Monat: Mai 2025

Und täglich grüßt das Murmeltier

Die etwas ältere Generation kennt den Filmklassiker von 1993 mit Bill Murray in der Hauptrolle, wir fühlen uns fast schon genauso. Seit dem Verlassen von Puerto Williams führen wir den täglichen Kampf gegen die Feuchtigkeit im Schiff, die sich überall bildet, trotz der guten Isolierung unserer Dicken. So beginnt der Tag damit, erst einmal alle Luken und Fenster mit einem Lappen trocken zu legen, ebenso tagsüber und genauso endet der Tag auch. Bevor es in die Koje geht: wischen. War es zu Beginn der Reise Richtung Norden noch recht einfach – man konnte fast jeden Tag auch mal ordentlich lüften – ist es mittlerweile schon fast ein Kampf geworden. Der viele Dauerregen macht ein Lüften kaum möglich, es wird aber jede noch so kleine Möglichkeit genutzt, genau dies zu tun. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit aber ein Kampf gegen Windmühlen, der aber weitergekämpft werden muss. So freuen wir uns auf eine Marina mit Landstrom, so daß unser Luftentfeuchter seinen Dienst verrichten kann. Im Moment geht das nur kurz und sporadisch, wenn genug Strom in den Batterien vorhanden ist, Solarstrom gibt es halt auch fast keinen.

Der nächste Kampf gilt unserem Motor, er läuft zwar noch, aber das ist jetzt mal nicht das Gelbe vom Ei. Die Hoffnung, daß es „nur“ an den Einspritzdüsen liegt, wurde in Puerto Aguirre ja zerschlagen. Alles was ich unterwegs überprüfen und machen kann, ist gemacht. Der erste Kontakt zu einem Mechaniker in Puerto Montt ist hergestellt; der muss es wohl richten, hoffentlich. Bis dahin muss er noch, zumindest halbwegs, funktionieren. So genug der Jammerei, weiter geht´s mit der Reise.

Von Puerto Aguirre aus wollten wir eigentlich die Inseln an der Westküste „abklappern“. Doch wie immer kommt uns das Wetter in die Quere. Es zieht wieder ein Tiefdruckgebiet heran, das uns einige Tage „bewinden“ sollte. Und da das Wetter aus Westen über die Inseln heranzieht, fühlen wir uns in den Kanälen des Festlandes etwas sicherer. Also entscheiden wir uns, daß wir nach Norden an der Festlandküste hochziehen werden, bevor wir auf die große Insel Chiloe übersetzen werden, die hier auch ein „To-Do“ ist.

Unser erster Schlag fällt daher etwas länger aus, da die nächste passende Ankerbucht, die Caleta Reunion auf der Südseite der Isla Magdalena liegt, einer großen Insel direkt vor dem Festland. Es läuft gut, wir können auch wieder einmal die Segel setzen und zu unserer großen Freude sehen wir etliche Buckelwale. Wir machen einen Abstecher und drehen auch ein paar Kringel, um diesen eleganten Kolossen zuzusehen. Einfach immer wieder faszinierend und atemberaubend, man kann sich hier nicht sattsehen.

In der Caleta Reunion verbringen wir einige Tage vor Anker und Landleinen, bis sich das Wetter etwas beruhigt und können hier auch mit dem Dinghi den Flußlauf etwas hinauffahren und die Natur bestaunen. Dann brechen wir auf, um auf die Nordseite der Insel zu wechseln; eine Strecke von 50 Seemeilen liegt vor uns. Unser Ziel ist die kleine Caleta 13 de Diciembre. Auch hierher können wir wieder segeln, verlieren aber durch die nötigen Kreuzschläge ziemlich viel Zeit, so daß wir mit unserer JOSA erst in der Dämmerung ankommen. Diesmal war Ulf vor uns da, er hat sich das Segeln erspart und ist unter Maschine auf direktem Kurs gefahren, da sein Boot nicht so hoch am Wind fahren kann und er durch das Kreuzen noch viel mehr Zeit verloren hätte als wir. Er hilft uns bei Ankunft noch schnell, die Landleinen auszubringen, solange noch etwas Licht vorhanden ist. Im Stockdunkeln an einer Felswand hochkraxeln, um einen Baum zu erreichen, ist nicht so prickelnd.

Aber diese kleine Bucht ist wunderschön. Jochen ist am nächsten Tag in einer Regenpause mit Fred losgezogen und hat die gesamte Bucht vor unserer Minicaleta abgerudert. Eine traumhaft schöne Bucht mit vielen kleinen Inselchen. Entsprechend natürlich auch die Tierwelt. Diese Zeit habe ich genutzt, um einen Kuchen zu backen. Schließlich hat unsere Nachbarin zu Hause ja heute Geburtstag und das ist bekanntlich „Kuchentag“! Bei uns ist zwar keine Auswahl vorhanden, aber immerhin haben wir einen.

