Damit ist gemeint, daß wir schon das dritte Weltmeer ansteuern. Auch wenn wir nur in der Ostsee gestartet sind und die Nordsee einmal durch den Ärmelkanal durchquert haben, wir waren zumindest schon mal dort. Gestartet sind wir ja diesmal von Cherbourg aus, kurz vor unserer Abreise noch mit einem Weltumsegler gesprochen, der gerade nach 9 Jahren nach Deutschland zurückkehrt. Wolfgang hatte uns noch auf die Schnelle ein paar nützliche Sachen mit auf dem Weg gegeben, bevor er von seinem Liegeplatz abgelegt hatte, der unmittelbar in unserer Nähe war. Wir sind dann gegen 19 Uhr auch los, der Gezeit wieder mal geschuldet. Die Gezeit gegen Mittag war uns zu bald, da wir zum einen von der letzten Nachfahrt noch ausschlafen wollten und zum anderen uns noch den Proviant für die nächsten Tage besorgen mussten. Außerdem wurden noch die örtlichen Schiffsausrüster aufgesucht, um nach ein paar Teilen Ausschau zu halten, haben sie nicht gehabt. Dann eben doch noch schnell bestellen und an unseren nächsten Zielhafen schicken lassen.

Die Wetterdaten waren zwar nicht die Besten zum Segeln, aber zumindest keinen Wind von vorne. Und wenn es so bleibt wie angekündigt, werden wir auch ohne Zwischenstopp gleich über die Biskaya gehen, so der Plan. Gestartet, wieder unter Motor, ging es also Richtung Westen in die Nacht hinein in ein sehr starkes Tidenströmungsgebiet. Wir sind schon kurz bevor der Strom „kippt“ los um auch wirklich diese vollen 6 Stunden mit zu nehmen bzw. auch an der ersten Ecke diesen nicht voll zu erwischen. Westlich von Cherbourg gibt es Ecken, die dann einen Strom von bis zu 8 kn entwickeln, so schnell könnten wir gar nicht fahren, wenn wir diesen gegenan bekommen würden. An einer dieser Ecken angekommen, fängt auch unser Boot so langsam an sich wie ein Rodeopferd zu benehmen. Ein wildes hin und her, die Nacht ist Pechschwarz, wir können nur erahnen was sich da gerade im Wasser abspielt. Unsere Instrumente zeigen aktuell Strom von 3,5 kn an der uns schiebt, nicht drüber nachdenken, wie es wäre, wenn es mal mit 8kn „bläst“. Da sollte man sich fernhalten, auch wenn einen der Strom mitnimmt. Nach 15 min ist der Spuk auch schon wieder vorbei und wir sind wieder im „Normalen“ Gezeitenstrom unterwegs. Früh um 5 Uhr kommt sogar etwas Wind auf, so daß wir schonmal ein Segel rausholen, um die Motorfahrt zu unterstützen. Gegen 13 Uhr kommt dann noch Segel Nummer zwei raus und wir können das erste Mal seit Scheveningen ohne Motor, nur mit der Kraft des Windes unterwegs sein, das ist jetzt schon 400 sm her. So geht es dann auch in die zweite Nacht hinein, der Wind nimmt auch wie gemeldet etwas zu, aber alles kein Problem. Mit dem Wind nimmt natürlich auch die Welle zu und an der nordwestlichsten Ecke von Frankreich um die „Croissant“- Insel herum (den Namen hat sie von uns schon bei der Überführung bekommen, da keiner den Namen aussprechen konnte), kam auch wieder die unangenehme Welle dazu, die die Strömung hier verursacht, zum Glück wieder mit dem Strom (oder gut Berechnet 😉). Diese Insel ist so die Grenze zum Ärmelkanal, wir sind dann auch schon im Atlantik, der besagten Nummer 3, und die Biskaya liegt voraus. Nochmal kurz die Wetterdaten checken, solange noch Netz da ist und der Beschluss wird gefasst, gleich über die Biskaya zu gehen. Das Wetterfenster sollte uns so langen. Würden wir hier einen der nächsten Häfen ansteuern, würden wir in diesem für mindestens eine Woche festhängen (Dauer unbekannt, da Wetteraussichten ja länger nicht unbedingt stimmen), da vom Atlantik ein kleines Sturmtief ankommt.
