Erste Eindrücke von Patagonien – Caleta Hornos und Puerto Deseado

Vorne weg: wenn wir bisher an Patagonien gedacht haben, war dies für uns eigentlich „nur“ die chilenische Seite mit ihren wunderbaren Kanälen. Aber auch ein großer Teil Argentiniens gehört ja dazu. Alles südlich des Rio Colorado ist schon Patagonien; somit ein sehr großer Anteil.

Und…nun sind wir schon mittendrin in dieser patagonischen Natur.

Das Absitzen des Starkwindes haben wir erfolgreich hinter uns gebracht, ohne daß wir irgendwelche Probleme mit dem Halt des Ankers oder starkem Geschaukel gehabt hätten. Solange wir in unserer Kuchenbude sitzen, sitzen wir warm und merken nur an den Geräuschen, daß da wohl ordentlich Wind weht.

Also konnten wir wieder in die Caleta Hornos verlegen und haben uns diesmal ein sicheres Plätzchen mitten in der Caleta gesucht, bei der wir genügend Wasser unter dem Kiel haben. (Hierzu haben wir auch nochmals Rückfrage mit einem Segler gehalten, der erst kurz vor uns hier gelegen war mit einem größeren Boot mit wesentlich mehr Tiefgang). Die eingezeichneten Plätze in unserer blauen Bibel sind wohl nicht mehr aktuell. Auch das Ausbringen der Landleinen funtkionierte tadellos und wir konnten voller Tatendrang einen ersten Landgang unternehmen.

Und???? Boah!!!! Natur pur, wie wir uns es vorgestellt haben. Felsig, rauh, trocken, mit knorrigem Buschwerk und viel Menschenleere. Bei diesem Landgang haben wir dann erst einmal bewusst wahrgenommen, was es heißt, einen Tidenhub von 5 Metern zu haben. Die Küstenlandschaft verändert sich total, wenn plötzlich einmal ein paar Meter Wasser fehlen. Wo vorher nur Wasser war, sind plötzlich Felsen und Tümpel und man muß wirklich schauen, wo und wie man unseren Fred befestigt, damit man an diesen beim zurückkommen auch wieder herankommt und er nicht 10 Meter weiter im Wasser liegt bzw. ganz fortgeschwemmt wurde. Daher fiel der erste Landgang auch nur kurz aus, wir haben festgestellt, daß wir für einen längeren Landgang eine andere Tidenzeit nutzen müssen.

Dieser zweite Landgang führte uns dann komplett über die Halbinsel auf die andere Seite, von wo aus wir auf die vorgelagerte Insel Leones mit dem alten Leuchtturm schauen konnten. Unterwegs haben wir viele Guanakos (einheimische Lamaart) gesehen, die sich lauthals gewarnt haben, als wir anmarschiert sind. Und viele, viele schöne Vögel. Auch der Blick über die ganze Küstenlinie – einfach nur traumhaft bei bestem Wetter. Die Bilder sprechen hier wirklich für sich.

Es hat sich zeitig ein Wetterfenster aufgetan, damit wir weiter in den Süden kommen und wir haben dann beschlossen, daß wir am Morgen noch einmal zur vorgelagerten Insel Leones verlegen, dort einen Landgang machen und uns danach auf den Weg machen. Und auch diese Insel – der Hammer!!

2 Kolonien von Mähnenrobben mit ihren imposanten Männchen, dazu Pinguine über Pinguine, die eifrig vor uns weggewatschelt sind oder in ihren Nestern gebrütet haben. Dazu mehrere Gürteltiere und eine interessante Pflanzenwelt – vor allem blühende Kakteen in allen Farben und Größen. Auch die Geräuschkulisse der Robben war imposant. Als wir mit dem Dinghi angelandet sind, sind viele der Robben ins Wasser und haben uns beäugt. Was kommt denn da für ein Ungetüm?