Tags darauf ging es in Richtung Puerto Santo Domingo im Canal Refugio. Dieser Kanal soll wunderschön sein und der Ankerplatz befindet sich in einer weitläufigen Bucht mit zwei bewohnten Häusern. Eines davon ist von einer deutschen Aussteigerin mit ihren Kindern bewohnt. Sie wollen wir unbedingt besuchen, hat uns doch Martin von ihr erzählt und wie nett es da wäre. Leider sahen wir vom Canal Refugio nicht wirklich viel. Wir haben hier an der Festlandseite zwar den Vorteil, daß der Wind schon abgebremst wurde und durch die vorgelagerten Inseln nicht so stark ankommt, aber leider hängen sich halt die Regenwolken hier an den Bergen fest und es ist permanent am Regnen. Entsprechend ist auch die Sicht. Hinter den vielen Wolken befindet sich ein wunderschöner Vulkan – den wir leider überhaupt nicht zu Gesicht bekommen haben.

Als wir in der Bucht ankommen, liegen da auch einige Boote. Wir vermuteten Fischerboote und sind guten Mutes einmal rübergefahren und haben nach Fisch gefragt. Nein, Fisch hat er nicht. Sie sind Arbeitsboote. Na gut, dann halt kurz die Beine an Land vertreten bevor es dunkel wird, es regnet ja gerade mal 10 Minuten nicht.

Unser ursprünglicher Plan war noch die Insel „Tictoc“ auf der Festlandseite anzufahren, da diese eine tolle Tierwelt bieten soll. Doch leider zeigt die Wettervorhersage wieder einmal etwas anderes. Nach Tictoc wollten wir nach Chiloe übersetzen; hierfür queren wir den Golfo de Corcovado, der durch den Boca Del Guafo mit dem Pazifik verbunden ist. Eine sehr breite Öffnung zwischen den Inseln. Und hier rollt die Welle ordentlich rein, wenn draußen entsprechende Winde herrschen. Lediglich für den Sonntag ist ruhiges Wetter mit nur kleiner Dünung angesagt. Sollten wir diesen Tag nicht nutzen, sitzen wir mindestens eine weitere Woche hier fest. Also beschließen wir, daß wir gleich morgen früh, dem Samstag zeitig aufbrechen und in 20 sm Tictoc ansteuern, um dann am Tag darauf nach Chiloe aufzubrechen. In der Hoffnung, daß wir dann wenigstens den Rest des Tages noch etwas von Tictoc sehen können, wenn wir hier schon nicht an Land können, um Bekanntschaft zu machen.

Also hieß es für uns, morgens um 7.30 Uhr im Stockdunkeln den Anker zu lichten und Richtung Norden aufzubrechen. In unserer Bucht ist von Wind und Welle nichts zu spüren und wir fahren in die Dämmerung, die wieder von Wolken, Nebel und Regen geprägt ist. Uns war klar, daß uns etwas Welle entgegenschlagen wird, wenn wir aus dem geschützten Kanal Refugio hinausfahren und daß uns Wind von vorne erwartet, gegen den wir anfahren müssen. Aber für 20 sm sollte das gehen…. Naja, ging es nicht. Nachdem wir uns es einige Zeit angetan hatten, gegen die Welle anzufahren und der Wind auch schon früher und stärker zulegte als vorhergesagt, haben wir uns entschieden: „umdrehen“. Also ging es wieder zurück nach Puerto Santo Domingo. Dann fahren wir morgen früh direkt nach Chiloe los.

Nachdem der Regen am Mittag eine Pause eingelegt hat, haben wir Fred geschnappt und sind an Land zu den Häusern gefahren. Begrüßt wurden wir gleich von mehreren bellenden Hunden und uns kam dann auch gleich Veronika entgegen. Wir haben uns dann als Deutsche geoutet und gestanden, daß wir sie aufgrund Martin’s Erzählungen unbedingt besuchen wollten. Sie hat sich sehr gefreut und uns eingeladen, sie in ihrem Haus zu besuchen. Wir sollten uns vorher aber unbedingt bei dem Besitzer des Grundstückes anmelden und um Erlaubnis bitten, hier an Land zu gehen. Da er im Haus nebenan wohnt, sind wir mit Veronikas jüngstem Sohn als Übersetzer hinübermarschiert und wollten kurz Hallo sagen. Naja – kurz.