Ja die Biskaya, hier soll es so manches mal richtig Rund gehen. Zum einen kommen die besagten Tiefs irgendwo zwischen Biskaya und Irland das erst mal auf Land, und zum anderen steigt hier an einer Unterwasserkante der Meeresboden von 5000m Wassertiefe auf 200m Tiefe auf. Beides kann dann schon mal eine schwere See verursachen. So wie es aber aktuell aussieht, ist uns die Biskaya auch bei der zweiten Überquerung gut gesonnen.
Im Verlauf des nächsten Tages hat der Wind dann auch wieder nachgelassen, wieder wie gemeldet, manchmal stimmen auch die Vorhersagen. Gegen Mittag beschließen wir unseren Blister zu setzten, eine Art von Leichtwindsegel, das sind die schönen großen Bunten Segel, die man immer mal wieder sieht. Das Setzen von diesem dauert bei uns zwar etwas, aber man wird bei Leichtwind mit gutem Vortrieb belohnt. Ich lege mich dann am Nachmittag hin, um noch etwas Schlaf nachzuholen. Irgendwann klopft es an der Luke, kein gutes Zeichen. Heißt, es ist irgendetwas und es wird die zweite Person an Deck benötigt. Schon am anziehen, kommt Sabine unter Deck und teil mir mit, daß sich der Blister um das Vorstag gewickelt hat. Schaut aus wie eine falsche Sanduhr, die beiden Enden vom Segel sind dabei aufgewickelt und in der Mitte hängt noch etwas Segel, das vom Wind aufgeblasen ist. Nicht gut, habe davon schon des Öfteren gehört, aber selbst noch nicht gesehen. Aber wie bringt man das Segel so jetzt wieder in den Ursprung zurück bzw. runter, mmmmmh. Diverse Fahrmanöver unter Maschine haben leider keinen Erfolg gebracht, um den Knoten wieder aufzulösen, also muss jemand rauf in den Mast und den Knoten von oben her lösen. Sabine war voll motiviert da selbst hoch zugehen, wahrscheinlich geschuldet, daß es in ihrer Wache passiert ist. Ich musste zu dieser Aussage nur innerlich Lachen, auch wenn es uns in diesem Moment leider nicht zum Lachen war (und das ist absolut nicht Böse gemeint, meine liebe Sabine). Dazu muss ich erklären, daß Sabine bisher genau einmal im Mast war. Das war in Malta im Hafen bei null Wind und Welle. Schon damals ist sie da nur mit tatkräftiger Unterstützung durch mich hochgekommen, von der leichten Höhenangst ganz zu schweigen und dann noch ein 120 m² Segel bergen, haha. Das dieser Tag kommen wird, wo ich auf offener See in den Mast muss war mir schon immer klar, aber jetzt schon! Die Bedingungen dazu waren ja nicht ganz so schlecht, wenig Wind und eine Atlantikdünung von nur 1 bis 1,5 Metern. Macht oben am Mast eine Querbewegung von etwa 3 m aus, die das ganze bei jeder Welle sich so Hin und Her bewegt. Na dann, „auf geht’s“. Nach ca. 1 Stunde war das gute Stück dann auf dem Deck gelegen und wurde anschließend wieder verstaut. Jetzt geht es erstmal nur mit Maschine weiter, da der Wind für die anderen Segel zu schwach ist und zur Nacht hin e komplett einschlafen soll. Nun heißt es erst mal alles sacken lassen und durchschnaufen, war verdammt anstrengend. So sitzen wir im Cockpit und plötzlich Delphine, die ersten am Schiff während unserer Reise, wenigstens eine schöne Belohnung für den Arbeitseinsatz. Anschließend der nächste Versuch noch etwas zu schlafen, es blieb beim Versuch, mir tun noch alle Gräten weh. Wie ich wieder an Deck komme, teilt mir Sabine mit, daß sie wohl unsere erste Walsichtung verpasst hat. Beim fotografieren vom Sonnenuntergang hat sie wohl ein Ausblasen gehört, sie dachte es wäre vom Boot gekommen, da sich die Geräusche, wenn eine Welle bricht, ähnlich anhören. Bei einem weiteren Blick sieht sie nur einen Rücken gemächlich ins Blau gleiten, schade. Ich denke und hoffe, wir werden noch welche sehen.

