es ist halt doch etwas anderes, wenn man so isoliert und abseits lebt.

Hier nun unsere gesammelten Impressionen aus Puerto Aguirre:

Wir haben wieder gutes Wetter und machen daher nochmals ein Asado mit unseren Nachbarbooten. Zufälligerweise ist auch gerade der 30. April und wir sehen bei vielen Deutschen in den Statusbildern das Stellen ihres Maibaumes, so daß auch wir uns entschließen „wir machen unseren eigenen Maibaum“. Zusammen mit den beiden Mädels Kira und Naia binden wir bunte Bänder in eine Topfpflanze, so schnell war leider kein Baumstamm aufzutreiben.

Unsere Injektoren sind wir versprochen wieder mit der Freitagabendfähre angekommen und Jochen baut sie gleich ein, so daß wir dann am Samstag Puerto Aguirre verlassen können. Leider ist jedoch unser Problem damit nicht gelöst und der Motor bedarf dann in Puerto Montt nochmals einer intensiveren Pflege. Dort ist das „Segelmekka“ von Chile, d.h. daß wir dort entsprechende Handwerker und auch Ersatzteile erhalten sollten. Schauen wir mal…..

Am Samstagvormittag machen wir alles klar, besuchen nochmals die Armadastation, um uns abzumelden und dann heißt es auch schon wieder Abschied von liebgewonnenen Menschen nehmen. Martin, Riki, Kira, Naia von der Aracanga helfen uns zusammen mit Jaime, alle Leinen loszuwerfen und ein letzter Gruß vom Skipper ertönt aus unserer Tröte.

Martin mit Kira, hinten Ulf, Riki mit Naia – großer Abschied – Rechts das Familienboot Aracanga
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Immer weiter Richtung Nord

Puerto Eden! Was kann ich Euch über diesen ersten „Schritt“ Richtung Zivilisation nach über 8 Wochen in den Kanälen berichten? Die Fotos konntet ihr ja schon in letztem Bericht ansehen.

Was man hier so Zivilisation nennt: Puerto Eden ist die wohl abgelegenste (und auch regenreichste) Siedlung Chiles, ja sogar der Welt, nur über das Wasser zu erreichen und war ursprünglich einmal ein reiner Armada-Stützpunkt für die Betankung der Schiffe in relativ geschütztem und ruhigem Gewässer. Daraus gewachsen ist ein Fischerörtchen, das aktuell lt. der Auskunft eines Einwohners wohl rund 100 Einwohner hat. Es gibt einige „Lädchen“, wo man das Nötigste bekommt. Dies sind einfache kleine Räume mit ein paar Regalen darin und darin stehen dann ein paar Grundnahrungsmittel wie Zucker, Reis und auch was Süßes. Eine große Auswahl ist nicht vorhanden. Man kann jedoch vorab bei einer Besitzerin seine Bestellung aufgeben und diese ordert dann alles bei ihrem Händler und die Lieferung kommt dann mit der wöchentlichen Fähre an. Wir haben dies auch getan und unsere Ware erhalten (gut – nicht alles) und das natürlich zu einem entsprechend hohen Preis. Aber das war uns im Voraus klar, daß wir für diesen abgelegenen Ort einen Aufpreis zu zahlen haben. Es muß ja wirklich alles per Fähre hierher gekarrt werden. Die Böden und das Klima geben wohl keine landwirtschaftliche oder gärtnerische Nutzung her. Wir haben zwar ein paar Mini-Gewächshäuser gesehen, aber ich glaube nicht, daß hier viel wächst außer die unverwüstlichen Himbeeren.

Es gibt auch keine Autos hier. Der gesamte Ort ist durch Holzstege miteinander verbunden. Die Einwohner sind aber sehr freundlich und hilfsbereit und ein jeder versucht auch, sich von den vorbeikommenden Yachten ein Zubrot zu verdienen. So haben wir bei Julia unsere Wäsche waschen lassen, für Ulf hat sie Brot gebacken. Unsere Lebensmittelhändlerin Isabell hat für uns auch zwei Mal gekocht, da es hier ja auch kein Restaurant gibt. Im Vorfeld hatten wir auch unseren Diesel bei Aliro bestellt, der sich diesen wiederum auch wieder per Fähre liefern lässt. Er hat dann mit seinem Boot die großen Fässer á 220 Liter direkt zu uns ans Boot gefahren und den Diesel in unseren Tank gepumpt. Das klappt alles wunderbar, wenn man eben weiß, an wen man sich wenden muß.

Wir fanden es ganz nett in Puerto Eden, wir hatten aber auch wirklich Glück hier mit dem Wetter. Während unseres Aufenthaltes dort hatten wir gutes Wetter mit Sonne, blauem Himmel und angenehmen Temperaturen.  Aliro hat uns dann auch nochmals zu sich nach Hause zum Kaffeetrinken eingeladen und wir haben Greg wiedergetroffen, der unser Ankernachbar in Puerto Williams war und uns dort den Handwerker für unser Motorenproblem vermittelt hatte. Er besitzt hier in Puerto Eden ein Häuschen und hatte schon in Puerto Williams angekündigt, daß er Ende März wieder in Eden sein wird. Zufällig haben wir ihn dann ankommen gesehen und sind mal Hallo-sagen gegangen.

Aliro hat uns dann noch auf den alten Friedhof aufmerksam gemacht, diesen sollten wir uns doch ansehen. Dieser Friedhof ist auf einer kleinen Insel und die Ureinwohner, die Kawekasan haben dort schon ihre Toten begraben. Das haben wir natürlich getan. Leider ist der Anlegepier dort schon sehr verfallen und auch der ganze Friedhof ist überwuchert und dem Verfall überlassen. Schade eigentlich. Ob dort noch aktuell die Verstorbenen beigesetzt werden, konnten wir nicht mehr in Erfahrung bringen, da wir am nächsten Morgen abgereist sind und niemanden mehr getroffen haben.

Von Eden aus ging es weiter zum Kanal Messier. Hier galt es wieder eine Engstelle zu passieren, die Angostura Inglesa, bei der auch wieder ordentliche Gezeitenströme vorherrschen. Diesmal wollten wir uns besser vorbereiten als im Kanal Barbara und haben hierzu die einheimischen Fischer befragt, Zwei gefragt und zwei verschiedene Uhrzeiten gehört. Wir haben dann eine Internetseite erhalten, auf der man die aktuellen Tiden Chiles einsehen kann. Natürlich passen diese Angaben so gar nicht zu unseren Daten aus dem Plotter… Aber wir waren uns dann irgendwann einig, wann wir an der Engstelle sein wollen, um zum Stillstand oder danach durchzufahren. Wir wollten um 11 Uhr dort sein und wussten, wir würden bis dorthin ca. 2 Stunden benötigen. Also fahren wir um 9.30 Uhr los. Doch dann ging die Verwirrung erst mal los. Als Jochen aufsteht, weil sein Wecker um 7.45 Uhr geklingelt hat, schaue ich auf meine Uhr und stelle fest, ich habe erst 6.45 Uhr und dunkel ist es doch auch noch. Abgleich mit unserer Borduhr, die wir auf UTC-Zeit stehen haben. Da hat sich doch meine Uhr einfach eine Stunde zurückgestellt. Also doch aufstehen und fertigmachen. Komisch, bei Ulf regt sich gar nichts, als wir unser Boot vorbereiten. Eigentlich ist er doch immer früher dran als wir. Wir haben gerufen und mit der Tröte getrötet – nichts. Also Anker auf und mal vorbeigefahren. Er schaut ganz verwirrt raus – auch seine Uhr hatte sich zurückgestellt und er dachte, er hätte noch Zeit. Wie sich später herausstellte, werden in Chile nur nördlich ab Santiago die Uhren auf Winterzeit zurückgedreht; nicht jedoch im Rest des Landes, wo wir uns gerade befinden. Aber unsere Uhren sind nach dem Längengrad gegangen und haben sich entsprechend einfach umgestellt. Again what learned!

Und diesmal war unser Timing perfekt. Wir konnten ohne Probleme die Engstelle meistern. Das einzige: gleichzeitig mit uns kam ein großer Frachter an, der natürlich das betonnte Fahrwasser komplett benötigt, um durch die engen Stellen und Kurven zu kommen. Er hat uns angefunkt und uns das mitgeteilt und wir sollten schön brav ganz nah am Rand des Fahrwassers bleiben. Wir haben uns dann sogar an einer großzügigeren Ecke aus dem Fahrwasser getraut und haben dort Kreise gezogen und ihn an uns vorbeifahren lassen und dann die Verfolgung aufgenommen. Tja – wir haben verloren, er war schneller 😊. Aber es ist schon unglaublich, da bist du seit über 11tausend Seemeilen unterwegs und an der engsten Stelle auf dem ganzen Weg kommt ein großer Frachter vorbei, unglaublich.

An diesem Abend haben wir schließlich die Caleta Yvonne aufgesucht, da wir von dort aus am nächsten Tag einen Abstecher zum Seno Iceberg machen wollten. Dies soll unser letzter Gezeiten-Gletscher in Richtung Norden sein. Dieser Besuch bedeutet insgesamt 30 Seemeilen hin und zurück, also gut an einem Tag zu schaffen. Da es dort keine geschützte Ankergelegenheit gibt und wir nicht wissen, wie sich das Wetter entwickelt, wollen wir definitiv wieder zurückfahren in die Caleta Yvonne.

Und der Abstecher war es wert. Der Gletscher war jetzt nicht so gigantisch wie die letzten, aber dennoch unglaublich eindrucksvoll mit einem schönen Wasserfall und Gletscherhöhlen an der Wasserkante. Laut der blauen Bibel gibt es dort eine CONAF-Rangerstation, die Besucher gerne willkommen heißt. Man könne direkt dort ankern und diese via Funk erreichen. Das wollen wir auf alle Fälle tun und versuchen unser Glück über Funk – keine Antwort. Also einfach mal ankern und anlanden. Aha – die Station ist noch vorhanden, aber nicht mehr aktiv, sondern wieder einmal dem Verfall überlassen. Dennoch haben wir uns alles genau angesehen. Vor der Tür standen noch die Wanderstiefel, wie wenn der Träger nur mal kurz ins Haus wäre. In der Speisekammer lagern noch etliche Tüten Nudeln, Reis, Linsen, Dosen und, und, und. Ein wunderschöner Tag. Beim Abfahren am Morgen sind wir noch in dichtem Nebel mit Nieselregen gefahren und dachte schon, daß wir mal so gar nichts sehen werden. Aber im Fjord hat es dann aufgerissen und wir hatten Sonnenschein. Bei der Rückfahrt dasselbe Spiel wieder. Bei der Ausfahrt aus dem Fjord Nebel, Regen und eine gemeine Hackwelle, gegen die wir angekämpft haben. Aber wir sind glücklich und zufrieden wieder in unserer Caleta angekommen und vor Anker gegangen.

Nächster größerer Stopp sollte dann Tortel sein, der nächste Ort. Hierfür haben wir zunächst die Caleta Hale und die Caleta Noel jeweils für eine Nacht besucht. Wir versuchen immer, nicht zu spät anzukommen, um vielleicht noch ein paar Schritte laufen zu können. Leider ist es hier nicht mehr so einfach, da die Ufer so dicht zugewachsen sind, daß kein Durchkommen ist. Also waren diese beiden Caletas wieder reine Schlafplätze. Aber dann kam ja Tortel!

Eine Steigerung auf eine Einwohnerzahl von ca. 600 Menschen und einem Ort, der touristisch erschlossen ist. Dieser Ort ist genauso komplett mit Holzstegen (lt. Bibel 7 km) verbunden und zieht sich ordentlich entlang der großen Bucht. Auf der Nordseite des Ortes endet dann schließlich eine Straße, und auch einen kleinen Flughafen gibt es wohl hier.

Und uns gefiel Tortel außerordentlich gut. Hier gibt es etliche Häuser, die richtig schön hergerichtet sind und wir hatten seit langem wieder einmal Kaffee + Torte! Bei der Ankunft haben wir uns über Funk bei der Armada angemeldet, dieser blieb aber dann still, als wir darum baten, doch bitte Englisch zu sprechen, da wir überhaupt nicht verstanden haben, was sie von uns wollten. Später bekamen wir dann Besuch von einem jungen Mann mit dem Schlauchboot, der dann erklärte, daß wir zum Hafenkapitän müssten, da wir ab hier eine neue Zarpe benötigen würden. Wir haben dann am folgenden Tag einen Termin ausgemacht und haben sie besucht. Nach einer Stunde rumstehen hatten wir die neue Zarpe in den Händen. Komisch – unsere Visa wurden überhaupt nicht geprüft.