Er hat uns gleich eingeladen zu sich ins Haus und wir saßen dann dort gemütlich zusammen. Veronika kam dann auch noch herüber und so haben wir einiges über den Besitzer und die Gegend erfahren. Das Land hier in der gesamten Bucht gehört ihm, sogar der Strand ist in Privatbesitz. Dies ist nicht üblich in Chile, er ist der einzige Besitzer von Strand. Normalerweise endet der private Besitz vor dem Strand und der Strand ist öffentlich. Hinter seinem Land fängt gleich der Nationalpark an, ebenso die vorgelagerte Insel ist Nationalpark und auch der Küstenabschnitt gegenüber ist geschützter Bereich. Da darf weder getaucht noch gefischt werden. Dies interressiert die Salmoneras-Besitzer aber nicht. Sie bauen dort ihre Lachsfarm auf – weil einfach nicht kontrolliert wird. Daher auch die diversen Arbeitsschiffe, die vor Anker liegen. Das sind Arbeiter, die auf den Salmoneras arbeiten. Und die Häuser, die hier stehen waren früher die Unterkünfte für die Taucher, die auf den Salmoneras gearbeitet haben. Er hat diesen Landabschnitt vom Staat gekauft und baut sich die Häuser nun seinen Wünschen entsprechend aus und um, um hier ein einfaches Leben ab von Städten und Menschen zu führen. Und Veronika darf einen Teil davon nutzen und hilft dabei, das Land zu bewirtschaften und herzurichten. Für den morgigen Tag z.B. steht die Schlachtung eines Stieres an. Da hier früher die Arbeiter gewohnt haben, haben sie noch den Luxus, daß zweimal in der Woche eine Fähre vorbeikommt und hier auch anlandet, wenn dies gewünscht oder benötigt wird.

Gerne wären wir hier noch einige Tage geblieben und hätten etwas mitgeholfen, nur um von diesem einfachen Leben etwas mehr zu erfahren. Doch leider müssen wir uns wieder verabschieden, um am nächsten Morgen wieder zeitig aufzubrechen. In den Genuß, das Haus von Veronika zu sehen, kamen wir natürlich auch nicht mehr….

Am Sonntag hieß es dann wirklich zeitig um 7 Uhr „Anker auf“. Es liegt ein weiter Weg vor uns. Und es war wie vorhergesagt ein schöner Tag mit Sonnenschein, blauem Himmel und Sicht auf die hinter uns liegenden Berg- und Vulkangipfel. Endlich sieht man mal was!!! Die Dünung war noch angenehm und kurzzeitig war auch reines Segeln möglich. Doch leider war der Wind etwas zu schwach auf der Brust, damit die Segel in der Dünung wirklich gut stehen und nicht das Schlagen anfangen. Daher war es ein mehrfaches Segel setzen und Motor an und aus. Nach 58 Seemeilen und 10,5 Stunden Fahrt hieß es dann „Anker ab“ in Puerto Quellon auf Chiloe.

Anker ist gefallen in Quellon mit Blick auf die Anden – hier der Vulkan Corcovado

Mit Ankunft in Chiloe hat sich das Landschaftsbild auch komplett geändert: von der unberührten Natur und den Berggipfeln, die von den rauhen Naturgewalten gekennzeichnet sind, hin zu einer weichen Hügellandschaft. Erhöhungen, die kaum über die 200 Höhenmeter reichen, alles Grün, alles bewaldet mit Wiesen dazwischen, hier und da stehen immer wieder Häuser oder kleinere Siedlungen. Man merkt einfach direkt, daß hier wieder mehr Menschen leben, weil wohl auch einfacher als der unzugänglichen Natur der Bergwelt etwas abzuringen…

Quellon, ein 13000-Einwohner-Ort, der vom Fischfang lebt. Entsprechend viele Fischerboote liegen im Hafen und wir verziehen uns ganz ans Ende der Bucht, um nicht permanent von vorbeifahrenden Booten durchgeschaukelt zu werden. So ist der Weg mit Fred zum Pier zwar länger, aber vor Anker viel angenehmer. Unsere direkten Nachbarn sind ein paar Seelöwen, die auf einer kleinen Plattform liegen. Von Ulf kam dann auch noch die Frage, ob wir denn noch mal an Land gehen werden, er würde natürlich nach so einem langen Tag und wenn wir schon in einer Stadt sind, gerne zum Essen gehen. Na klar, also Fred gesattelt und an die Pier gefahren. Hier sind die Fischer alle mit dem Abladen ihrer Boote beschäftigt und wir legen uns neben die ganzen kleinen Ruderbooten, mit denen die Fischer zu ihren großen Booten an den Bojen fahren, an den Pier.

