Valdivia

Jetzt sind wir schon über 5 Wochen hier in Valdivia bei Raul in der Roaring Forties Marina und warten auf ein Wetterfenster. Aber – man hätte es schlechter erwischen können!

Wir fühlen uns hier pudelwohl: die Lage ist einfach fantastisch im Fluß Angachilla mit einer tollen Natur drumherum, keine Lichtverschmutzung, ruhig, kein Wellengeschlage und einem Besitzer, der einfach nur toll ist.

Er hat uns schon mehrfach durch die Gegend gefahren für Besorgungen, stellt Kontakte her und hilft bei allem. Wir haben auch schon mehrfach gemeinsam zu Abend gegessen, hatten ein Barbecue, einen Videoabend mit Pizza und waren auch zusammen bei der Brauereibesichtigung. Was will man mehr? An dieser Stelle schon mal ein ganz Dickes MUCHAS GRACIAS RAÚL!!!

Wir haben zunächst gehofft, zeitnah ein Wetterfenster für unsere Weiterfahrt zu erhalten und haben uns entsprechend zügig mit Diesel und Proviant versorgt. Für die Dieselbesorgung ist Raul mit uns 3 mal in die Stadt gefahren und hatte jedes Mal den Kofferraum mit etlichen Kanistern Diesel voll. Nachdem ich meine Liste für den Proviant zusammengestellt hatte, haben wir beschlossen, daß wir uns hierfür einen Leihwagen nehmen – das wollen wir Raul nicht antun. Als Leihwagen mußte es ein 4-Rad-Antrieb sein, da die Zufahrt zur Marina doch recht steil und „geländig“ ist. Und nun mal zum Thema Proviant – diese Frage wurde mir schon gestellt: wie viel nimmt man da mit?

Ja, das Thema ist ein großes Thema. Im Vorfeld unserer Reise habe ich etliche Blogs und Berichte gelesen, Vorträge angesehen etc. Ich bin ja bekanntermaßen nicht die Premium-Hausfrau, die das alles mit links macht. Der Tipp, der für viele hilfreich ist – „schreibt zu Hause auf, was Ihr so über einen längeren Zeitraum von 4 – 8 Wochen verbraucht und rechnet das dann hoch“ – hilft uns halt so leider gar nicht. Wie soll ich einen Lebensmittelverbrauch aufschreiben, wenn der Herr des Hauses die Woche über auf Montage ist und meine Ernährung dementsprechend „Single-gemäß“ ist. Also eher mal ein Gries- oder Reisbrei, eine gute Suppe (bin ja eh ein Suppenkaspar) oder ein „ich schnorr mich mal irgendwo durch“…

Hatten wir doch schon in Mar del Plata in Argentinien ordentlich Vorräte gebunkert für einen geplanten Zeitraum von 3 Monaten; jetzt sprechen wir aber von 6 Monaten, die wir planen. Auch hatten wir ja in Ushuaia und Puerto Williams immer noch ordentlich nachkaufen können – zwar auch teuerer, aber es ging noch. Da waren wir mal grob gerechnet, maximal 6 Wochen ohne Versorgungsmöglichkeit. Das wird jetzt so die nächste Zeit nicht mehr möglich sein bzw. wollen wir vermeiden, daß wir in Tahiti oder einer anderen Südseeinsel größere Mengen Lebensmittel kaufen müssen – dort ist alles entsprechend richtig teuer. Erst Neuseeland oder Australien würde hier wieder in angemessenen Preisen interessant werden. Auch wollen wir ja nicht unbedingt die großen und überlaufenen Plätze anlaufen, wir möchten auf die kleinen Atolle und Inselchen. Und da gibt es halt nix. Nix zu kaufen und nix an Menschen…

Also habe ich wieder einmal das rechnen und kalkulieren angefangen:

Ich muß jeden 3. Tag ein Brot backen, dafür brauche ich jeweils 700 g Mehl, plus Haferflocken, plus andere Zutaten. Dann gibt es einmal die Woche bestimmt unsere geliebten Pfannkuchen; auch ein Kuchen soll mal drin sein. Also bin ich dann bei etwa 75 kg Mehl angekommen, die ich benötigen werde.