Natürlich haben wir uns es nicht entgehen lassen und sind zum alten Leuchtturm hochmarschiert. Etwas anstrengend, da ja querfeldein und immer aufpassend, nicht in ein Brutloch oder Höhle der Gürteltiere zu treten, haben wir auch das gemeistert. Und ich muß sagen – ich habe mein „Traumhaus“ gefunden. Jetzt nicht unbedingt, was den Zustand betrifft, sondern die Bauweise und Aufteilung der Räume. Ein großes Achteck, in der Mitte das Atrium mit den Stufen hoch zum Leuchtfeuer. Darum angeordnet die einzelnen Räume, jeweils in einem Achtel. Um diese Räume herum nochmals außen ein umlaufender Vorraum, so daß hier quasi eine Nasszelle/Dreckraum geschaffen wurde. Von einzelnen Räumen gehen hierhin direkt Türen, z.B. bei der Küche, so daß hier gut Material angeliefert werden konnte. Ja, diese Raumaufteilung gefiel mir sehr gut. Noch dazu die alten Fließen und die schönen Holztüren bzw. Möbel. Trödelfans wären hier sicherlich auch sehr begeistert gewesen.

Nach diesem Landausflug hieß es für uns dann, fertig machen und losfahren. Bei bestem Wetter, keinerlei Wellen ging es entspannt los. Uns war klar, daß und zwischendurch immer wieder „Windfelder“ begegnen werden, die unterschiedliche Windrichtungen mit sich bringen ebenso wie ein oder zwei Flautenlöcher. Aber alles in allem war es gut zu meistern, bis auf die unangenehme Tatsache, daß es wieder etwas rollig wurde, was meinem Schlafbedürfnis wieder einmal entgegenstand.

es ging ganz gemütlich los…

Unterwegs kam dann die Überlegung auf, gleich bis zur Magellanstraße (zusätzliche 300 sm) durchzufahren, da sich der Wind entsprechend anbot und wir mit guten Winden bis dorthin kommen könnten. Alles abgewogen und überlegt. Der einzige Haken an dieser Sache: nach etwa 5 Tagen kommt ein Tief mit Sturmwinden aus Westen angerauscht, vor dem wir Schutz suchen müssen. Dafür gibt es für uns lediglich einen Ankerspot direkt an der Einfahrt zur Magellanstraße, den wir ansteuern können. Und dort müssten wir dann wenigstens 5 Tage ausharren, die dieses Wetter andauert. Wollen wir das an dieser exponierten Stelle? Was ist, wenn der Wind dreht? Also entschieden wir, daß wir das nicht wollen und daher noch einmal in einen „Hafen“ einlaufen. Unser Ziel heißt daher Puerto Deseado. Die letzte Möglichkeit, noch etwas frisches Gemüse und Obst zu besorgen und uns auszuruhen.

Wie immer, wir kommen mitten in der Nacht an. Aber es läuft alles gut, anfangs haben wir den erwarteten Gegenstrom von 2 Knoten, bis er kippt und uns anschiebt, bis wir letztendlich in der Flußeinfahrt sind. In den Beschreibungen steht etwas von einer Boje, an der man festmachen soll. Diese finden wir im Stockdunkeln mit der leuchtenden Stadt dahinter natürlich nicht und lassen den Anker auf einem für uns guten Platz fallen.

Die Prefectura anfunken – keiner geht ran. Gut, dann halt ins Bett. Kaum sind wir um 4 Uhr endlich im Bett und werden langsam wieder warm, funkt uns die Prefectura an. Ob wir jetzt noch ins Büro kommen? Öh, nein, wir sind schon im Bett. Dann: Der Ankerplatz ist nicht gut, wir lägen mitten im Kanal und wir sollten an die Boje. Nachdem wir sagen, wir finden sie nicht, gibt er uns die Koordinaten durch und „Ja, wir verlegen“. Nachdem dann auch schon der Morgen graut, sehen wir die Boje dann auch und verlegen. Also, wieder ins Bettchen. Jochen hat dann mit dem Kollegen ausgemacht, daß wir um 10 Uhr in der Prefectura sein werden.