Ein erster Marsch durch die Stadt zur Orientierung und schon geht die Restaurantsuche los. Wir haben uns für heute eigentlich eine Pizza eingebildet und so haben wir ein junges Pärchen nach einer Pizzeria gefragt. Ihre Empfehlung hat leider in dem Moment geschlossen, als wir dort ankamen. Also retour zu einem anderen Restaurant, an dem wir vorbeigelaufen sind und die auch Pizza auf der Karte hatten. Vorhin war der Laden leer, nun ist er leider komplett besetzt. Anscheinend gehen hier alle Fischer und Arbeiter nach ihrem Tagwerk zum Essen. Also auf zum nächsten Laden genau gegenüber. Die Karte gab jetzt nicht wirklich viel her, was uns etwas gesagt hätte. Auf die Nachfrage bei der Kellnerin, um was es sich denn da handelt, kam dann die (wir denken) Chefin mit einem Handyvideo, um uns das Essen zu zeigen. Wir orderten dann diese „Tabla del Mar“ und waren begeistert. So ein leckeres Essen haben wir in diesem Restaurant nicht erwartet. Sah es doch mehr wie eine Bar aus. So endet ein wettertechnisch gesehen Super-Tag mit einem noch besseren Essen.

Am nächsten Tag hieß es dann „zuerst einmal Kaffee und Kuchen, dann Shopping“. Gesagt, getan. Wieder mit Fred an unseren Pier gefahren. Heute wurden hier gerade kistenweise Seeigel abgeladen. Ein Fischer hielt uns dann einen aufgeschnittenen Seeigel zum Probieren hin. Jochen hat als erstes probiert und fand es nicht schlimm, also habe ich ihn auch gekostet. Kein schlimmer Geschmack, etwas salzig-süß und schleimig – aber als (teure) Delikatesse würde ich ihn jetzt nicht bezeichnen. Vor allem wir haben ihn ja noch mit allem Inhalt vor die Nase gehalten bekommen, im Restaurant schaut das bestimmt etwas netter aus, wenn die Gedärme und so entfernt worden sind.

Kaffee und Kuchen waren wie immer lecker, Shopping auch erfolgreich und so war der Tag auch schon wieder um. Neuer Versuch mit Pizza. Restaurant Nr. 1 war heute geschlossen, Nr. 2 war komplett reserviert. Dann halt wieder woanders schauen. Wir haben dann ein Restaurant erwischt, die Pizza auf der Karte hatten und die war auch noch seehr lecker.

Dritter Tag im quirligen Quellon und wieder hieß es Landgang mit allem was dazugehört. Heute war wohl „Muscheltag“ am Pier. Säckeweise lagen hier die Muscheln aufgeschichtet. Alle schön sauber, sicherlich aus Muschelfarmen. Auch hier wurde uns gleich wieder der Löffel entgegengehalten von ein paar Fischern, die auf ihrem Boot einen frischen Muschelsalat gegessen hatten. Dieser war dann auch köstlich.

Wir haben es aber immer wieder geschafft, wenn wir in Fred saßen, doch irgendwie jedes Mal naß zu werden. Entweder fing es das regnen an oder es nieselte so vor sich hin. Gott, was haben wir diesen Regen satt! Angeblich sind April und Mai die regenreichen Monate. Na hoffentlich wird das im Juni besser!

Nach 3 Tagen hier ging es für uns weiter in eine geschützte Bucht, da wieder einmal ein „Wetterchen“ kommen sollte. So sind wir am Mittwoch aufgebrochen in die Estero Pailad, die laut blauer Bibel geschützt und „der schönste“ Ankerplatz auf Chiloe sein soll. Nun ja. Ich will nicht sagen, daß es hier häßlich wäre. Der Ankerplatz war nett, aber von einem Schutz vor starkem Nordwind möchte ich nicht sprechen. Auch die schönen Wanderungen, die man hier machen können soll, stimmen so wohl nicht mehr ganz. Man kann laufen – ja. Aber nur der Schotterpiste entlang von endlosen Stacheldrahtzäunen. Ich denke, daß es hier in den letzten Jahren einige Veränderungen seit den Besuchen der Blaue-Bibel-Schreiber gegeben hat.

So haben wir dann am nächsten Nachmittag vom Ankerplatz vor der Kirche verlegt an einen Ankerplatz in einer kleinen Bucht, gleich um die Ecke. Hier liegen wir nun hinter einer Fisch- oder Muschelfarm vor Anker und haben zusätzlich noch Landleinen gelegt, da Winde von bis zu 9 bft angekündigt sind. Da wir nicht wissen, ob uns hier der Schwojkreis ausreichend Platz gibt, haben wir die Landleinen lieber vorsichtshalber noch ausgebracht, nachdem wir unser Boot mit Bug gen Norden ausgerichtet haben. Soll der Wind doch kommen.