Dasselbe Spiel für Nudeln, Reis und Kartoffeln. Hier bin ich auch davon ausgegangen, daß ich täglich 300 – 400 g benötige (ich habe in Nudelmenge gerechnet). Also haben wir mal eben 25 kg Nudeln, 10 kg Reis, 25 kg Kartoffeln gekauft. Entsprechend auch noch je 15 kg Zwiebeln, Orangen, Äpfel. Alles, was man gut länger lagern kann. Denn das Problem der Lagerung besteht ja auch noch. Momentan ist alles kühl, aber bald wird es wärmer…. Drei Tage lang habe ich eingekocht: 10 Gläser Gulasch, 15 Gläser Hackfleisch-Soße, 15 Gläser Karottensalat, 8 Gläser Apfelbrei. Wer hätte gedacht, daß ich – Sabine Bauer – einmal das einkochen für mich entdecke und anfange??? Und dazu noch Mengen an Dosen von Obst, Gemüse und sonstigem gekauft.  Irgendwann wird uns das Frischzeug ausgehen und wir wollen ja auch etwas Abwechslung haben zu dem Fisch, den wir dann hoffentlich fangen werden.

Alles in allem sind wir 3 mal mit unserem Leihwagen zu den diversen Supermärkten hier gefahren, bis alles auf unserer Dicken war. Uff!!! Und dann das verräumen! Aber, wir haben es geschafft. Jetzt muß nur noch kurz vor Abreise die restliche Frischware eingekauft werden und das, was wir bis dahin wieder aufgebraucht haben. Und dann hoffen wir, daß wir dann mal ein paar Monate ohne größere Ausgaben unterwegs sein werden. Und vielleicht halte ich dann in zwei, drei Jahren Vorträge über das Proviantieren und einkochen und ihr könnt was von mir lernen? Who knows?

So, das war die Abhandlung über das Proviantieren. Wer noch Fragen hat, bitte stellen. Ich schau dann mal, ob ich in der Seglercommunity jemanden finde, der diese fachmännisch beantworten kann 😉

Aber jetzt zurück zu Valdivia:

Unsere Marina liegt ja nicht direkt in Valdivia, sondern etwas außerhalb in einem sogenannten Condomino. Das sind Wohnanlagen mit mehreren Grundstücken, ein kollektives Eigentum. Diese sind mit Zäunen abgegrenzt, haben eine eigene Torzufahrt und meist einen Sicherheitsmitarbeiter am Tor sitzen. So auch bei uns. Diese Wohnanlagen sind hier in Südamerika (wohl auch in den USA) weit verbreitet, auch unsere argentinischen Freunde wohnen in so einer Anlage. In der Anlage selbst sind dann die einzelnen Grundstücke jeweils nochmals mit Zäunen, Toren und Gattern abgegrenzt. Eine eigene kleine Siedlung. Unser Condomino „Ribera del Miraflores“ ist sehr nett und wir müssen bis zum Tor etwa 20 Minuten laufen. Aber direkt vor dem Tor kommt der Bus vorbei, der uns in die Stadt bringt. Wir sind kurz vor der Endstation dieser Buslinie. Auch kommt der Bus hier im 5- bis 10-Minuten-Takt, also super für einen Ausflug in die Stadt. Unsere Buslinie fährt von hier bis in die Stadt, darüber hinaus bis nach Niebla. Wir könnten also für den Preis von ungefähr 0,70 € eine Strecke von etwa 25 km zurücklegen. Von Niebla erzähle ich gleich noch etwas.