Ulf hatte im Vorfeld schon beschlossen „wenn es Restaurants gibt, wird nichts gekocht“. Guter Plan, wir haben uns auch daran gehalten. Und wir haben in dem Restaurant Calafate wirklich wieder einmal richtig gut schlemmen können. Zunächst am Nachmittag eben Kaffee + Kuchen und am Abend dann ein Menü bestehend aus Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise. Geschmacklich so viel besser, als alles, was wir bisher in Chile (aber auch vom restlichen Südamerika) bekommen haben. Gut – für die Männer hätte die Portion größer sein können, aber wir sind froh, daß wir endlich wieder einmal richtig gutes Essen bekommen haben – jenseits von Milanesa oder Burgern.

Wir wollten eigentlich in Tortel noch einige Tage länger bleiben – doch wie immer: das Wetter diktiert das Tempo. Als nächstes müssen wir den Golfo de Penas queren. Das heißt raus aus den geschützten Kanälen, auf den offenen Pazifik und 160 Seemeilen weiter nördlich wieder in die Kanäle einbiegen. Der Golfo de Penas ist berühmt-berüchtigt unter den Segler, aber auch unter allen anderen Schiffen. Was die Biskaya in Europa ist, ist es der Golfo de Penas für Südamerika, nur noch viel schlimmer, schließlich sind wir noch in den berüchtigten 40er Breitengraden. Selbst die Großschifffahrt meidet die Überfahrt bei schlechtem Wetter, die fahren normalerweise immer. Hier kommen die Tiefdruckgebiete aus dem Pazifik schön angerollt mit entsprechenden Winden und Welle. Und diese kann einem ganz schön gefährlich werden. Hier muß man bei der Navigation vor allem die Welle im Auge haben, der Wind ist da noch nicht einmal sooo das große Problem. Für die insgesamt 160 Seemeilen über den Golfo bis in die erste gut geschützte Caleta benötigen wir etwa 1,5 Tage, also inclusive Nachtfahrt. Wir wollten unbedingt bei Tageslicht ankommen und am Montagabend kommt wieder etwas angerollt. Da sollten wir also im Ziel sein. In den nächsten 10 Tagen ist kein Wetterfenster abzusehen bzw. die Vorhersagen haben uns eine Wellenhöhe von 6 Metern und mehr angezeigt, die sich da so aufbauen wird. So mußten wir Tortel leider schon wieder am Samstag, unserem 3. Tag dort verlassen, um uns in der Caleta Puerto Francisco auf Startposition zu legen. Am Sonntagmorgen sind wir dann mit dem ersten Büchsenlicht aufgebrochen, um den Golfo zu queren.

Und unser Timing war eigentlich gut, da muß ich uns mal loben. Die Welle war erträglich, der Wind einigermaßen, so daß wir doch auch segeln konnten. So haben wir die spannenden 60 Seemeilen über den Golfo gut bei Tageslicht passieren können, ab dann ging es in die Nacht immer die Küste entlang. Immer mit ausreichend Abstand von ein paar Seemeilen, so daß wir nicht in die Verlegenheit kommen, durch aufkommende Winde oder Welle auf die Küste gedrückt zu werden. In der Nacht konnten wir uns auch gut an den Leuchtfeuern oder den Fischern orientieren, die in dieselbe Richtung fuhren. „immer den zwei Lichtern hinterher!“ Alles ganz gut. Ungewohnter Weise mußten wir auf dieser Tour einmal wieder alles von Hand steuern, da wir unsere Windfahnensteuerung in Puerto Williams abgebaut hatten. In den Kanälen bringt die uns sowieso nichts und so können wir unseren Fred schön an unserem Heck, an den Davits, aufhängen, um ihn schnell ins Wasser zu lassen. Den Autopiloten wollen wir auch schonen, da dieser etwas Mucken macht und wir diesen etwas schonen wollen. Das war wieder mal sehr ungewohnt, mehrere Stunden im Dunkeln am Ruder zu sitzen und alles von Hand auszusteuern. Ich hatte dann am frühen Morgen einen Abschnitt zu bewältigen, in dem ordentliche Strömungen waren und noch dazu aus wechselnden Richtungen. Ständig wurde das Boot in eine andere Richtung gedrückt, so daß ich hart arbeiten mußte, obwohl eigentlich gar kein Winddruck vorhanden war. Irgendwann habe ich dann Jochen geweckt und um Ablösung gebeten.

Und wir hatten wieder einmal Angelerfolg! Kaum in den Golfo ausgefahren, hatten wir unseren ersten Biss. Jochen hat dann einen ordentlichen Fisch aus dem Wasser geholt, der uns sage und schreibe 10 dicke Steaks eingebracht hat. Kurze Zeit später hatte er dann den 2. Fisch am Haken, aus dem er 2 schöne Filets geschnitten hat. Ich habe ihm dann Angelverbot erteilt.

Am Vormittag konnten wir dann quasi „ums Eck“ wieder in Richtung Kanäle einbiegen. Nur noch 25 sm bis zu unserem Ankerplatz! Aber das letzte Stück fühlt sich immer so ewig an. Um 16 Uhr hieß es dann aber Anker ab in der Caleta Millabu. Dort lag bereits ein Schiff vor Anker, ein junges französisches Pärchen, die uns am Abend auf dem Boot besucht haben. Gerade als ich den Fisch in der Pfanne hatte – also, die 2 gleich noch mit verköstigt, wir haben ja eh genug Fisch.

Wir haben am Nachmittag nach der Ankunft auch einen ersten Landgang unternommen, diese Bucht ist unwahrscheinlich flach zum Ufer hin mit richtigem Sandstrand und einem großen Wasserfall. Das müssen wir uns natürlich anschauen. Das Anlanden war etwas schwierig, weil es eben so flach war und wir mit unserem Fred doch einen gewissen Tiefgang haben, da es ein Alurumpf hat. Wir haben den Zugang zum Wasserfall gesucht und sind einmal komplett den Strand auf- und abgelaufen. So schöön! Das können wir dann am nächsten Tag genauer anschauen, heute geht es erst mal früh ins Bett und morgen eben richtig ausschlafen – fehlt ja wieder etwas Schlaf.

Am nächsten Morgen, ich muß eigentlich Mittag sagen, so lange haben wir geschlafen, haben wir dann Ulf eingesammelt und sind Richtung Ufer gefahren. Ui, jetzt ist Hochwasser und alles schaut so ganz anders aus als gestern. Am Zugang zum Wasserfall war gestern noch ein kleiner Wasserlauf, den wir entlanggelaufen sind. Dies ist jetzt quasi alles unter Wasser und wir fahren direkt mit dem Schlauchboot bis zum Eingang in den dichten Wald. Und was war das wieder für ein Märchenwald. Dicht bewachsen, mit knorrigen Bäumen, die voll mit Moosen und Flechten überwuchert sind. Über Baumstämme drüber, untendurch und etliche Male wieder umdrehen, weil es nicht mehr weiter geht und wir irgendwo falsch abgebogen sind. Und leider bekamen wir auch wieder Regen ab.

Irgendwann ging es dann nach dem ersten Wasserfall nicht mehr weiter und wir sind umgedreht. Ulf hat dann festgestellt, daß dies unsere „dreckigste“ Wanderung ist – mit Feuchtigkeit und Matsch. Zumindest seine Hose sah auch so aus 😊. Da das Wetter auch wieder ungemütlich wurde, haben wir es uns im Boot gemütlich gemacht und uns am Abend weitere Fischsteaks gebraten.

Am Abend dann ein kurzer Schreckmoment. Als wir gemütlich einen Film schauen, rumpelt es um 23 Uhr. Was war das? Gleich noch einmal. Schnell aufspringen und rausschauen. Oh Gott, Ulf hängt mit seinem Boot auf unserem. Aber bei ihm ist es dunkel. Also schnell gerufen, und es kam eine Antwort. Er hat es auch gemerkt, hatte aber schon geschlafen. Irgendwie hat sich sein Anker gelöst und er ist abgedriftet. Es ist zum Glück nichts passiert und hinterher können wir nur sagen, Gott sei Dank ist er auf unser Boot gedriftet, sonst hätte er es gar nicht gemerkt und wäre in den Fjord getrieben worden und dann irgendwann/ irgendwo blöd eingeschlagen. So hat er nochmals mitten in der Nacht seinen Anker wieder neu gesetzt und diesmal hielt er.

Also nichts passiert und am nächsten Morgen hieß es dann wieder „Anker auf!“

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Auf geht´s zur Mutter

Im Moment sind wir ja etwas zwiespältig unterwegs, auf der einen Seite gibt es diese unglaubliche Natur zu bestaunen und zu genießen, auf der anderen Seite ist das Wetter nicht sonderlich einladend. Außerdem muss da noch das Ganze mit dem Weiterkommen kombiniert werden. Der Nachteil bei unserer Route ist ja, daß wir uns eigentlich entgegen der vorherrschenden Windrichtung bewegen, günstiger wäre es hier, von Nord nach Süd unterwegs zu sein. So sind dann eben einige Komponenten mehr zu berücksichtigen bei der Planung der einzelnen Etappen. Sind wir doch noch in den „wilden“ 50iger Breitengraden unterwegs, hier an der Westküste prallen bekanntlich die vielen Tiefdruckgebiete das erste Mal auf Land, Schutz bieten hier nur die mehr oder weniger vorgelagerten Inseln Patagoniens. Die Windgeschwindigkeiten, die hier so als Standard gelten, sind weit weg von angenehm, was man so kennt und so ein Tief bringt dann auch ordentlich Feuchte mit sich. So wollen wir, neben dem Besuch der Highlights, recht schnell weiter nach Norden kommen. Neben dem täglichen Überprüfen vom Wetterbericht kommt es dann zur Planung der Etappen. Die abgestimmt auf Erreichbarkeit der einzelnen Ankerplätze und deren Schutz für das angesagte Wetter beinhaltet, das Ganze noch vorausschauend für weitere Tage. Der Wetterbericht selbst stimmt aber höchstens die nächsten 2 Tage, der Rest kann man als Tendenz sehen, mehr nicht. So werden auch fast täglich die Pläne geändert oder komplett verworfen. So ist unser erstes großes Etappenziel, Puerto Eden. Eine der entlegensten Siedlungen in Chile, die auf einer Insel auf dem 49sten Breitengrad liegt, raus aus den Wilden, rein in die Brüllenden. Außerdem ist es der erste Anlaufpunkt seit Puerto Williams, um uns wieder mit Lebensmitteln und Treibstoff zu Versorgen.

So hatten wir an unserem letzten Ankerplatz, der Caleta Teokita einer gut geschützten Bucht, einige Tage Winde bis zu 50 kn ausgesessen; nicht vorzustellen, was draußen los war. Am ersten Tag, nachdem sich alles wieder beruhig hat, ging es dann eben weiter zur nächsten Bucht, deren Name Puerto Mardon war. Bei trockenen Bedingungen und verhältnismäßig warmen Temperaturen ging es, meist unter Maschine, unserem Ziel entgegen. Unterwegs sind dann auch die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken durchgebrochen, die ersten seit über einer Woche. Pünktlich zum Anlegen sind dann, innerhalb von einigen Minuten, alle Wolken verschwunden. Strahlend blauer Himmel, den wir dann noch in unserem Cockpit genießen konnten.  Mit einer Fahrt zum Ufer mit unserem Fred wollten wir zusammen mit Ulf noch einen Spaziergang unternehmen, der sichtbare Wasserfall hat dazu eingeladen. Das musste leider unverrichteter Dinge abgebrochen werden, kein durchkommen in der Vegetation am Ufer. Am nächsten Tag haben wir dann auch schon wieder den Channel Smyth verlassen, in dem wir seit der Magellanstraße unterwegs waren, unser Ziel die Caleta Columbine. Bei dem Wortwitz war der Platz eigentlich Pflicht. Eine weitläufige Bucht in der wir nur unseren Anker haben fallen lassen müssen, das verspannen mit Landleinen war nicht nötig, auch mal schön und zeitsparend. Sowohl das Ausbringen als auch das Einholen am nächsten Tag bedarf doch schon etwas Zeit. Die Etappe war nicht sonderlich lange, so hatten wir einen entspannten Nachmittag. Am Abend legte der Wind unerwartet zu und es wurde ganz schön schaukelig auf unserem Zuhause. In der Nacht geht unser Ankeralarm los, der Wind hatte weiter zugelegt, schnell unsere Position genau überprüfen. Und ja, wir sind gedriftet. Aber der Anker hat sich gleich wohl wieder selbst eingegraben und hält jetzt wieder. Noch zur Sicherheit etwas Ankerkette nachgeben und wieder ab ins Bett, der Rest der Nacht war dann soweit ohne weitere Vorkommnisse. Die für den nächsten Morgen angedachte, entspannte Weiterfahrt, war dann doch etwas sportlicher. Zum Glück waren es nur 10 sm bis zur Calete Theleme, die aber gemacht werden mussten. Die weitere Vorhersage für die nächsten Tage waren, sagen wir mal milde ausgedrückt, nicht gerade berauschend und die weite Ankerbucht hätte uns da nicht genug Schutz geboten.