Heute ist der Tag, an dem der Wind kommen soll. Bisher ist hier noch nichts zu merken, außer daß es den ganzen Tag hindurch nur geregnet hat. Also unter Deck verkriechen, Jochen hängt im Motorraum, ich habe als Trost Kuchen gebacken und schreibe diese Zeilen. Warten wir ab, was die Nacht noch bringen wird….

Der Abend und die Nacht hatten Wind in sich, aber es war nicht so, daß wir davon viel bemerkt hätten. Wir haben ab und an eine Böe gehört und etwas im Boot gespürt, aber von den hohen Windstärken war an unserem Ankerplatz wenig zu spüren, eine gute Wahl. So sind wir am nächsten Morgen zeitig aufgebrochen bis zu unserem nächsten Plätzchen, dem Estero Pindo. Einer Bucht auf der Isla Quehui vor einer Siedlung namens Los Angeles 😊 Die Überfahrt war sonnig, teils wolkig, für uns aber weitgehendst trocken. Erst wieder pünktlich zum ankern fing es an zu regnen. Wie immer! So daß ich doch noch nass werde, wenn ich am Bug den Anker herablasse. Aber das hat bald wieder nachgelassen, und so sind wir am Nachmittag übergesetzt an Land. Prompt kam natürlich wieder ein Schauer über uns, so daß wir uns kurz am Fähranleger untergestellt haben. Dort wurden wir dann gleich von einem Minimercado-Besitzer abgefangen, der uns in seinen kleinen Markt „zum Schauen“ bugsiert hat und erklärt hat, daß uns seine Schwester ein Abendessen kochen könne.

So haben wir uns noch etwas die Beine vertreten und sind gegen 18.30 Uhr in der kleinen Hospedaje (Unterkunft) angekommen, wo wir ein leckeres Essen erhalten haben. Los Angeles ist ein kleines Fischerörtchen, wo man auch schön laufen gehen kann (zumindest den aushängenden Schildern nach).

Doch wir sind am nächsten Morgen weitergezogen in das Örtchen Dalcahue, wieder auf der Hauptinsel Chiloe. Auch dieser Ort ist ein Fischerort, aber gleichzeitig wohl auch ein Touristenort. Wir haben an einer freien Boje festgemacht, da das freie Ankern zwischen den vielen Fischerbooten doch kaum Platz zulässt. Bei unserem ersten Landgang sind wir zunächst über den sonntäglichen Kunsthandwerk-Markt geschlendert, der direkt an der Pier liegt. Hier werden viele Wollprodukte wie Socken, Handschuhe, Pullover, Ponchos, Teppiche etc. verkauft und allerlei Krimskrams. Auch gibt es hier etliche Unterkünfte, Restaurants und Cafes. Wie immer wurde ein solches natürlich von uns aufgesucht und für gut befunden. Hier gibt es viele sehr schöne Häuser, die auch teilweise entsprechend gut gepflegt sind. Holzhäuser mit Schindelverkleidung in allen Farben und Formen und verzierten Ortgängen und Giebeln. Man merkt halt sofort, wo Tourismus herrscht. Alles in allem ein nettes Örtchen; so haben wir beschlossen, daß wir hier eine weitere Nacht verbringen werden, bevor wir wieder weiterziehen. Laut Wettervorhersage soll es jetzt mal einige Tage trocken bleiben – mal schauen…

21

Plötzlich wieder Schiffsverkehr

Wir haben die Caleta Millabu verlassen und wollen nun langsam weiter durch die Kanäle tingeln. Die nächsten beiden Etappen sind nicht so lang, also lassen wir uns Zeit mit dem Anker aufgehen.

Unser nächstes Ziel heißt Caleta Mariuccia auf der kleinen Insel Prieto im ebenso kleinen Kanal Abandonados. Dieser kleine Kanal wurde wohl noch nie richtig vermessen, man sollte daher also wirklich bei Sicht hier durchfahren. Aber er war wirklich schön. Viele kleine Inselchen und Felsen, die aus dem Wasser schauen, Seevögel und Seelöwen, die neugierig beäugen, wer hier durchkommt und auch wieder einige Wasserwirbel und Strömungen, wo sich das Wasser zwischen den Inseln durchzwängt.

Die Caleta war auch wieder sehr nett und wir haben auch hier versucht, ein paar Meter zu laufen. Aber leider war der Bewuchs am Strand wieder so dicht, daß kein Durchkommen war und wir daher nur ein paar Meter am Strand hin- und herlaufen konnten. Daher am nächsten Tag dann gleich wieder Anker auf, neuer Versuch 11 Seemeilen weiter in der Caleta Estero Los Dos Galanos im ebenfalls kleinem und unvermessenem Kanal Alejandro.  Auch die Anfahrt hierher war superschön durch viele Inselchen hindurch.  Hier wieder das übliche Spiel: kein Durchkommen durch den dichten Bewuchs. Also wieder nur mal Dinghirunden gedreht. Dasselbe Spiel in der nächsten Caleta Jacqueline, die wir nach nur 13 sm ansteuern. Alle Caletas hier sind wunderschön und dicht bewachsen, aber halt leider nur zum anschauen und nicht zu erlaufen. Daher halten wir uns hier nicht länger auf, denn nur auf dem Boot sitzen und rausschauen können wir überall.