Valdivia liegt in einer tollen Gegend und auch die Stadt hat nette Ecken. Man merkt aber nicht, daß man in einer Großstadt ist. Sie hat doch eher den Flair einer Kleinstadt. Valdivia hat Stand 2017 etwa 150.000 Einwohner und wurde ab 1846 stark von deutschen Einwanderern besiedelt und ist daher auch bekannt für die erste Brauerei Chiles (damals Anwandter, heutiger Name Kunstmann Brauerei – siehe weiter unten). Ebenso bekommt man hier leckere Kuchen und Torten, was den deutschen Einwanderern geschuldet ist und uns bereits in Puerto Williams mitgeteilt wurde. 1960 gab es hier ein schweres Erdbeben und ein Tsunami traf die Stadt, was hier sehr viel zerstörte. Sie war eine bedeutende Stadt der Spanier hier am Pazifik und eine Festung im Kampf gegen die Ureinwohner, die Mapuche. Der Zugang zum Pazifik wurde durch diverse Festungen rund um die Bahia Corral verteidigt, wobei es für einlaufende Schiffe eigentlich keinen Korridor gab, in dem es nicht von einer Kanonenkugel erreicht werden konnte. Ein faszinierendes Bollwerk. Wir haben uns die Festung in Niebla angeschaut, als wir noch unsere Leihwagen hatten und mit den Einkäufen fertig waren. Leider war es an diesem Tag sehr neblig und wir konnten nicht weit sehen, so daß wir die Bucht nicht überblicken konnten. Hier sei mal angemerkt, daß Niebla ja auch auf spanisch Nebel heißt….Das Fort selber war jedoch schon beeindruckend. Dies war in den Fels (Sandstein) gebaut, so daß es sehr geschützt war und auch die Pulvervorräte und sonstiges gut gesichert unter Fels gelagert werden konnte. Im Fort selber haben wir Mito getroffen. Mito ist ein Lama, das hier für die Rasenpflege zuständig ist 😊 So etwas könnte ich mir in meinem Garten auch vorstellen.

Wir sind dann mit Raul nochmals hierhergekommen bevor wir zu unserer Brauereibesichtigung gefahren sind. Es war tollstes Wetter, sonnig, blauer Himmel mit Weitsicht. Und? Es war Montag…und Sonntag und Montag ist das Fort geschlossen, wie so viele andere öffentlichen Gebäude hier. Naja – wir sind ja noch etwas da und werden wohl nochmals mit dem Bus kommen. Nachdem wir ja dann noch Zeit hatten bis zu unserer Tour in der Brauerei sind wir dann noch etwas an der Küste entlanggefahren und Raul hat uns seine Lieblingsplätze gezeigt. Wir haben auch versucht, unterwegs an einem Restaurant mit Ausblick einen Kaffee zu trinken. Aber leider – auch noch geschlossen. Also Buchten-Sightseeing und ab zur Brauerei.

Die Kunstmann-Brauerei hat es geschafft, durch gutes Marketing eine Topmarke zu werden (und schmeckt mir außerdem). Und es ist wirklich gut aufgezogen. Die Tour ging vorbei an Hans, dem Maskottchen der Brauerei zuerst in den „Hopfengarten“. Der Hopfen wächst hier eigentlich nicht und wird auch aus Europa und den USA importiert. Lediglich für eine kleine Biersorte wir hier in diesem kleinen Garten etwas Hopfen angebaut. Ein Feld wurde hier mit künstlichem Hopfen angelegt, damit die Menschen auch einmal Hopfen „sehen“ können und wie dieser eigentlich wächst. Was für uns ein typischer Anblick in der Hallertau ist, kennt man hier halt nicht. Im Hopfengarten wurden uns dann alle Zutaten erklärt – von ihrem Rohzustand bis zu dem jeweiligen Einsatzbereich in den Biersorten und die Herstellung des Bieres vom Maischen bis zum Abfüllen. Danach ging es in die Brauerei selbst – zunächst in das Sudhaus (eine Anlage aus Bamberg – viele Grüßen an meine ehemaligen Kollegen in der Brauereitechnik) und dann in die Abfüllerei, wo der „günstigste“ Mitarbeiter schnell die Paletten bestückt.

Während dieser Tour gab es für jeden einen Glaskrug, gefüllt mit leckerem Getränk – in meinem Fall ein unfiltriertes Torobayo – leeecker. Es war eine interessante Tour, auch für mich, die ja schon in einer Brauerei gearbeitet hatte und wußte, wie das Ganze so eigentlich abläuft.

Neben diesen beiden „Ausflügen“ haben wir auch eine kleine Spritztour mit unserem Fred unternommen und sind den Fluß hochgefahren. Auch das hatte Raul uns empfohlen. Der Fluß ist toll und sehr dicht mit Schilf bewachsen. In einem kleinen Seitenarm konnten wir etliche Vögel beobachten und tolle Aufnahmen machen. Raul hat uns auch ein Stück mit seiner Drohne verfolgt und uns ebenfalls tolle Aufnahmen zur Verfügung gestellt.