Wir sind rechtzeitig dort und können noch gleich einen kleinen Landausflug starten, Beine vertreten und wieder Neues entdecken. So sind wir hier dann für 3 Nächte geblieben, bis wir weiterkonnten. Das Barometer war von 1012 auf 965 hPa gefallen, Böen von über 50kn sind über uns weggezogen. Verspannt mit 4 Landleinen, hat aber alles gut gehalten. Für die folgenden Tage war dann mal ruhigeres Wetter gemeldet, was für unser nächstes Ziel von Vorteil ist. Zuvor noch einen kleinen Zwischenstopp in der Caleta Moonlight Shadow, in der wir uns mit einer Bug- und einer Heckleine verspannen und der Caleta Wanderer.

Laut unserem Buch eine kleine Bucht, in die man vor Anker gehen kann, zusätzlich noch Landleinen ausbringen und gut. Bei Ankunft stellten wir fest, dass die Fischer hier quer in der Einfahrt eine Leine gespannt haben, kurzerhand ankern wir vor der Bucht und bringen die Leinen beim Eingang der Bucht an. Die vorgelagerte Insel sollte genug Schutz für die Nacht bieten, in der es ruhig bleiben soll. Ulf der immer kurz hinter uns einfährt legt sich einfach längsseits der Fischerleine, mit seinem kleineren und deutlich leichteren Boot kein Problem.  Am nächsten Tag erwartet uns dann eben der nächste Höhepunkt, der Amalia-Gletscher. Bei absoluten windstillen Bedingungen suchen wir uns einen Weg zwischen den Eisblöcken hindurch, um möglichst nah an dieses beeindruckende Gebilde zu kommen. Man bewegt sich wirklich im Schritt-Tempo durchs Eis, weicht möglichst vielen aus, und wenn es nicht anders geht auch mal mitten durch, aber immer schön vorsichtig. Als wir beschließen, jetzt ist es gut und das Eis wird zu dicht, stellen wir unseren Motor aus und genießen das Spektakel dieser Eisgiganten. Ein unaufhörliches Donnern und krachen, das nur erahnen lässt, wie sich die Eismassen bewegen, nichts weiter ist zu sehen. Irgendwann kalbt der Gigant dann doch ein wenig und ein kleiner Teil der Eismassen stürzen ins Wasser, was für ein Schauspiel. Irgendwann geht es dann wieder zurück, um unseren nächsten Ankerplatz aufzusuchen, die Caleta Amalia. Der Name ist natürlich Programm, den Gletscher vom Ankerplatz weiter im Blick.

Am Tag darauf gleich ein Fjord weiter zum nächsten Gletscher, der Brujo, hier ein ganz anderes Bild. Während der Amalia eine Menge an Geröll mit sich getragen hat, ist dieser fast schon rein in seinem Eisbild, das unglaubliche Blau leuchtet noch intensiver. Auch dieses Szenario können wir eindrucksvoll genießen bevor wir uns auf dem Rückweg machen, unser Ziel diesmal, die Caleta Valdivia.

Auch hier heißt es erstmal, Wetter aussitzen, der nächste Tag bringt Dauerregen in seiner übelsten Form. Die Szenerie am darauffolgenden Tag ist dann auch wieder besonders eindrucksvoll mit seinen tief liegenden Wolken. In der Caleta Pico werden wir, wie so oft, wieder mal von Delphinen empfangen. Das besondere war aber, daß die Bucht recht steil ins Wasser fällt und unser Anker hier in 20 m Tiefe fällt, bevor er auf Grund trifft, den Delphinen schein es zu gefallen. Beim Ausbringen der Leinen kreisen sie um Fred, so daß dieser ganz schön am schaukeln ist. Nachdem unsere JOSA sicher verspannt ist, gehe ich noch eine Runde mit den Delphinen spielen, ein schönes Erlebnis. Der spätere Versuch, sich mal wieder an Land die Beine zu vertreten bleibt leider ebenfalls erfolglos, zu dicht der Bewuchs.

Unser nächster Stop war dann die Caleta Neruda, ein schmaler Seitenarm, der uns Schutz gibt für die Nacht. In der Bucht kommt dann auch mal kurz ein Seelöwe vorbei und schaut nach dem Rechten. Die Caleta Greenpeace hat ihren Namen vom Buchautor bekommen, wirklich schön dieser Platz mit vorgelagerten Inseln. Wir finden auch einen Weg durch die Vegetation und können eine schon fast ausgedehnte Wanderung unternehmen. Es wäre auf jeden Fall noch einiges mehr gegangen, leider hat es der Wettergott nicht gut mit uns gemeint und Regen angekündigt, wie wir ihn von weiten sehen, machen wir uns auf den Rückweg und kommen gerade am Boot an, als es zu regnen beginnt, Timing ist alles. Nichts desto trotz, war es eine schöne Wanderung über die Moorebene auf die kleine Anhöhe hinauf, um den Blick über die große Bucht gleiten zu lassen. Auch hier verbringen wir einen weiteren Tag im Regen. Der Regen war dann zwar nicht so ausgiebig, aber für einen weiteren Landgang war es dann doch etwas zu viel.

Ein weiter Hauptgrund, die Weiterfahrt noch auf den nächsten Tag zu verschieben war: es kommt Südwind. Dieses seltene Phänomen sollte für einen längere Etappe gut genutzt werden, die vor uns lag. Dieser Wind sollte uns bis zu unserem nächsten Highlight bringen. Und so kam es, daß wir die 40 sm fast ausschließlich unter Segel zurücklegen konnten, hier und da eine kleine Abbiegung und dann kommt er schon von weitem zu Vorschein, der Gletscher der Gletscher, oder „Mutter“ aller Gletscher, im südpatagonischen Eisfeld. Es ist der größte Gletscher auf der südlichen Erdhalbkugel außerhalb der Antarktis. Der Gletscher hat eine Länge von 66 km, die Abbruchkante hat eine Breite von fast 5 km und ist bis zu 80 m hoch, die Fläche erstreckt sich auf ca. 1300 km², die Rede ist vom Brüggen-Gletscher, auch Pio XI genannt. Der Name Brüggen kommt von einem deutschen Geologen, der Pio XI von einem Papst, der begeisteter Bergsteiger war. Aber was sich da vor unseren Augen aufbaut ist einfach nur der Hammer, die Ausmaße unglaublich. Der Vorteil vom heutigen Südwind ist, die Zufahrt ist komplett eisfrei. Wir können ohne Probleme so nah ran an das Ungetüm, wie wir es uns aus Sicherheitsgründen her trauen. Sollte hier eine der großen Eistürme abbrechen, entstehen schon gewaltige Wellen, die uns gefährlich werden können, Sicherheit geht vor. Der Nachtteil, durch den mittlerweile schon recht kräftigen Wind hat sich auf der Länge vom Fjord doch schon einiges an Welle aufgebaut. Um nicht Richtung Gletscher getrieben und ein Spielball der Natur zu werden, müssen wir in Bewegung bleiben. Maschine aus und das Spektakel genießen ist nicht möglich, nachdem wir unser Segel geborgen hatten. Trotzdem bleibt es ein unvergessenes Erlebnis, wir wollen von unserem Ankerplatz aus nochmal eine Tour mit Fred zum Gletscher machen, eine kleine Wanderung inbegriffen. So geplättet von den Eindrücken geht es jetzt erst einmal zum Ankerplatz, der nicht weit weg ist, leider bietet dieser keinen Blick auf den Gletscher, wäre auch zu schön gewesen. Bei der Anfahrt sehen wir, daß sich eine kleine Eisscholle in unsere Bucht verirrt hat, das wird eng mit zwei Booten. Aber auch das bekommen wir in den Griff und sind kurze Zeit später sicher verspannt in der Caleta Sally untergebracht.

Erst zwei Tage später, in einer Regenpause, sind wir dann nochmal mit Fred los zum Gletscher. Wir wollten in einer kleinen Bucht unser Beiboot ankern, um dann den Rest zu Fuß zu erledigen, einfach auch, um unsere Beine wieder mal zu vertreten. So ging es dann erst einmal am steinigen Strand entlang, um einen Eingang durch die dichte Vegetation zu finden, am Strand entlang ist kein Durchkommen. Mit der Machete bewaffnet, wo ein Wille da auch ein Weg, sind wir auf eine kleine Ebene gelangt, die „nur“ mit Moosen bedeckt war. Auf diesem Moosteppich muss aber auch erst einmal der Weg gefunden werden. Man sinkt hier bei jedem Schritt 5- 20 cm wie in einem Schwamm ein, dazwischen immer wieder feuchtere Stellen, die man nicht betreten sollte, sonst ist man bis zum Knie eingesunken. Da haben wir aber schon einen geschulten Blick für, und der Abschnitt wird ohne größere Probleme gemeistert. Der nächste, ich nenne es mal „Waldabschnitt“, ist voraus und verlangt nach einem guten Blick, um sich da durch zu kämpfen. So eine unberührte Landschaft hat so seine eigenen Herausforderungen. Immer wieder geht´s zum Strand zurück um da ein paar einfache Meter gut zu machen, um dann wieder ins Unterholz zu verschwinden, um sich den Weg zu bahnen. Immer wieder ist das laute Donnergrollen zu hören, der vom Gletscher ausgeht, aber sehen können wir nichts, zumindest sind wir auf dem richtigen Weg. Nach einer ganzen Weile mühsamer Wegfindung, kommen wir an einen weiteren Küstenabschnitt mit Blick auf den Gletscher. Mmmh, immer noch ganz schön weit weg. Wir verweilen ein wenig, um uns den Gletscher genauer zu betrachten, beschließen aber letztendlich, wir wollen näher ran. So sind wir dann wieder zurück zu unserem Beiboot, um mit diesem weiter nach vorne zu gelangen, da gibt es noch einen weiteren Strand weiter vorne. Der Weg zurück gestaltet sich fast genauso schwierig, da wo du vor 5 min gelaufen bist, ist davon nichts mehr zu sehen, kein Fußabdruck oder ähnliches. Der schwammartige Boden leistet hier ganze Arbeit, der Weg muss meist neu gefunden werden. So sind wir dann doch irgendwann wieder bei unserem Fred gelandet, um diesen wieder zu bemühen. Kurz bevor wir den Gletscher ums Eck zu Gesicht bekommen, ein imposantes Donnergrollen, wieder kein kalben vom Gletscher gesehen. Das Einzige was wir noch mit bekommen ist die große Welle, die der Abbruch ausgelöst hat. Der angedachte Strand, weiter vorne, war dann aber auch noch komplett mit gestrandeten Eisschollen belegt, der Rest nur steile Felsküste, ein anlanden unmöglich. So sind wir dann einfach in sicherem Abstand zum Gletscher gefahren und haben uns treiben lassen. Die Geräuschkulisse ist schon unglaublich, ein ständiges knacken, krachen, Donnern, mal hell, mal dumpf im Klangbild, aber nichts zu sehen. Alles passiert im Innern und lässt nur erahnen, was sich da abspielt. Ab und an dann doch noch ein lautes Donnergrollen, der Gletscher kalbt. Eisstücke brechen ab und schlagen aufs Wasser auf, eine Wasserfontäne steigt empor und eine Welle wird ausgelöst, unglaublich dieses Schauspiel.