Alles wie immer, aufstehen. Jochens kurzer Blick ins Cockpit. Passt alles. Er ins Bad und ich Frühstück machen. Ein kurzes Rumpeln!!! Ich springe ins Cockpit „Oh, wir sind aber nah an der Küste, wir schlagen an“ Dann, ein Blick: die Boje weit weg von uns und wir direkt am Ufer. Alarm, Alarm. Jochen raus, Motor an und versucht, wegzufahren. Geht nix, wir sitzen fest. An die Funke und die Prefectura angerufen, daß wir Hilfe benötigen. Die Antwort: „stand by“ und keinerlei Reaktion mehr, egal wie oft ich noch L4N anrufe. Also ganz schnell das Dinghi ins Wasser geworfen, Motor drauf und Jochen hat dann versucht, mit dem Dinghi unsere Dicke freizubekommen. Ich stand derzeit am Ruder und habe mit dem Gas mitgeholfen. Beim zweiten Anlauf mit Zug am Bug hat es dann geklappt, daß wir uns seitlich wegbewegt haben. Es hat zwei mal kurz „gerumpelt“, wie eben einige Zeit früher und wir waren wieder auf 5 Meter Wassertiefe. Glück im Unglück gehabt!!

Beim genaueren Betrachten der Boje haben wir dann den Festmacher vermisst, durch den wir unsere Leine gesteckt hatten. Auch ist die gesamte Boje nur an einer dünnen Leine befestigt, vertrauenswürdig ist was anderes. Wir sind dann auf die Suche gegangen, wo wir denn besser festmachen können. Auf der anderen Seite des Wellenbrechers war noch eine größere Boje, an die wir auch hätten gehen können, aber die Wassertiefe konnte uns keiner sagen.

Auf dem Rückweg zu unserem Boot (10 Uhr war natürlich schon lange vorbei) kam dann auch schon die Prefectura angefahren. Diese haben dann wieder einmal die Sicherheitsmittel gecheckt und wir sind offiziell angekommen. Bei der Nachfrage nach der Boje hieß es, daß diese sehr sicher wäre. 3 sehr nette junge Männer. Bei der Verabschiedung kam dann von einem Kollegen noch der Spruch: „Funken Sie uns an unter L4N, wenn Sie Probleme haben und Hilfe benötigen“ – aha, gut zu wissen…..

Inzwischen war Jochen mit dem Tauchgerät im 11 Grad kalten Wasser, hat unser Unterwasserschiff gecheckt und noch eine Festmacherleine am eigentlichen Festmacher der Boje durchgesteckt. Nur – dieser liegt halt einen Meter tief im Wasser – bei Niedrigwasser müsste es möglich sein, diese soweit aus dem Wasser zu ziehen um eben noch eine Leine durch das dicke Tau zu führen. Bei Hochwasser kommt man da so einfach nicht ran.

Die erste Aufregung muß jetzt erst mal verdaut werden, willkommen in Patagonien.

Nun sind wir schon einige Tage in Puerto Deseado und uns gefällt es auch hier sehr gut. Ein kleines, aber quirliges Örtchen mit netten Restaurants, vielen Shops und noch viel mehr älteren Autos. Wir haben fußläufig schon einiges erkunden.

Zuerst waren wir an der Cueva de los Leones, einer Höhle an der Felsenküste, die nur bei Ebbe zugänglich ist. Der Weg dorthin etwa 3 km an der Küste entlang. Typisch patagonisch: niedriges Buschwerk und Pflanzen, trocken, rauh und natürlich windig. Aber wunderschön. Die Felsenküste sowie die Höhle sind sehr impossant, vor allem wenn man mal sieht, wie unterschiedlich die Küste bei Ebbe und bei Flut wirkt, wenn 5 Meter Höhenunterschied da sind. Man denkt, man ist an zwei verschiedenen Orten.

Auf dem Rückweg sind wir noch hoch auf die Klippen gelaufen. Dort oben sind diverse Aussichtspunkte sowie das „Autodromo“, eine Autorennstrecke. Wir hatten schon im Ort entsprechende Fahrzeuge gesichtet, die hier wohl ab und an mal bewegt werden.