In Valdivia selbst haben wir den Fischmarkt besucht, haben das Museums-U-Boot „O’Brien“ angeschaut, das von Mitte der 1970er bis Mitte der 2000er in Betrieb war, waren auf dem Wochenmarkt, Cafe trinken und etwas Shopping – von Hosen für Ulf bis zu Papier für uns. Und sicherlich werden wir noch das ein oder andere Mal in die Stadt fahren bis wir wirklich hier wegkommen. Nun dazu. Wegkommen.

Ab jetzt geht es ja dann raus ins Blaue auf den Pazifik. Unser erster Stopp wird das Juan-Fernandez-Archipel sein mit seiner Insel Robinson Crusoe. Diese Inselgruppe liegt von hieraus gesehen nordwestlich. Danach geht es dann schon nach Rapa Nui, der Osterinsel. (die kennt Ihr wahrscheinlich dem Namen nach schon eher).

Nach Robinson Crusoe sind es ungefähr 500 Seemeilen, so daß wir etwa 4 Tage benötigen werden, je nach Wind. Hierfür benötigen wir einen Wind aus südlichen Richtungen, damit wir nicht gegen irgendeine Welle anfahren müssen und wir schönen Vortrieb haben. In der momentanen Jahreszeit Winter ist das halt nicht so der übliche Wind. Die meisten Segler überqueren ab den Monaten September/Oktober diese Passage. Daher müssen wir halt etwas warten, bis sich ein entsprechender Wind einstellt und der lange genug anhält. Und momentan ist es leider eher so, daß ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen auf die chilenische Küste zuhält. Also: warten, Käffchen trinken und noch das ein oder andre erledigen.

So haben wir einen Händler gefunden der unsern „alten“ Außenbordmotor, der gerade erst richtig eingefahren ist, zurücknimmt und uns einen Neuen, mit entsprechendem Aufpreis, überlässt. Den, den wir die ganze Zeit im Einsatz hatten, war einfach zu schwer und hatte zu wenig Leistung, um mit unserem Fred sicher ins Gleiten zu kommen. Dies ist aber in der Südsee unerlässlich, wenn einmal weitere Strecken zurückgelegt werden sollen. So haben wir jetzt einen 2-Takt-Motor, den es bei uns gar nicht mehr zu kaufen gibt; der ist leichter und hat mehr Leistung. (Und die Technik ist nicht so anfällig wie beim 4-Takter). Die erste Testfahrt war dann auch ein voller Erfolg, wir sind sogar mit drei Personen problemlos ins Gleiten gekommen, so haben wir genug Reserve, wenn mal Material transportiert werden muss. Außerdem ist jetzt noch genug Zeit, sich unserem Problem mit dem Autopiloten zu widmen. Der Antrieb komplett zerlegt, jetzt muss nur noch das entsprechende Ersatzteil hier in Valdivia gefunden werden, ein sehr spezielles Lager. Und Tata: gefunden!! Und so ist auch diese Reparatur erledigt.

Wir haben aufgrund des fehlenden Wetterfensters zwischenzeitlich einen Ausflug nach Santiago und Valparaiso gemacht. (Darüber berichten wir im nächsten Beitrag) Diese Städte liegen etwa 1000 km weiter nördlich und sind dadurch schon in der beständigeren Zone. Auf dieser Höhe liegt auch unser erstes angestrebtes Ziel, so daß wir guten Mutes sind, doch endlich die 4 Tage passendes Wetter zu bekommen. Und so wie es ausschaut, werden wir jetzt wirklich schon am morgigen Montag die Gänge zu den Behörden unternehmen, die Marina verlassen und in der Bahia Corral vor Anker gehen, um am Dienstag morgen in See zu stechen. Und wie es der Zufall will, ist morgen der 11. August. An diesem Tag vor genau 2 Jahren sind wir von Hamburg aus in See gestochen.

Wir hören uns dann aus dem großen, weiten Blau – bis dahin könnt Ihr dann erst einmal in unserem Bericht über Santiago und Valparaiso schmökern, wenn er dann da ist ;-).

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1 Kommentar

  1. Fred Bol

    Wat zijn jullie toch bofkonten(geluks vogels). Het is weer een fantastisch verslag. We zitten er midden in, genieten ervan.

    Gerda en Fred

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