Was wir sehen, sind aber nur recht kleine Abbrüche, sehen wollen wir eigentlich mal einen der Größeren, so wie wir sie schon jetzt einige male gehört hatten. Die größeren Eisschollen, oder sagt man da schon Eisberge, die hier schwimmen, sagen jedenfalls eine andere Sprache. So sind wir dann über eine Stunde geblieben, Sprühregen hatte mittlerweile auch wieder eingesetzt, bis wir ziemlich durchgefroren uns dann auf den Rückweg gemacht haben.

ein sehr kleiner Abbruch

Letztendlich hat Murphys-Gesetz zugeschlagen, kaum waren wir einige hundert Meter weg, wieder einmal ein ohrenbetäubendes Donnergrollen. Alle Drei drehen wir uns um und sehen nur noch eine riesige Wasserfontäne, gefolgt von einer ebenso riesigen Welle. War ja klar, daß, wenn wir uns auf den Rückweg machen, so ein großes Kalben stattfindet, wie wir es gerne gesehen hätten, schade. So sind wir dann noch an einen der großen Eisschollen gefahren und haben uns das Ganze von Nah angeschaut, dieses Blau ist einfach magisch und die Klarheit vom Eis faszinierend. Wie Alt mag es wohl sein? So sind wir dann trotzdem, auch wenn uns der große Augenblick verwehrt worden ist, mit neuen Eindrücken glücklich zurück zu unserm Ankerplatz gefahren. Der Wetterbericht hat uns schließlich in 2 Tagen einen Südwind vorausgesagt, der will genutzt werden. So sind wir am nächsten Tag erst einmal mit dem Nordwind Richtung Süden aus dem Fjord raus gefahren in die nächste Ankerbucht, der Caleta Lucrecia, um die Nacht hier zu verbringen. Am darauffolgenden Tag sollte uns der angesagt Wind dann nach Norden bis Puerto Eden bringen. Am Morgen sind dann noch einige Schauer über uns hinweg gezogen, da es aber nur 25 sm bis zu Ziel waren, hatten wir es nicht eilig los zu kommen und hörten dem ganzen aus dem Bett zu. Anker auf hat es dann um 11 Uhr geheißen. War es zu beginn noch schwachwindig, unsere Eisengenua (Motor) musste herhalten, hat ein weiterer Schauer dann den Wind mitgebracht. Von nun an konnten wir unter Segel bei herrlichen Bedingungen unserem Ziel entgegensteuern, Zivilisation! Puerto Eden, eine der entlegensten Siedlungen von Chile, unser erster Anlauf- und Versorgungspunkt nach 2 Monaten Einsamkeit.

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Die Magellanstraße ruft

Nach dem Pia-Gletscher haben wir eigentlich nur das Ufer gewechselt, um in die Caleta Cinco Estrellas zu fahren, da diese als wunderschön beschrieben wurde. Und das war sie auch, in der Zufahrt werden wir sogleich von ein paar Delphinen begrüßt. Dies war eine kleine, fast runde Bucht mit einer schmalen Zufahrt, in der wir uns im Päckchen verschnürt und mit Landleinen gesichert haben. Hier wollten wir nur eine Nacht bleiben und sind am nächsten Morgen dann wieder nur 5 sm weiter in die Caleta Julia gefahren, das Wetterfenster muss genutzt werden. Diese beiden Ankerplätze liegen nah beieinander in der Bahia Tres Brazos auf der Isla Gordon. Bei beiden konnten wir einen Landgang unternehmen und haben hierbei unseren ersten Andenkondor aus nächster Nähe gesehen, der nach einem Bad im See an Land stand, um seine Flügel wieder zu trocknen. Wir haben ihm bestimmt eine halbe Stunde zugesehen und tolle Aufnahmen gemacht. Schön sind diese Tiere ja nicht – aber beeindruckend.

Weiter ging es dann gen Westen zunächst als kurzer Übernachtungsstopp in die Caleta Emilita. Hier kam am Abend dann noch ein Boot rein und kurz danach klopfte es bei uns. So haben wir nochmals kurz Alex Lebewohl gesagt, einem jungen Franzosen, den wir bereits in Ushuaia kennengelernt hatten. Er war mit seinen Freunden auf dem Rückweg aus den Kanälen.

Weiter ging es am nächsten Tag bis zur Pozo Isla del Medio, wo wir wieder eine Schlechtwetterfront am nächsten Tag absitzen wollten. Die sollte lt. blauer Bibel ein sehr sicherer Platz sein, der normalerweise von Fischern benutzt wird. Wir sind auch gut dort angekommen und haben die schmale Einfahrt mit ihren Untiefen gemeistert. Die komplette Bucht ist nur sehr flach mit ungefähr 3 Metern. Leider hatten wir beim Ankern unglücklicherweise Seitenwind, so daß wir, bis wir die Landleine auf der Luvseite (Windseite) des Bootes ausgebracht hatten, fast auf die Felsen gedrückt wurden. Zum Glück sind die Felswände hier meist sehr steil abfallend, so daß hier Unterwasser keine allzu große Gefahr bestand. Das Ausbringen der Landleinen dauert halt mitunter etwas, da die Wege manchmal etwas länger sind, um bei einem passenden Baum oder Felsen fest zu machen.

Als dann Ulf neben uns im Päckchen lag, haben wir beide Boote mit mehreren Landleinen gut verzurrt und waren mit unserem Werk zufrieden.  Der starke Wind kann kommen, wir liegen gut. Kaum fertig, nähert sich noch ein weiteres Segelboot der Einfahrt. Sie kommen rein, wir reden kurz – also unsere beiden Heckleinen wieder lösen, die legen sich auch noch ins Päckchen. Nachdem sie endlich fest sind, zurren wir sofort unsere Heckleinen wieder an, damit der Seitenabtrieb wieder aufgehalten wird. Die beiden sind aber nicht so zufrieden und outen sich als erfahrene Patagonien-Fahrer, die seit Jahren hier unterwegs sind. Sie meinten, wir lägen zu weit am Ufer, unter ihrem Boot ist es zu flach und wenn der starke Wind kommt und das Wasser aus der Bucht drücken würde, hätten wir nicht mehr genug Wasser unter dem Kiel. Dies wäre auch für uns blöd.

Also wieder alles auf Anfang. Die Boote mehr in die Mitte der Bucht verholen. Dafür wieder sämtliche Leinen lockern und zum Teil neu ausbringen. Aber – hier war es auch nicht wirklich tiefer …. Bis wir dann wirklich fertig waren, war es schon etwa 20:30 Uhr (wir waren eigentlich um 18 Uhr fertig). Jetzt langt es aber, bei dem Ausbringen der zusätzlichen Leinen der Franzosen helfen wir nicht mehr.

unser Spinnennetz mit Landleinen

Nun lagen wir da wie in einem Spinnennetz. Da sollte doch alles sicher sein. Das war es auch. Natürlich hat es an den Leinen gezerrt und gezogen, die Tiefe unter unserem Kiel hat sich auch nicht zum kritischen geändert. So haben wir den folgenden Nachmittag dann bei Kaffee und Kuchen alle gemeinsam auf der JOSA verbracht und einigen „Tratsch“ aus Puerto Williams ausgetauscht. So, nun kennen wir zwei weitere nette Franzosen. Wer mich kennt, weiß, daß ich eine natürliche Abneigung gegen alles habe, was französisch ist. Ich bin da eher „südländisch“ angehaucht mit Italien und Spanien. Aber ich bin lernfähig!

Nach dem Überstehen des Starkwindfeldes ging es weiter in Richtung Caleta Brecknock; ein weiteres „Must-do“ auf der Liste der Patagonienfahrer. Damit haben wir nun auch endgültig den Beagle-Kanal mit seinen ganzen Seitenkanälen verlassen.

Dieser Ankerplatz ist wirklich spektakulär, bei der Kulisse hätte hier auch „Herr der Ringe“ gedreht werden können (wahrscheinlich war es ihnen hier nur zu kalt und zu stürmisch 😊). Die Einfahrt erfolgt durch eine Fjordlandschaft mit hohen, steil aufragenden Felsen. Vorbei an einigen Wasserläufen bis zu einer kleinen Einkerbung. Hier war absolut kein Windhäuchchen zu spüren und wir konnten entspannt unseren Anker setzen und die Landleinen ausbringen. Das Wasser so klar, daß wir trotz Bewölkung den Grund in 8 m Tiefe sehen konnten, eine Möglichkeit unseren Schaden vom Pia-Gletscher zu begutachten. Ulf kam dann auch, legte sich wieder ins Päckchen neben uns und der Landausflug konnte am übernächsten Tag starten, bis dahin hatten wir nur Dauerregen. Es ging den Hügel hinauf zu einem wunderschönen See mit Wasserfall in den Fjord hinunter. Tolle Ausblicke, ein Gefühl wie in den Fjorden Norwegens. Bei der Abfahrt aus dieser Caleta kommen uns die beiden Franzosen wieder entgegen, die gerade hineinfahren, sie hatten einen anderen Weg hierher genommen.

Nun ging es weiter in Richtung Norden. Um in die Magellan-Straße zu kommen, in die wir leider rein müssen, gibt es drei Kanäle. Der Kanal Barbara ist der kürzeste Weg, der Kanal Acwalisnan der nächstkürzere und der Canal Magdalena der längste Weg und auch der unbequemste für Segler. Denn dieser bedeutet die längste Strecke in der Magellanstraße, die mit starken Winden von vorne und Strömungen für uns als Segler nicht so einfach ist. Von der chilenischen Armada ist nur der Canal Magdalena erlaubt zu befahren. Dies kommt daher, daß die beiden anderen Kanäle zum Teil sehr schmal sind, Untiefen haben und nicht so gut vermessen sind, was für die Großschiffahrt eine Gefahr darstellt. Leider gibt es hier keine Unterschiede zwischen kleinen Segelbooten und großen Frachtern. Das ist hier auf dem Papier alles dasselbe. Also sind die beiden anderen Kanäle eigentlich Tabu. Wir wollten im Vorfeld eine Genehmigung für den Barbara-Kanal einholen, doch hierfür sollten wir einen Antrag in Puntas Arenas stellen. Alle anderen einheimischen Segler sagten uns, fahrt einfach durch, wir machen das auch. Da kräht keiner danach. Also machen wir das auch so. Und wir haben vorsichtshalber einige Tage vorher mal unser AIS-Signal abgeschaltet und uns stumm gestellt.

Also haben wir uns einen guten Ankerplatz als Startplatz gesucht, damit wir die schwierigste Engstelle im Barbara-Kanal zum günstigsten Zeitpunkt ansteuern können. Zuerst ging es in die Caleta Tarmac, wo wir den ersten Stop eingelegt haben und tags darauf zum Ankerplatz Puerto Nutland. Bei beiden konnten wir frei ankern und mußten uns nicht mit Landleinen abmühen. Dafür konnten wir hier keinerlei Landgänge machen.

Laut der blauen Bibel sollte man die Engstelle „Paso Shag“ von Süd nach Nord mit dem Hochwasser befahren, da einen dann der „Ebb-Strom“ in die Magellanstraße hinein mitziehen würde. Hochwasser sollte um 7:15 Uhr sein, so daß wir in aller Frühe die Anker gelichtet haben. Dies zog sich leider etwas, hatten wir doch viel Kelp am Anker hängen. Die Anfahrt zur Engstelle war dann auch schon faszinierend. Überall Strudel und Kehrwasser. Diese Strudel haben unsere Dicke auch ordentlich versetzt, wenn wir diesem zu Nahe gekommen sind. Der Skipper hat hier fleißig am Ruder gearbeitet, um den besten Weg zu finden. Ein Motorenproblem sollte man hier nicht bekommen. Dann die Engstelle vor uns – nicht lange, aber oho.