Seit wir den Golfo de Penas gequert und zurück in die Kanäle eingebogen sind, ist wieder Schiffsverkehr; vorher war das schon ein Highlight, ein anderes Boot zu sehen. Hier plötzlich ist wieder einiges los. Wir sehen Frachter und Versorgungsschiffe, viele Fischer und noch mehr Lachsfarmen. Der Lachs ist hier eigentlich gar nicht heimisch, sondern wurde „eingeführt“, da dies dem ursprünglichen Lebensraum nahekommt mit Süß- und Salzwassergemisch und Temperatur. Leider nimmt das doch extrem Überhand hier, der einheimische Fisch wird hauptsächlich für Fischmehlverarbeitung gefangen, um damit die Lachse zu füttern. Von den Antibiotika etc. zu schweigen, die in das Wasser gekippt werden. Chile ist der zweitgrößte Lachsproduzent nach Norwegen!!! Jetzt verstehen wir auch, warum wir im Kanal Beagle immer die Schilder „No Salmoneras“, also „keine Lachsfarmen“ gelesen haben. Dort ist so etwas noch nicht zu finden.

Unser nächstes „große“ Ziel heißt Chacabuco, ein kleiner Fischerort mit einer guten Verbindung nach Aysèn, wo es einen großen Supermarkt gibt. Dort wollen wir unsere Vorräte etwas auffüllen und wieder Zivilisationsleben spüren.

Hierfür müssen wir jetzt mal längere Schläge fahren, bis sich die nächste Ankermöglichkeit auftut. Daher fahren wir morgens zeitig los, um den Tag zu nutzen, der lt. Wettervorhersage trocken bleiben soll. Und wirklich, es war ein toller sonniger Tag, bei dem wir in unserer Kuchenbude richtig warm gesessen waren, da sich diese mit Sonne schön aufheizt. Und weil das Wetter so gut mitgespielt hat, haben wir unser auserkorenes Ziel rechts liegen lassen und sind gleich nochmals 10 Seemeilen weiter bis zur nächsten Caleta gefahren. Denn: morgen soll Regenwetter kommen und da ist es doch schöner, wenn wir da keine so lange Strecke haben.

So sind wir am Nachmittag in die Caleta Gato eingebogen, einer wirklich netten Caleta. Ein kleiner länglicher Fjord, an deren Eingang eine kleine alte Lachsfarm liegt, einem Fischerhäuschen am Ufer und eine große Boje, an der die Fischer festmachen, um in dieser Caleta zu übernachten. Wir sind bis ganz ans Ende gefahren und haben dort unsere Anker geworfen. Ein wunderschöner, gut geschützter Platz für diese Nacht. Natürlich springen wir nochmals in unseren Fred, das Fischerhäuschen muß ja besichtigt werden. Keine Ahnung, ob dieses noch benutzt wird, es sah jedenfalls unbewohnt, aber nicht total verlassen aus. Auch ein „Steg“ aus aufgeschütteten Steinen hat es uns erlaubt, trockenen Fußes an Land zu kommen. Nachdem wir wieder auf unserem Booten waren, ist auch schon der erste Fischer für die Nacht hereingefahren und hat an der Boje festgemacht. Diese fahren aber auch immer früh morgens wieder weg, so daß wir sie beim Aufstehen schon nicht mehr gesehen haben.

So sind wir auch wieder zeitig aufgestanden, die restliche Etappe nach Chacabucco steht an und am Morgen soll es noch halbwegs trocken sein. Es war keine gemütliche Fahrt: Nebel und Regen verschlechtern die Sicht und für die bisherigen Verhältnisse „viel Verkehr“. Die Anfahrt in die gut geschützte Ankerbucht Ensenada Baja, die nahe an dem kleinen Ort liegt, ist sehr spannend. Die gesamte Bucht hat nur eine Maximaltiefe von etwa 5 Metern bei Niedrigwasser und die Einfahrt ist noch niedriger. In unserer Bibel sind die genauen GPS-Punkte vermerkt (5 Stück), damit man den besten Weg findet. Wir sind dann im Schneckentempo eingelaufen und haben es dennoch geschafft, uns zweimal festzufahren. Hier ist der Grund zum Glück Schlamm, was wir wußten, so daß da nix passiert. Jochen hat uns mit Rückwärtsfahrt wieder rausbugsiert und dann waren wir wieder im „sicheren Tiefwasser“.  Der Anker hält wegen des Schlammgrundes sehr gut, er saugt sich regelrecht in den Matsch ein und so kann kommen was will – der Anker hält. (Dafür stinkt es gewaltig, als wir den Anker hochholen…)