An einem anderen Tag haben wir einen „Museumstag“ eingelegt. Nachdem uns in einem Restaurant ein Foto mit einem sehr schönen Gebäude aufgefallen war. Die Wirtin sagte uns, daß das die alte Eisenbahnstation sei, in der jetzt ein Museum ist. Da müssen wir ja wohl hin. Und genau genommen sind dort zwei Museen untergebracht. Wir sind zunächst in das Museo del Pueblo gegangen und wurden dort von Morena, einer englischsprechenden Guide (wie nennt man eigentlich einen weiblichen Guide?) durchgeführt. Dieses Museum beherbergt alles, was so im Ort vorhanden war. Alte Einrichtungsgegenstände, Bekleidung, Inventar, komplette Ladeneinrichtungen oder Werkstatteinrichtungen. Alles liebevoll zusammengetragen und von den Dorfbewohnern bereitgestellt. Im selben Gebäude waren wir dann noch im Eisenbahnmuseum. Hier wurde alles über diese ehemalige Station dargestellt. Von altem Ticketschalter über die Personalbücher. Auch wieder alles von den Dorfbewohnern im Ehrenamt zusammengetragen. Auch das ganze Gebäude wurde ehrenamtlich von einigen Menschen hergerichtet ohne einen Peso von der Regierung oder Gemeinde. Eintritt wird keiner verlangt, aber eine Spendenbox steht natürlich bereit.

Gleich nebenan befindet sich die ehemalige Policlinic. Auch diese wurde zu einem Museum gestaltet. Auch hier wieder ohne Eintritt. Die Klinik ist sehr klein und in 30 Minuten ist man wieder draußen, aber man bekommt auch hier zu allem eine Erklärung. Von der Chirurgie, den Untersuchungsraum, den Zahnarztraum und die Entbindungsstation. Alles eingerichtet und mit alten Fotografien untermalt. Ganz tolle und liebevolle Aufarbeitung der alten Zeiten.

Für die kommenden Tage ist der vorhergesagte Starkwind aus Süden im Anmarsch. Daher haben wir uns entschlossen, unsere Boje hier in Stadtnähe zu verlassen und an das gegenüberliegende Südufer vor Anker zu gehen. Zur Erklärung: kommt der Wind aus Süden und drückt uns nach Norden, haben wir so noch genügend Wasser und Zeit im Rücken. Sollten wir am Nordufer liegen, würde uns der Südwind auf die Küste drücken und wir hätten ein Problem, hier im Bedarfsfall schnell genug reagieren zu können. Also: Augen auf bei der Parkplatzwahl!!!!

Also haben wir gegen Mittag, zur Hochwasserzeit, ans andere Ufer verlegt. Nicht lange nachdem wir verlegt hatten, konnten wir auch endlich die SALTO auf dem Bildschirm sehen. Die beiden sind nun auch eingetroffen und liegen neben uns im starken Wind und harren der Dinge, die die nächsten 4 Tage so kommen. Gegenseitige Besuche sind bei diesem starken Wind leider nicht möglich, also begnügen wir uns damit, uns über Funk zu unterhalten.

Schräglage vor Anker – wegen des Gezeitenstromes liegen wir quer zum Wind – hinten die SALTO

Wenn es alles so kommt, wie es kommen soll, werden wir in ca. 1 Woche ein Wetterfenster bekommen, um nach Süden aufzubrechen. Wir werden sehen.

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8 Kommentare

  1. Angelika

    Wieder einmal ein interessanter Bericht mit wunderschönen Bildern.
    Wir wünschen euch weiterhin eine gute Reise Richtung Süden!
    Viele Grüße
    Geli und Udo

    • Jochen

      Danke euch, sind soeben gut (fast ganz) unten angekommen.

  2. Hans-Josef Krönert

    Vielen Dank für die packenden Berichte.
    Tolle Fotos und Abenteuer pur.
    Grüße aus dem nebligen Willanzheim.
    Hajo

    • Sabine

      Hallo Hajo
      Danke für die positive Rückmeldung. Dir würde es hier sicherlich gut gefallen. Gibt genug Wind, gegen den Du „anradeln“ könntest. 😅 Viele Grüße an die Obersiedlung und den Rest von Wellnsi-City

  3. Dein Bruder

    Wünsche euch noch eine schöne Adventszeit und wieder ein schöner Bericht mit wunderbaren Fotos. Gruß dein Bruder

    • Sabine

      Hallo Dirk,
      Wir wünschen Euch auch eine schöne Adventszeit. Und als Aufgabe an Euch: esst unseren Plätzchenanteil von Mama mit!

  4. Dirk

    Sehr schöner Bericht und tolle Fotos!
    Weiter alles Gute auf Eurer spannenden Reise!

    • Sabine

      Huhu Dirk,
      Danke für die Grüße. Wir machen ja nur die Vorhut für Euch und checken mal die Lage und Ankerplätze.

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