Irgendwie stimmt da etwas in der blauen Bibel nicht. Wir hatten teilweise eine Gegenströmung von weit über 6 Knoten, obwohl jetzt Hochwasser ist und gar kein Strom vorhanden sein sollte, bzw. wir mit der Tide mitfahren würden, wenn diese fällt…. Unser Motor hat ordentlich arbeiten müssen, der Hebel lag quasi auf dem Tisch und dennoch zeigte der Geschwindigkeitsmesser nur 0,5 Knoten – und das teilweise rückwarts. Unser Plott auf dem Navigationsgerät zeigte Kreise an, wo wir gar keine gefahren sind. Jochen hat wieder fleißig am Steuer gearbeitet, um doch noch einen Weg zu finden. Die Überlegung kam dann schon auf, wieder umzudrehen und in zwei Stunden einen neuen Versuch zu starten. Dann kam aber ein Windhauch von Lüftchen und so hieß es „schnell die Genua zur Unterstützung mit raus“ und so nah wie möglich ans Ufer ran, hier ist die Strömung nicht ganz so heftig. So haben wir es dann doch noch geschafft, diese 300 Meter zu bewältigen und durchzukommen. Leider sahen wir, daß Ulf noch festhing und kämpfte.

Eine kleine Anektode noch: Bei dem ganzen „Kampf ums Überleben“ von uns, sieht man noch die Seelöwen, die sich einen Spaß in den ganzen Strudeln gönnen. Sie spielen mit den Strömungen und zeigen uns eindrücklich, wer hier wirklich in seinen Element ist.

Doch auch Ulf hat es dann geschafft, die richtige „Spur“ zu finden und Paso Shag hinter sich zu lassen. Nun waren wir in der berüchtigten Magellanstraße! Nur noch ein kurzes Stückchen bis zur Isla Carlos III in die Bahia Mussel, unser nächster Stop.

auch segeln war wieder mal möglich, ein seltener Moment

Auf dem Weg dorthin hatten wir endlich unsere ersehnte Buckelwal-Sichtung. Vor der Isla Carlos III ist wohl ein Gebiet, in dem sich immer Buckelwale aufhalten. Dies ist als Nationalpark ausgewiesen und wir haben dort auch ein Touristenboot gesehen. Wir haben natürlich auch aufgestoppt und uns zwischen den Giganten treiben lassen. Ein tolles Erlebnis.

ohne Worte

In der Bahia Mussel haben wir zwei Nächte verbracht – erst mal ausruhen von den Aufregungen der letzten Tage und warten, bis das Wetter passt, um in der Magellan schnell Richtung Westen zu kommen. Diese wollten wir so schnell wie möglich hinter uns bringen. Die nächste „Heurausforderung“ war der Paso Tortuoso an der Westspitze unserer Ankerinsel. Hier teilt sich die Magellanstraße etwas und es entstehen Kreuzseen und wer hätte es gedacht, Strömungen.

Diesmal war unser Timing aber besser (wir haben nach Gefühl gearbeitet) und wir sind hier gut durchgekommen, kurzzeitig hatten wir 10 Knoten auf dem Log stehen, so gut war die Strömung mit uns und wir konnten sogar komplett segeln bis zu unserem Ziel Caleta Playa Pardo auf der Nordseite der Magellanstraße. Der nächste Tag sollte auch ein gutes Wetterfenster bieten, also ging es gleich weiter zur Caleta Uriarte, diesmal auf der Westseite der Magellanstraße gelegen. Auch heute konnten wir wieder segeln. Die Strecke auf direktem Weg war bei 30 Seemeilen; dadurch, daß wir gezwungen waren zu kreuzen, kamen am Schluß 49 Seemeilen dabei heraus. Das war schon sehr unangenehm, hat uns aber Diesel gespart…. Und schließlich sind wir ja ein Segelboot. Erst als der Wind, zum Ende hi in so einem gemeinen Winkel eintraf, daß wir auf der Kreuz wieder zurück gefahren wären, wurde der Motor angeworfen – und schließlich wollten wir ja auch ankommen. Dies sollte ein sehr geschützter Platz sein, doch uns gefiel er nicht so gut. Hier möchten wir eigentlich keinen Sturm absitzen müssen, für das Vorhergesagte aber in Ordnung.

Sonnenaufgang in der Caleta Uriarte

Die Wettervorhersage prognostizierte für den nächsten Tag ein annehmbares Wetter bis zum Mittag. So war der Plan bis zur Caleta Wodsworth zu fahren, einem Fjord mit zwei Armen. Jochen hatte hierzu auf einem anderen Seglerblog gelesen, daß dieser Platz noch beeindruckender wäre als die Caleta Brecknock. Und es war uns klar, daß in den nächsten Tagen einige Tiefs über uns hinweg rauschen werden und wir dann sicher mindestens 10 Tage hier auf der Südseite festhängen werden. Also suchen wir uns lieber ein Plätzchen, das toll ist und auch sicher. Und so ein Fjord bietet da schon eine gewisse Sicherheit im Kopf.

Also wieder früh raus, das gute Wetter nutzen und los geht’s. Nun sind wir so weit westlich in der Magellanstraße, daß wir hier quasi am Trichter ankommen. Die Straße weitet sich auf 15 Seemeilen breite und hier kachelt der Wind so richtig vom offenen Pazifik rein und tunnelt sich entsprechend. Auch die sich aufbauende und ankommende Welle kann hier sehr unangenehme Höhen erreichen, so war in der Vorhersage für die kommenden Tage eine Welle von 6 Metern angesagt.

Wir haben uns dann gegen die herrschende Welle voranmotort und sind am Vormittag im Fjord angekommen. Und es stimmt, dieser ist noch beeindruckender als die Brecknock. Das ankern ist direkt vor einem gigantischen Wasserfall, total geschützt in der letzten Ecke mit hohen Bergen außenrum. Aber wie gesagt – wir sitzen hier mindestens 10 Tage fest. Das Wetter schaut im Moment noch so super aus, die Welle hatte sich gelegt, wenn wir jetzt noch die Magellanstraße queren – das sind 20 Seemeilen bis zum nächsten Ankerplatz – dann haben wir es geschafft und haben evtl. die Möglichkeit, schon früher weiterzufahren, da das Wetter auf der anderen Seite der Straße doch schon erheblich bessere Vorhersagen hat. Der Wind kommt halt von Nordwest und kachelt voll auf die Südseite, während die Nordseite da schon einigen Schutz durch die Inselwelt bietet. Kurze Abstimmung mit Ulf – „jawoll, dann lasst uns fahren“.

So sind wir noch quer über die Magellanstraße gefahren. Die Welle kam jetzt nicht mehr von vorne, sondern seitlich, so daß wir gut vorangekommen sind und uns nicht von jeder Welle wieder ausbremst werden, das Fahren war zwar etwas rolliger, aber ok. Uns war klar, daß es nicht gemütlich sein wird – aber es ist ja das letzte Stück. Zum Ende hin wurde es dann nochmals richtig ungemütlich – das vorhergesagte Schlechtwetter kündigt sich an. Der Wind frischte auf, drehte sich und wir hatten Böen bis zu 30 Knoten gegenan. So haben wir nochmals kurz die Genua gesetzt und sind etwas am Wind gefahren und konnten damit auch wieder die Geschwindigkeit verdoppeln – von 3 Knoten unter Maschine auf 6 Knoten unter Segel. Das ging halt leider nicht lange, da wir dann unsere Einfahrt in den Kanal Smyth hatten.

Zwischenzeitlich hatten wir noch die Idee, die Leuchtturmwärter auf der Islotes Fairway zu besuchen, die mitten in der Einfahrt liegen. Diese würden sich freuen, wenn man sie besucht. Doch der zwischenzeitliche starke Wind hat dieses Vorhaben gleich ausgebremst. Schauen wir doch lieber, daß wir unseren Ankerplatz erreichen.

Dann kam der große Augenblick, die Einfahrt in unseren Puerto Profundo, Caleta Teokita bei über 20 Knoten Wind auf der Anzeige. Eine Einfahrt mit einer Breite von etwa 8 Metern und einer darauf stehenden Welle. Doch auch hier hat uns Jochen gut rein gebracht und kaum hinter der Engstelle ist es deutlich ruhiger und der restliche Wind kommt zum Glück genau aus der richtigen Richtung, um hier den Anker entspannt und sicher zu werfen. Also, Anker werfen, Sabine rein ins Dinghi und Landleinen ausbringen. Kaum ist die letzte fest, kommt auch Ulf reingefahren. Noch seine Landleinen anbringen und fertig – naja.

Das Anbringen der Landleinen war hier etwas schwieriger, da ich erst einmal über Fels steil nach oben klettern muß. Und das mit diesen Stummelbeinen!!! Und prompt habe ich es geschafft, mich an Land zu buxsieren, verlässt mich mein Dinghi. Habe ich das nicht richtig festgemacht oder wieder losgetreten, als ich mich hochgewuchtet habe. Wieder was gelernt!! Pass besser auf dein Dinghi auf!! Also mußte Ulf sein kleines Beiboot zu Wasser bringen, hat mich eingesammelt und zu meinem Dinghi gerudert. Zum Glück waren wir im letzten Eck der Bucht und der Wind stand in die richtige Richtung, also ist mein Beiboot nur 20 Meter weiter an Land angestrandet. An anderer Stelle hätte jemand schnell ins Wasser springen müssen, um unsere schwimmende Landverbindung zu retten, Glück gehabt.

So, nun liegen wir hier – der Wind bläst schon ordentlich und zerrt an den Leinen. Aber wir sind gut verzurrt, der Anker hält und das lässt uns ruhig schlafen. So warten wir mal ab, was die Wettervorsagen für die nächsten Tage so erzählen und wie es sich hier anfühlt. Die Magellanstraße haben wir trotz ein paar kleiner Widrigkeiten schnell hinter uns bringen können, bei der uns immer wieder ein paar Seelöwen begleitet und ihr Können unter Beweis gestellt haben.

Uns erstaunt immer wieder, wie es die alten Seefahrer geschafft haben, hier, größtenteils unbescholten durchzukommen. Hatten diese schwerfälligen Schiffe doch lange nicht die Möglichkeiten wie wir: hoch am Wind zu segeln oder einen Motor zur Unterstützung zu nehmen, von dem Material ganz zu schweigen. Oder auch die ganzen Informationen, die wir heute nutzen können; es gab keinerlei Karten, GPS, Wettervorhersagen und, und, und. Es waren Meister ihres Fachs und Pioniere, ohne Wenn und Aber.

Nun noch eine letzte Erklärung: ich habe jetzt schon mehrfach von der blauen Bibel gesprochen. Dieses Buch, auch bekannt als „The Italian Book“ ist der nautische Führer hier unten in Patagonien. Ein dicker Wälzer, der von einem italienischen Paar geschrieben wurde, das hier etliche Jahre verbracht hat und alles an Informationen zusammengetragen und gebündelt hat. Diese Buch ist die Lektüre sämtlicher Patagonien-Segler und hilft uns teilweise mehr als die elektronischen Seekarten, die hier leider zum Teil so gar nicht stimmen. Manchmal stimmt eine Angabe auch nicht mehr so ganz in diesem Buch, aber das ist klar, wenn man bedenkt, daß die meisten Angaben aus den Jahren vor 2004 sind. Eine Zeit lang war dieses Buch auch überhaupt nicht mehr erhältlich, sind doch in bisher 3 Auflagen nur insgesamt 5000 Bücher gedruckt worden. Glücklich, wer ein solches Buch sein Eigen nennt.

unsere blaue Bibel
so sehen die Ankerplatzbeschreibungen aus, hier die oben genannte Caleta Teokita mit seiner schmalen Einfahrt rechts unten „Detail 2“
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Auf in die Kanäle Chile’s

Da wir schon gemerkt haben, daß die Bemerkung „Kanäle“ etwas für Verwirrung sorgen: hierbei handelt es sich nicht um künstliche und zum Teil kostenpflichtige Wasserwege wie bei uns. Vielmehr handelt es sich um die natürlichen Wasserwege in Süden und Westen Chiles, ähnlich den Fjorden Norwegens. Der Süden und Westen Chiles besteht aus unzähligen Inseln und Inselchen, die alle durch eben „Kanäle“ verbunden sind und entsprechend kreuz und quer befahren werden können. Jeder Kanal hat hier auch einen Namen und wir haben für das Befahren auch eine Genehmigung, der sogenannten Zarpe, in der aufgeführt ist, welche Kanäle wir befahren dürfen. Die bekanntesten sind die Magellan-Straße, die quer von Ost nach West das Festland von der großen Insel Tierra del Fuego (Feuerland) trennt. Weiter südlich verläuft ebenfalls von Ost nach West der Beagle-Kanal, in dem wir uns die ganze Zeit aufgehalten haben und den wir jetzt dann so langsam verlassen werden, wenn wir die nördliche Richtung einschlagen werden.