Chacabucco selbst gibt nicht viel her, vor allem da wir außerhalb der Tourisaison da sind. Daher ist das örtliche Cafe schon geschlossen und Restaurants oder Versorgungsmöglichkeiten sind sehr sparsam. Daher beschließen wir, als wir unsere erste Ortsbesichtigung machen, „fahren wir gleich nach Aysen“. Dorthin fährt ungefähr alle 20 Minuten ein Collectivo, ein kleiner 10-Mann-Bus. Für umgerechnet etwa 1 € kann man mitfahren. Der Bus hält direkt vor dem Supermarkt, das ist sowas wie der Shoppingbus der Einheimischen.

Und Aysen ist halt schon wieder eine Stadt. Mit viel Straßenverkehr (Gott, wie lang haben wir keine mehrspurige Straße mehr überquert!), Ampeln, Supermarkt, vielen Restaurants und Shops. Wir haben dann gleich mal ein Cafe angesteuert: juhu, Kaffee und Torte und uns einen Überblick verschafft, was es wo denn so gibt. So sind die Vorräte an Motorenöl wieder günstig aufgefüllt, jeder von uns hat ein paar neue, hoffentlich wasserdichte Gummistiefel und wir haben uns wieder einmal im Restaurant verwöhnen lassen. Lediglich die Suche nach einer neuen Regenhose für Jochen war leider vergeblich. Vor allem haben die Südamerikaner ein Problem mit den Größen der Europäer, sei es Schuhe oder Hosen 😊 Als wir im ersten Baumarkt nach Gummistiefeln Ausschau halten, stehen dort in der Auslage Schuhe in Größe 38. Das ist wohl die durchschnittliche Männergröße hier. Jedes Mal, wenn wir mit Größe 47 ums Eck kommen, werden wir nur groß angeschaut und kopfschüttelnd angelächelt.

Wir haben hier ein mexikanisches Restaurant gefunden. Gott, war das schön, mal wieder eine andere Geschmacksrichtung zu erleben und nicht das typische „Viel Fleisch, sonst nix“. Am Tag vorher hatten wir in einem „irischen“ Restaurant die Grillplatte für 3 Personen bestellt. Als Beilage zu dem Berg Fleisch gab es ganze 3 Kartoffeln, für jeden eine. Das restliche Fleisch haben wir uns einpacken lassen und haben davon nochmals zu Dritt Brotzeit gemacht. Noch Fragen?

Nach 3 Tagen haben wir aber Chacabucco verlassen, um weiter vorwärts zu kommen. 2 Tage Cityleben langt ja auch wieder eine Zeit lang. Unser nächstes Highlight stand dann als Zwischenstop an: eine heiße Quelle. Die Therme in der Ensenada Perez. Diese heiße Quelle ist quasi touristisch erschlossen, da ein Hotelier aus Chacabucco seine Gäste mit einem Katamaran mehrmals in der Woche hierherfährt. Der Besuch ist kostenlos, man solle aber fragen, ob es in Ordnung ist. Das würde wohl immer erlaubt werden. Bei unserer Ankunft ist kein Katamaran da, also legen wir an der großen Boje an und ich rudere mal rüber zu dem „Wärterhaus“ um nachzufragen, ob wir reindürfen. Die Männer haben anscheinend gerade ihren Mittagsschlaf gehalten und ich habe sie geweckt, aber kein Problem. Wir dürfen rein und er checkt noch mal schnell die Wassertemperatur. Also geschwind aufs Boot, in den Bikini reinhüpfen und wieder rüberfahren. Was soll ich sagen???? Soooo schön. 41 Grad Wassertemperatur, außenrum Nieselregen und Natur pur und wir sitzen im Becken und weichen uns mal wieder so richtig schön auf. Wie lange ist das schon her? Der gute Wärter hier hat wirklich auf die Schilder an den Becken noch das Datum und die Wassertemperatur aufgeschrieben – nur für uns 3, das wäre doch nicht nötig gewesen!!!

Nach einer Stunde aufweichen haben wir uns wieder auf die Socken gemacht und sind zur Caleta Santiago für die Nacht gefahren. Hier wirklich nur noch Anker werfen, Abendessen und sich im Inneren verkriechen, das Wetter war schon sehr ungemütlich geworden, seit wir in der Therme waren. Wie vereinbart lichten wir am nächsten Morgen um 10 Uhr den Anker und machen uns auf den Weg nach Puerto Aguirre. Hier werden wir das erste Mal seit Ushuaia wieder in einer „richtigen“ Marina festmachen, der Marina Austral. Eine klitzekleine Marina, wo es wieder Duschen und Waschmaschine gibt.