Die Ankerbuchten heißen hier „Caleta“ oder „Puerto“, von denen es unzählige gibt, eine schöner als die andere. Und über eben diese werden wohl die zukünftigen Beiträge handeln; mit den dazugehörigen Gletschern und Besonderheiten natürlich.

Wir sind nun endlich aus Puerto Williams losgekommen und haben nochmals Abschied von allen genommen, die uns in kurzer Zeit so an’s Herz gewachsen sind: unser Brite Steve, der schon sehr lange auf die Lieferung seines Ankers wartet und mit uns den ein oder anderen Kaffee getrunken hat (und auch mehr). Hacko und Nora von der Anixi, die bereits die patagonischen Kanäle hinter sich gebracht haben und nun Richtung Falklands starten. Heinz, der mit seinen nun 84 Jahren und über 40 Jahren Segelei durch die Welt, auch Richtung Europa starten will und noch über die Nordwestpassage nachdenkt (Nordamerika obenrum durch’s Eis) 😊. Und all die anderen, die wir hier kennenlernen durften. Den ein oder anderen werden wir unterwegs sicherlich noch einmal treffen. Mit uns fährt Ulf auf seiner Farvel, für den es als Einhandsegler hilfreich ist, sich mit anderen zusammenzuschließen. So werden wir immer mit zwei Booten unterwegs sein und können uns gegenseitig unterstützen.

Zum Abschied gibt es weiße Gipfel bei Porto Williams

Unser erstes Ziel sollte eine der Ankerbuchten sein, die wir nach dem Passieren von Ushuaia und dem Verlassen der argentinischen Grenzregion auffinden. In welche Caleta wir gehen, wollten wir spontan entscheiden – je nachdem wie weit wir kommen. Es war nur klar, es muß eine Caleta sein, in der wir die nächsten 3 Tage verbringen werden, da ein Starkwind angekündigt wurde, den wir sicher „aussitzen“ wollten. Wir hatten keinerlei Wind und auch keine Welle und sind daher nur unter Maschine gefahren. Wir hatten zwar einmal versucht, unsere Genua dazu zunehmen, aber das war nix. Wenigstens hatten wir keinen Gegenwind und keine Welle, die uns großartig ausgebremst hätte. Lediglich als wir Ushuaia passiert haben, wurde es neblig und feucht, aber es war erträglich. (für uns sowieso, da wir ja trocken in unserer Kuchenbude sitzen können – lediglich Ulf muß auf seiner Farvel die Zeit im Freien am Ruder verbringen).

Wir haben uns dann für die Caleta Boracho (Betrunkenenbucht) entschieden und just, als wir den Kurs hierauf absetzen, ruft uns Jeanette von der Santa Maria Australis an. Sie sehen uns auf AIS und sie wären ja in der Caleta Ferrari, ob wir denn auch da hinkommen. Kurzer Ratschlag mit Ulf, wir ändern den Kurs wieder in die Ferrari – Ulf wollte sowieso lieber hierhin. So haben wir nochmals die Chance, einen Abend mit den beiden zu verbringen und auch hier Lebewohl zu sagen.

Die Caleta Ferrari liegt in einer großen Bucht, der Bahia Yendegaia, in die ein Fluß mündet. Der Ankerplatz befindet sich vor einer ehemaligen Estanzia und bietet die Möglichkeit, das Land leicht zu betreten und zu erwandern. Das haben wir natürlich auch gleich ausgenutzt. Wir hatten tolles Wetter mit Sonnenschein bei unserem Landgang. Der Weg führte uns natürlich über die Estanzia, in der noch einiges an Inventar herumliegt. Leider verfallen die Gebäude sehr stark. Auch der ehemalige Garten ist noch zu sehen mit unzähligen Himbeersträuchern, an denen auch etliche reife Früchte hingen. Voller Freude habe ich das Pflücken angefangen; leider sind die Beeren so fest an ihrem „Kerngehäuse“, daß diese nur als Matsche an den Fingern kleben – doch kein Himbeernachtisch.

Weiter ging es am Fluß entlang, durch etliche Feuchtgebiete – die Biber leisten hier wirklich volle Arbeit. Etliche ehemalige Viehweiden sind total unter Wasser gesetzt und das Vorankommen ist sehr feucht und schwer. Ehemals genutzte Holzwege und Brücken sind noch vorzufinden, während wir uns Richtung ehemaliges Flugfeld bewegen. Überall grasen Pferdeherden und viele Vögel sind zu hören und zu sehen. Außerdem muss es sehr viele Hasen geben, nach den Hinterlassenschaften zu urteilen, gesehen haben wir nur einen Einzigen. Und natürlich wieder viele tolle Pflanzen und Blüten – Sommer halt. Man hält es nicht für möglich, daß diese Pflanzen hier gedeihen bei dieser Durchschnittstemperatur. Undenkbar für uns, daß bei uns Himbeeren an den Sträuchern hängen, wenn es nur 10 bis 14 Grad warm ist und des öfteren regnet.

Wir haben schließlich den starken Wind hier gut ausgesessen und sind dann 3 Tage später weitergezogen in die Caleta Olla. Hier werden wir unseren ersten Gletscher, den Glacier Holanda vom Boot aus sehen können. Die ersten Seemeilen können wir auch noch gut segeln, bis der Wind wieder auf eine Richtung dreht, in der wir unmöglich segeln können. Aber wir kommen auch so wieder gut vorwärts. Uns war im Vorfeld klar, daß wir in den Kanälen kaum segelbaren Wind haben werden. Daher ist es für unsere Planung und Weiterfahrt einfach nur wichtig: möglichst wenig Wind von vorne und nicht gegen Wind und Strömung ankämpfen müssen. Das würde uns nur unnötig Zeit und vor allem Diesel kosten. Und dieser ist hier seeeeehr wichtig. Die nächste Tankmöglichkeit besteht erst in Puerto Eden in Luftlinie 400 Seemeilen; in gefahrenen Seemeilen durch die Kanäle deutlich mehr. Bis dahin will unser Motor und auch unser Diesel-Ofen gefüttert werden.

Auch die Caleta Olla fanden wir wunderschön. Der erste Landgang ging auf den Hügel und am Strand entlang bis zum Fluß und dann ab zu einem Wasserfall. Natürlich wieder sehr feucht, sehr üppig und wunderschön. Die Männer sind dann am nächsten Tag mal alleine losgezogen in Richtung Gletscher da es mir nicht so gut ging. Nach mehreren schweißtreibenden Stunden kamen sie wieder erschöpft und zufrieden zurück und durften sich dafür bei frischem Apfelplootz stärken, ehe es hieß: „Fasnacht in Franken“, musste geschaut werden. Zum Aussichtspunkt auf den Gletscher und den Gletschersee gibt es einen kleinen Trampelpfad, der am Eingang markiert ist. Da man aber nicht Hin- und Rückweg auf dem selben Weg machen will – „man will ja was sehen“ – sind die beiden dann auf eigenen Wegen den Berg herunter. Das war wohl sehr anstrengend 😉. Außerdem war für den nächsten Tag eine Wanderung am Flußlauf entlang angedacht, der so beschrieben ist und bis zum Gletschersee führen sollte. Denkste, die eine Seite war durch den Biber unpassierbar geworden, die Andere zu dicht bewachsen und immer wieder mit kleinen Wasserläufe durchzogen. Am letzten Tag noch eine kleine Abschlusswanderung am Strand entlang bis zu einem Seezeichen und zurück, wer weiter will hat es wiederum sehr schwer.

Auch in dieser Caleta sind wir 4 Nächte geblieben wegen der Wettervorhersagen und am Montag zeitig losgezogen in den Seno Pia. Dies ist ein zweiarmiger Fjord, in dem an beiden Enden der Gletscher bis ins Wasser reich – und ein „must-do“, wenn man hier vorbeifährt. Wir sind bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein losgefahren und vorbei an tollen Gletschern, dem Italia, Francia, Alemania und dem Romanche. Leider haben wir schon gesehen, daß sich der Himmel langsam zuzieht. Für die nächsten Tage ist leider auch deutlich kühlere Temperatur mit Schneeregen angesagt. So sind wir direkt bis zum Pia-Gletscher im rechten Arm hineingefahren und haben unseren ersten Gletscher direkt am Boot erleben dürfen mit seiner Abbruchkante und den kleinen Eisbrocken im Wasser. Ein beeindruckendes Erlebnis. Ebenso beeindruckend: wir hatten leider massive Grundberührung bei der Zufahrt. Die elektronischen Seekarten sind hier leider nicht ganz genau und wir haben es geschafft, einen Felsen unter Wasser zu touchieren, der nicht eingezeichnet war.

Es hat einen abrupten Stopp gegeben und das ganze Schiff ist kurz nach Steuerbord gekippt und zurück. Ein erster Augenschein aller relevanten Teile hat keine ersichtlichen Schäden erkennen lassen. Der Skipper wird in den nächsten Tagen noch einmal das Unterwasserschiff abtauchen und schauen, wo unser dicker Kiel eine Beule hat. Sind wir mal froh, daß wir so eine „Fat-Lady“ aus dickem Aluminium und massiven Kiel haben. Lediglich später haben wir dann bemerkt, daß unser Haltebrett für den Außenbordmotor durch diese Wucht gebrochen ist und der Außenborder nur noch am seidenen Faden hängt. Also bastelt uns Jochen ein neues Brett, damit wir den Außenborder wieder an seinen Stammplatz hängen können.

Es fing dann natürlich auch pünktlich zum Ankern mit dem Regen an. Unser Schiff hat schnell seinen Platz gefunden und der Anker hält gut, die Leinen zum Land sind schnell gelegt. Nur Ulf hat mit seinem Boot etwas Probleme, sein Anker hält nicht richtig und er muß zweimal einen neuen Anlauf nehmen um zu ankern. Da wir ihm beim Landleinenausbringen natürlich helfen, sind wir alle drei durchgeweicht. Zur Belohnung gibt es erst mal einen Kaffee und einen warmen Schokopudding – für Leib und Seele. Das war dann auch genug Aufregung für heute – sowohl positiv als auch negativ. Als wir ins Bett gehen, sehen wir Ulf auf seinem Boot werkeln. Ein kurzer Ruf rüber, ob alles klar ist: Ja, er hat noch etwas Kette gegeben, da er seinen Anker über Grund rumpeln hörte.

Das musste sein:“ Whiskey on the rocks“, mit frischen Gletschereis. Nach der ganzen Aufregung haben wir uns das doppelt verdient.

Am nächsten Morgen, wir schauen aus dem Fenster. Jetzt hängt Ulf aber sehr nah am Ufer. Schneller Funkruf rüber, ob er es schon gesehen hat. Nein, noch nicht gesehen und ja, er hat immer noch Probleme mit dem Anker, die Aufzeichnung seiner Bewegung lässt naheliegen, daß der Anker nicht hält und er sich bewegt. Also zieht Jochen sich wieder Regenfest an und die beiden ankern nun nochmals komplett um und verlegen sein Schiff auf einen ganz anderen Platz, bis sicher ist, daß der Anker nun auch wirklich hält.