Und wir werden auch schon erwartet. Jaime, der Manager erwartet uns schon am Steg und nimmt unsere Leinen entgegen. Auch Martin von der Aracanga steht schon mit seiner Tochter parat. Mit ihm hatten wir schon Kontakt aufgenommen und uns auf ein Kennenlernen gefreut. Er hängt hier fest, weil auch er Motorenprobleme hat und auch wir schließen uns ihm an und schicken wieder einmal unsere Injektoren in eine Werkstatt, weil es wieder Problemchen gibt. Und da seine am Montag in die Werkstatt kommen, dürfen unsere auch gleich mit in das Paket. So sind wir auch definitiv eine Woche hier und können mal wieder laufen, gammeln, putzen usw.

Da das Wetter so toll ist, fragen wir gleich mal bei Jaime nach, ob er denn einen Grill hätte für ein Asado. Auch er hatte die Idee, daß heute gegrillt wird und so haben wir gleich an unserem ersten Abend in der Marina mit „allen“ Gästen ein Barbecue. Gut, so viele Gäste sind das nicht 😊 Das sind wir 3 und Martin mit seinem drei Mädels (Frau und 2 Töchter) sowie Jaime, dem Manager und seinem Cousin Enzio, dem die Marina gehört und der gerade zu Besuch ist. Es war ein schöner, spontaner Abend mit netten Menschen.

Die Zeit, die wir hier verbringen vergeht wie im Fluge. Wir sitzen jeden Tag mit den beiden anderen Booten zu Kaffeezeit zusammen und gönnen uns einen gekauften oder selbstgebackenen Kuchen, „erlaufen“ uns etwas die Gegend und bringen die müden Seglerbeine wieder ein bisschen in Schwung. Es gibt eine Aussichtsplattform hoch über dem Städtchen mit einem tollen Rundumblick über die Inselwelt und rüber auf den schneebedeckten Vulkan und die anderen Gipfel. Desweiteren gibt es hier auch die Möglichkeit einiger kleiner, sogar angelegter! Pfade zu laufen und einen Spielplatz. An einem Tag sind wir bis zur Caleta Andrada hinübergelaufen, quasi der „Nachbarort“. Ebenso haben wir natürlich noch die Friedhofsinsel besucht, die im Gegensatz zu Puerto Eden auch noch wirklich genutzt wird. Hier haben wir festgestellt, daß die kleinen Häuschen, die zur Erinnerung an die Verstorbenen erbaut werden, teilweise besser sind als die Häuser, in denen die Menschen hier leben. Auch haben wir viele Totentafeln von sehr jung verstorbenen Menschen, auch vielen Kindern lesen müssen. Es ist halt doch etwas anderes, wenn man so isoliert und abseits lebt.

Hier nun unsere gesammelten Impressionen aus Puerto Aguirre:

Wir haben wieder gutes Wetter und machen daher nochmals ein Asado mit unseren Nachbarbooten. Zufälligerweise ist auch gerade der 30. April und wir sehen bei vielen Deutschen in den Statusbildern das Stellen ihres Maibaumes, so daß auch wir uns entschließen „wir machen unseren eigenen Maibaum“. Zusammen mit den beiden Mädels Kira und Naia binden wir bunte Bänder in eine Topfpflanze, so schnell war leider kein Baumstamm aufzutreiben.

Unsere Injektoren sind wir versprochen wieder mit der Freitagabendfähre angekommen und Jochen baut sie gleich ein, so daß wir dann am Samstag Puerto Aguirre verlassen können. Leider ist jedoch unser Problem damit nicht gelöst und der Motor bedarf dann in Puerto Montt nochmals einer intensiveren Pflege. Dort ist das „Segelmekka“ von Chile, d.h. daß wir dort entsprechende Handwerker und auch Ersatzteile erhalten sollten. Schauen wir mal…..

Am Samstagvormittag machen wir alles klar, besuchen nochmals die Armadastation, um uns abzumelden und dann heißt es auch schon wieder Abschied von liebgewonnenen Menschen nehmen. Martin, Riki, Kira, Naia von der Aracanga helfen uns zusammen mit Jaime, alle Leinen loszuwerfen und ein letzter Gruß vom Skipper ertönt aus unserer Tröte.

Martin mit Kira, hinten Ulf, Riki mit Naia – großer Abschied – Rechts das Familienboot Aracanga
17

© 2025 SY JOSA

Theme von Anders NorénHoch ↑