Hier (nochmals?) für die Laien eine kleine Erklärung, wie das mit dem Ankern so läuft bzw. wie wir es handhaben:

Jochen fährt langsam die Stelle ab, an der wir ankern möchten und beobachtet dabei den Tiefenmesser. Wir brauchen einen gewissen Radius um das Schiff mit genügend Tiefe, da sich das Schiff ja im Regelfall mit dem Wind um den Anker herum bewegt („schwojen“). Hat er eine Stelle gefunden, die ihm zusagt, ruft er mir zu „Anker ab“. Wir ankern gerne in einer Tiefe von 5 – 10 Metern, was leider nicht immer möglich ist. Ich lasse den Anker dann fallen und gebe entsprechend der Bedingungen Kette aus. (alle 10 Meter ist eine farbliche Markierung an der Kette, damit man weiß, wieviele Meter draußen sind). Ist unsere Wunschlänge ausgebracht, fährt Jochen langsam rückwarts, bis die Kette auf Zug kommt. Dies beobachte ich bzw. lege meine Hand auf die Kette. So kann ich auch fühlen, ob der Anker über den Grund „ruckelt“ oder greift. Kommt die Kette auf Zug, gebe ich Jochen die Info und er gibt dann rückwärts mehr Gas. Bleibt die Kette auf Zug und nichts ruckelt – das sehe ich, indem die Kette aus dem Wasser in flacherem Winkel kommt – hält der Anker. Wir hängen dann noch eine sogenannte Ankerkralle ein, damit nicht die ganze Kraft der Kette auf der elektrischen Ankerwinsch und dem Bugbeschlag hängt um diese evtl. zu beschädigt. Die Ankerkralle hängen wir in die Kette ein und belegen die Leinen, an die jene hängt, auf den starken Klampen, so nehmen diese den Zug auf.

Hier in den Caletas machen wir das auch so, aber nach dem Ankern werden noch zusätzliche Leinen an Land, an Bäumen oder Felsen ausgebracht, da hier meistens kein Platz zum schwojen ist und das Boot in seiner Lage fixiert sein muß.

So nun sind wir beide sicher vor Anker und verbringen unsere Zeit im warmen Schiff, da es jetzt sehr ungemütlich kalt mit Schneeregen ist. Die Schneefallgrenze ist nur noch wenige Meter über dem Meeresniveau, wahrscheinlich könnten wir auf unserer Mastspitze schon einen Schneemann bauen 😊. Jochen fängt das reparieren an und ich kümmere mich um andere Kleinigkeiten.

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Aufbruchstimmung

Nach über 2 Wochen Wartezeit ist unser Krümmer endlich eingetroffen. Und beim Öffnen des Paketes dann das Staunen, das ist nicht unser alter Krümmer. Wir halten einen einwandigen Nachbau aus Edelstahl in den Händen. Dieser löst das Hitzeproblem ja nun nicht wirklich. Jochen hat dann nochmals beim Mechaniker nachgefragt, der zwischenzeitlich selbst nach Puntas Arenas geflogen ist, um unser vermisstes Paket wieder aufzutreiben. Er bringt uns unseren alten Krümmer auf jeden Fall wieder mit.

Bootsnachbar Heinz hat noch etwas Hitzeband an Bord, das er uns überlässt, so daß wenigstens etwas Hitzeabstrahlung vom Krümmer absorbiert wird. Jetzt muß sich halt mal zeigen, wie das Ganze in der Praxis unter Belastung ist. Bei einer kurzen Testfahrt im Hafenbereich war es noch in Ordnung, bei höherer Drehzahl wurde jedoch ordentlich Wärme abgestrahlt.

Aufgrund dieser langen Verzögerung und Wartezeit ist inzwischen auch wieder die Crew der Anixi von Ihrer erfolgreichen Kap-Horn-Umrundung zurückgekommen. So ist die deutsche Gemeinde hier wieder vereint. Wir planen nun unsere Abfahrt in die Kanäle, Lars muß wieder nach Buenos Aires zurück und bucht seine Fähre nach Ushuaia und seinen Flug und die Anixi wird auch in etwa 1 -2 Wochen Chile in Richtung Falkland-Inseln verlassen.

Wir lassen jedoch keine Gelegenheit aus, uns noch zu treffen und Zeit gemeinsam zu verbringen. Unser tägliches Ritual aus dem Cafebesuch mit Kaffee und Torte bauen wir natürlich entsprechend mit ein.

immer wieder lecker

So haben wir nochmals eine Wanderung um die Lagune unternommen. Das Wetter hat sich zwischenzeitlich leider etwas verschlechtert, die Bergkuppen werden nachts gerne gezuckert und wir haben mehr Regen. Unsere Wanderung war zum Glück trocken, aber ziemlich windig. Doch gut, daß wir noch so geschützt hier versteckt liegen.

Am letzten Abend von Lars sind wir alle nochmals gemeinsam zum Essen gegangen und haben auch extra einen Tisch reserviert, da wir ja jetzt mit 7 Leuten unterwegs sind. Dumm nur, daß das am Valentinstag war und hier dieser wohl wichtiger ist, als bei uns. So hatte das ausgesuchte Restaurant (von 3 Stück am Ort) ein Valentinsmenü und wollte uns eigentlich erst einen Tisch ab 9 Uhr geben, wenn das Menü vorbei ist. Auf unsere Reaktion hin, daß uns das zu spät ist, erhielten wir dann doch um 20.15 Uhr einen Tisch. Wir saßen dann auch dort und der Kellner wollte uns das Valentinsmenü bringen, das wir aber nicht wollten und auch vorher so kommuniziert hatten. Ab da wurden wir dann „übersehen“. Es wurden erst mal die Tische bedient, die wohl das Menü vorbestellt hatten. Nachdem wir dann nach etwa 20 Minuten doch mal gebeten haben, daß wir gerne bestellen würden (zumindest mal Getränke) und wieder nichts passiert ist, sind wir, nach weiteren 10 Minuten, dann aufgestanden und haben die Lokalität gewechselt.

Es war dann zwar auch schon 9 Uhr und die nächsten Kneipen auch proppenvoll, aber für uns wurde ein Tisch freigeräumt und wir haben etwas zu essen und trinken bekommen. OK, das Essen war vor den Getränken da…. wir wollen mal nicht meckern.

Zum Abschluss des Abends sind wir noch in die örtliche „Disco“ – eine Kneipe mit Musik und Karaoke. Was noch ein Absackerbier werden sollte, waren dann eine Runde Shots und mehrere Biere, aber so lustig. Der erste Lacher war schon das bestellte Cola von Jochen. Die erste „Flasche“ hatte ein Volumen von 250 ml. Die Nachbestellung war dann eine Dose mit sage und schreibe 220 ml. Das ist ja quasi ein Shot für Jochen.

Wir haben auch versucht, unseren Beitrag in dieser chilenischen Karaokebar zu leisten und haben deutsches Liedgut von den Toten Hosen und Udo Jürgens ausgewählt. Unser britischer Seglerfreund Steve hatte sich für La Bamba entschieden. Was eine Show – wenn man nicht singen kann, muß man entertainern. Ich bin sicher, daß jetzt jeder in PW unseren Steve kennt. Gegen 3 Uhr sind wir dann doch mal aufgebrochen. Lars sollte uns um 8 Uhr verlassen, um zu seiner Fähre zu kommen; also hieß es für uns ja zeitig aufstehen.

Wir sind dann auch um 7 Uhr aus den Federn gekrabbelt und haben Lars noch ein Frühstück gemacht und verabschiedet, der im strömenden Regen losziehen musste, um zum Bus zu laufen; wir sind gleich wieder ins Bett gegangen. Es dauert keine 10 Minuten und es kam wieder eine Nachricht von Lars, daß die Fähre aufgrund des starken Windes gestrichen wurde und er wieder zurückkommt. Wir steigen jetzt nicht mehr auf – Du kennst Dich ja aus. Kurze Zeit später Geräusche am Boot: Lars ist wieder da, packt seinen Schlafsack wieder aus und legt sich auch wieder in seine Koje. So – nun sind wir wieder komplett, noch einmal.

Wir wollten eigentlich am nächsten Tag aufbrechen, doch auf Ulf’s Wunsch hin verlegen wir die Abfahrt auf Montag morgen. So können wir Lars noch Asyl bis dahin gewähren, denn auch er wird dann definitiv am Montag auf die Fähre steigen. So haben wir noch einen letzten gemeinsamen Abend der Gang, der dann bei Pizza und einer weiteren Runde „Brändi Dog“ auf der JOSA sein Ende nimmt.

Auch wenn wir uns schon das ein oder andere mal verabschiedet haben, leicht fällt dieser auch wieder nicht.

Und für uns heißt es jetzt endlich: „auf in die Kanäle“ mit seinen Gletschern und einsamen Caleta’s.

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Back in Puerto Williams

Nun sind wir wieder da; und zu unserem Bedauern immer noch – seit über 2 Wochen. Warum?

Beim Check des Motors nach der Ankunft bzw. bei der Vorbereitung für die Weiterfahrt hat Jochen festgestellt, daß unser Krümmer (Auspuffrohr am Motor) total verfärbt ist, was auf zu große Hitze hindeutet. Das will er natürlich nicht so stehen lassen.

Nach mehreren Telefonaten und Hin- und Herüberlegerei, ob das denn mit der Reparatur der Injektoren zusammenhängen kann, wurde dann wieder der Mechaniker angerufen. Dieser hatte auch gleich eine Idee – nur das konnten wir wieder nicht verstehen. Er spricht so undeutlich und wirr und seine schriftlichen Nachrichten in WhatsApp sind leider auch nicht zu verstehen, da er leider sehr viele Schreibfehler macht und selbst unsere einheimischen Bekannten hier nur die Schultern zucken.

Aber irgendwann war dann klar, was er meinte und das war auch wirklich der Fehler. Im Krümmer ist noch ein inneres Rohr. Im inneren Rohr werden die Abgase ausgeblasen, im äußeren läuft das Wasser zur Kühlung vorbei. Und eben das innere Rohr war gebrochen, so daß das Wasser direkt mit den Abgasen ausgeblasen wurde und nicht mehr gekühlt hat.

Also wieder – ausbauen und nach Puntas Arenas zur Reparatur schicken. Das Ganze soll etwa 5 Tage dauern. Ist ja in Ordnung. Sind wir halt noch eine Woche hier. Ulf beschließt, auf uns zu warten und nicht alleine loszufahren. Gemeinsam ist halt doch schöner.

Leider zieht sich alles wieder. Am Samstag wurde das Teil ausgebaut. Die Werkstatt sollte es am Montag haben, würde 3 Tage dauern und sofort wieder in den Flieger packen. Am Dienstag kam der Mechaniker dann schon, „Teil ist fertig“. Also Geld auf den Tisch – Juhu, dann haben wir es ja vielleicht schon Donnerstag oder Freitag. Ja, denkste. Es gab wieder viele Nachrichten hin und her, Telefonate und Missverständnisse. Leider hat der Mechaniker nie gesagt, was wirklich das Problem ist und immer wieder Manana, also morgen gesagt. Schlußendlich war es dann so, daß unsere Bootsnachbarin Jeanette ihn angerufen hat und etwas massiver nachfragte und auch täglich nachtelefoniert. Das „Problem“ war, daß die Werkstatt in Puntas Arenas nicht unser Teil hierher zurückgeschickt hat, sondern irgend etwas anderes und wohl auch nicht sofort das richtige Teil hinterherschickte. Nun warten wir auf die Info, daß es jetzt endlich wirklich losgeschickt wird, damit wir es dann 2 Tage später in den Händen halten können. So sind aus idealen 5 Tagen mal eben wieder 16 Tage geworden, ob diese langen ist im Moment noch offen, täglich eine neue Geschichte das es morgen kommt.

Von unseren Freunden der Salto haben wir inzwischen erfahren, daß sie weiter westlich im Beagle-Kanal ziemlich schlechtes Wetter haben mit Kälte, Regen und Nebel, so daß sie gerade mal die Enden ihrer Landleinen sehen können – von wegen Ausblicke auf die Gletscher! Das ist so der Moment, wo wir denken, „dann doch lieber hier bei schönem Wetter“. Auch Ulf ist dieser Meinung und wartet weiter mit uns, obwohl er zwischenzeitlich schon ankündigte, daß er uns verlässt 😊

Wir machen das Beste daraus und gönnen uns hier dann fast täglich unsere Kaffee mit leckerer Torte und haben auch noch eine Wanderung bei bestem Wanderwetter unternommen.  Ziel diesmal war der Cerro Carancho mit einer Länge von etwa 16 km und 900 Höhenmetern. Und jetzt wissen wir, wie die Chilenen gedenken, einen Berg zu erwandern. Sind wir es doch gewohnt, daß es immer irgendwie in Serpentinen leicht bergan geht. Nein!!! Der Chilene geht den direkten Weg nach oben. Im Wald fast senkrecht nach oben Mithilfe gespannter Seile. Eine kraftraubende Angelegenheit.

Ich musste schon im Tal feststellen, daß mir das Gehen heute extrem schwerfällt und ich kaum die Knie heben kann. Daher kapitulierte ich zwischenzeitlich und sage den Männern, geht alleine weiter, ich komme langsam nach. Ich habe mich dann noch bis zum ersten „Teilgipfel“ bei ca. 600hm durchgekämpft, aber ab da ging es dann nur noch über losen Schotter am Grat entlang, was ich ja sowieso nicht mag und alleine schon mal gleich gar nicht. Daher bin ich langsam zurückgegangen. Jochen und Ulf sind dann bis auf den Gipfel bei 891 Metern gegangen und meinten, daß es noch sehr schwer gewesen ist. Aber die Aussicht war atemberaubend, bis auf die Inselgruppe um Kap Horn konnten man schauen.

So eine Tour muß natürlich belohnt werden und wir sind rückwärts im FioFio Hotel vorbeigegangen, haben uns eine leckeres Hühnchensandwich gegönnt und als Nachtisch eine leckere Torte. Also – das können sie hier wirklich! Meist für unseren Geschmack etwas zu süß, aber sonst lecker. Und die Stücke sind groß genug, um auch Jochen glücklich zu machen.

Belohnung und / oder Schadenersatz

Nun sitzen wir hier im Cockpit, hören den Regentropfen zu, die wir heute hier mal haben und harren der Dinge und warten auf die Nachricht unseres Mechanikers.

Außerdem kam die Nachricht von der Crew der Anixi, daß sie gestern Kap Horn umrundet haben, Glückwunsch von uns. Mit an Bord befindet sich kurzerhand auch Lars, unser Freund aus Buenos Aires. Dieser hatte ja einen Segeltrip in die Antarktis gebucht, der dann kurzfristig wegen technischer Probleme abgesagt werden musste (nicht nur bei uns gibt es Probleme). Aber auch das zeigt, daß man als Segler immer flexibel sein muss und die Segelgemeinschaft zusammenhält. So kommt er zwar nicht in den Genuss der Antarktis, dafür aber eine Runde um das legendäre Kap, ein schönes Trostpflaster, wie wir finden.

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Cabo Hornos oder Kap Horn oder Kap Hoorn

Wir haben ein Wetterfenster gefunden!!!

Wir brauchen gut 3 Tage vernünftige Bedingungen, um unser Erlebnis Kap Horn starten zu können. Diese haben wir nun. Unser Plan:

Am Vortag fahren wir los, um zunächst bis Puerto Toro auf der Ostseite der Isla Navarino zu kommen, das sind ca. 25 Seemeilen, die die Anreise verkürzen. An Tag 1 soll es mit ca. 50 sm bis zur Isla Herschel gehen, von wo aus es an Tag 2 nur noch ein Katzensprung rüber zum Kap ist. Dann wieder zurück und schauen, wie sich das Wetter entwickelt, wo wir unterschlüpfen können und schließlich am 3. Tag zurück nach Puerto Williams. So der Plan!

Und es funktioniert!!! Der Wettergott und Neptun sind uns wirklich wohl gesonnen. Los geht es am Sonntag gegen 15 Uhr unter großem Abschiedsschmerz von den gewonnenen Freunden im Hafen von Puerto Williams. Einige werden nicht mehr da sein, wenn wir wieder zurückkommen.

Es fängt aber im Beagle wieder an wie immer….mit doofer Welle, aber Rückenwind. So kommen wir gut voran und erreichen am frühen Abend Puerto Toro, die südlichste Siedlung der Welt mit etwa 20 Einwohnern. Dort können wir am Holzpier festmachen. Nach der Anmeldung beim Offiziellen stelle ich dann die kurze Frage, ob denn jemand am Steg zum Helfen ist. – keine Antwort ist auch eine Antwort. Also fahren wir längsseits an die Pier, ich werfe die Heckleine über den Poller und schon driften wir im Wind weg. Jochen fährt rückwärts mit dem Heck auf die Pier zu – bedacht, hier stehen überall große Schrauben der nicht mehr vorhandenen Holzpfähle über. Jochen fährt bis auf wenige Centimeter an das Pier heran, ich schaffe es irgendwie, auf die Pier zu kommen und ziehe das Boot über die Mittelklampe an die Pier heran. So, erst mal grob fest – da kommt auch schon Ulf und wirft mir seine Leine zu.

Kein schönes Pier für Segelboote. Ein fester Holzsteg mit großen LKW-Reifen als Fender. Diese hinterlassen aber böse schwarze Streifen auf Booten, also schauen, daß wir da unsere Fender irgendwie dazwischen kriegen. Langt so für eine Nacht.

Da es schon nach 8 Uhr abends ist, marschieren wir noch schnell mal in den „Ort“ um diesen zu besichtigen. Es gibt eine kleine Kapelle, einen gaanz kleinen Laden und einige Häuschen. Alle Gehwege sind als Holzstege angelegt, hier ist wohl auch eine Schule, denn am nächsten Morgen kommt die kleine Fähre und es steigen einige Schulkinder aus. Schnell ein paar schöne Fotos machen und ab aufs Boot, essen machen und ins Bettchen gehen. Morgen geht es früh raus. Wir wollen ja 50 sm schaffen.

Auch dieser Tag passt. Wir kommen gut voran anfangs noch unter Segel, die meiste Zeit aber doch unter Motor, da der Wind nachlässt und dann auch genau gegenan ist. Dafür haben wir am Anfang aber noch eine unangenehme Welle stehen, die uns etwas durchschüttelt. – wobei es uns besser geht als Ulf, der sein deutlich kleineres Boot alleine durch die Wellen steuern muß. Diesmal erreichen wir gegen 19 Uhr die ausgesuchte Ankerbucht auf der Isla Herschel und liegen hier schön ruhig bei inzwischen spiegelglatter See und null Wind. So haben wir das bestellt für Kap Horn!

auf der Windabgewandten Seite wachsen am Ufer noch Bäume
spiegelglattes Meer in der Bucht

Nach kurzer Beratschlagung legen wir fest, am nächsten Morgen zeitig um 7 Uhr loszusegeln. Wir wollen Kap Horn machen und wieder komplett zurücksegeln bis zur Isla Lennox, da am darauffolgenden Tag Wind aus Nord angesagt ist, was bedeuten würde, daß wir komplett gegen den Wind fahren/ motoren müssten. Also schauen, so weit nördlich zu kommen wie es geht und dann „nur“ noch den Beagle-Kanal im Halbwind befahren.

Um kurz vor 6 Uhr klingelt der Wecker, nichts wie raus – Kap Horn ruft. Und wenn Engel reisen – wie bestellt. Wir haben keinen Wind und spiegelglatte See und fahren unter Motor zum berüchtigten Felsen. Auf dem Weg dahin sehen wir auch immer wieder Walblas um uns herum, in Bootsnähe kommt leider keiner. Dann ist auch die Insel schon zu sehen, ein kurzer Funkruf an den „Alcamar Hornos“ und er bestätigt uns: „Ankern ist möglich, für das Anlanden sind beste Bedingungen, das Wetter ist beständig“ „Bienvenidos“.

Kap Horn kommt in Sicht

So haben wir den Anker in der Bucht auf 20 mtr Wassertiefe geworfen und sind mit unserem Dinghi zu Dritt an Land gerudert!  Neben uns ist noch ein weiteres Segelboot angekommen; diese sind aber direkt aus der Antarktis gekommen und nutzen auch das tolle Wetter, um Kap Horn einen Besuch abzustatten. Wie oft hörten wir „ist ja auch nur ein Fels/ Insel“. – Das ist korrekt. Aber was für ein Fels!

3 Segelboote vor Kap Horn

Zunächst geht es zum Monumento de Hornos – dem Albatros aus Stahlteilen dargestellt. Mit einem tollen Rundumblick über die Insel bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und angenehmer Temperatur. Dann auf zum Leuchtturm. Hier wurden wir gleich freundlich von der Frau des Wärters begrüßt. Natürlich tragen wir uns in das Gästebuch ein (wir haben vorsorglich unseren Bootsstempel mitgebracht und hinterlassen unsere Schildkröte) und sich selbst die Kap-Horn-Stempel in den Reisepass und das Logbuch geben lassen. Wir kaufen ja grundsätzlich keine Souvenirs, aber hier lassen wir es uns nicht nehmen, auch ein Andenken mitzunehmen.

Wir haben es geschafft und noch viel besser: es war gerade auch kein Kreuzfahrtschiff da, daß die Insel mit Touris überschwemmt. Der Leuchtturmwärter hat uns dann auf Jochens Nachfrage mitgeteilt, daß so ein Tag wie heute vielleicht 10 mal im Jahr vorkommt. Wie viele Segler haben schon versucht, hierherzukommen und mußten nach mehrtägigem Ausharren in einer Ankerbucht wieder unverrichteter Dinge umdrehen, weil Ihre zur Verfügung stehende Zeit ablief oder die Bedingungen sich dermaßen verschlechterten. Wir hatten das Glück, innerhalb kürzester Zeit ein wirklich geniales Wetterfenster zu erwischen.

Eine Umrundung des Kaps haben wir zeitlich leider nicht mehr geschafft, wir wollen bis heute Abend noch zur Isla Lennox zurücksein, bevor das Wetter umschlägt. Aber wir sind dennoch die zwei Seemeilen bis auf den 56. Breitengrad gefahen, haben dort unseren Schluck Whiskey genommen und natürlich auch Neptun als Dank etwas gegönnt. Wir sind dankbar und glücklich diesen Ort, an dem der Atlantik und der Pazifik zusammentreffen und um den es viele Geschichten, Tragödien, Sagen und Mythen gibt; unter solch guten Bedingungen besucht zu haben. Nicht alle hatten solches Glück, hier sollen um die 800 Schiffswracks auf dem Meeresgrund liegen.

Den Weg zur Isla Lennox können wir dann bei schönstem Segelwetter und einem gemütlichen Halbwind segelnd zurücklegen und dabei ganz entspannt diese Zeilen schreiben. Das hätten wir so im Südatlantik nie erwartet. Auch hatten wir heute das große Vergnügen zunächst springende Seelöwen neben dem Boot zu haben und später dann auch noch Delfine. Was für ein Tag!!!!!

Auch auf der Insel Lennox liegen wir gut geschützt in einer Bucht. Lediglich gegen morgen fängt das Boot im auflaufenden Schwell an, hin und her zu rollen. Gegen 9 Uhr heben wir die Anker und machen uns auf Richtung PW. Leider ging das fast den ganzen Tag nur unter Motor, da der Wind leider nicht aus dem günstigen Winkel kam, wie vorhergesagt sondern fast meist von vorne. Mehrfach haben wir die Genua aus- und wieder eingerollt und versucht, unter Segel vorwärts zu kommen. Lediglich die letzten 5 Seemeilen vor PW kam der Wind ordentlich auf und ließ ein Segeln zu. Dafür hatten wir im Beagle wieder eine große Delfinschule um das Boot herum und auch ein Wal hat seinen Blas gezeigt.

Und mehrfach wurden wir von der Navy und den Funkstellen angerufen und abgefragt, wo wir hinwollen und wieviele Personen an Bord sind und was die ETA, die Ankunftszeit ist. Das ist in Chile aber so üblich, daß jede Funkstelle seinen Bereich monitort und die Boote anfunkt und abfragt. Auch sollen wir täglich um 20 Uhr unsere aktuelle Position an die nächstgelegene Funkstelle mitteilen. Diese kommunizieren miteinander und so wissen die Zielhäfen bzw. „Ankerbereiche“ schon, daß da ein Boot kommen sollte. Der Leuchtturmwärter auf Kap Horn hatte uns dies auch gefragt und gesagt, wenn wir dann wegsegeln, schreibt er das nach PW, damit die dort Bescheid wissen. Wenn man dann die Ankunftzeit überschreitet, wird man gerne man angefunkt, wo man denn sei. Dies dient hier aber alles unserer Sicherheit und wir finden es auch gut so.

Gegen 16 Uhr sind wir dann wieder wohlbehalten in PW an der Micalvi angekommen und liegen fest und unser Abenteuer Kap Horn – Haken dran.

Nun schlafen wir erst einmal aus, verproviantieren uns und sehen, daß wir in den nächsten Tagen mit passendem Wind Richtung Westen starten können.

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