Später, wie Sabine ins Bett geht und ich meine Wache starte, es ist schon dunkel, ist auch gleich wieder so ein Moment, den ich liebe. Wir sind gerade so richtig in der Mitte der Biskaya, das heißt die Nächsten 150 sm (ca 275km) kein Licht vom Mensch verursacht, außer ein paar mini kleine Positionslichter von Booten, von denen ich aktuell keines sehe und auch kein Mond ist zu sehen. Jetzt schalte ich unsere Positionslichter aus und dimme die Instrumente komplett runter. Und da ist er, unser Sternenhimmel. Wer diesen einmal so gesehen hat, weiß, wieso es heißt „Millionen von Sternen“. Ein krönender Abschluss für einen anstrengenden Tag. Achja, wenn ihr mal so eine Lichterkette am Nachthimmel seht, ca. 10 Stück wie an der Perlenschnur aufgereiht, das sind keine Außerirdischen. Es sind Satelliten von Starlink, die gerade ins All befördert wurden und ihre Umlaufbahn noch nicht erreicht haben.
Mittlerweile sind wir bei Tag 4 auf See angekommen. Nachdem am Ende von unserem kleinen Blisterdebakel ja die Maschine angeschmissen worden ist, konnten wir diese gegen Mittag endlich wieder abstellen, 18 Stunden später. Was dann folgte war ein sehr schöner Segelnachmittag, und noch viel besser, ohne weitere Zwischenfälle. Windstärke 3-4 Beaufort aus Ost, Welle max. 1 Meter, überwiegend blauer Himmel und den ganzen Tag ohne eine Sichtung von einem Boot oder Säugetier. In der Nacht, wieder einmal, soll der Wind dann bis auf 5 in Böen zunehmen. Wir werden sehen. Vorsorglich wird das Großsegel vor Einbruch der Dunkelheit schon mal ins 2. Reff eingebunden.
Tja, aus den 5er Böen ist dann pünktlich zur Dunkelheit ein Dauerzustand geworden. Die Wellen sind dementsprechend auch immer größer geworden. Während unsere Gerda (treue Leser wissen, daß das der Spitzname unseres Autopiloten ist) normalerweise treu ihren Dienst verrichtet, mag sie solche Bedingungen leider überhaupt nicht und steigt mit einem lauten Alarmton aus. Jetzt heißt es schnell sein und das Ruder übernehmen. So geht es dann im Eiltempo durch die Nacht, unser Mädchen zeigt, was in ihr steckt und wir laufen permanent mit mindestens 7 kn und mehr, in Spitze bis 8,5 kn. Die Krönung an Welle kommt dann noch zum Ende hin, in dem Bereich den ich schon erwähnt habe. Wenn der Meeresgrund von hier 4000m auf 300m ansteigt, führt unser Boot uns ein kleines Tänzchen vor. Natürlich alles bei Dunkelheit, man sieht nicht was kommt, kann nichts aussteuern oder reagieren. Mit dem Sonnenaufgang, eigentlich ist es nur hell geworden, die Sonne war noch gar nicht da, ist der Spuk innerhalb von 20 min zu Ende. FLAUTE. Wirklich von Windstärke 5 auf 1-2 Beaufort, nichts mehr zum Segeln. Also unser Segel geborgen und Maschine anschmeißen für die letzten 30 Seemeilen bis A Coruna. Die See beruhigt sich dann auch sehr schnell und wir können unser Frühstück im Cockpit genießen, als uns dann nochmal ein paar Delphine besuchen.
Jetzt heißt es noch in den Hafen einzulaufen, Boot festmachen und SCHLAFEN, nachdem ich die ganze Nacht wach war. Sabine hatte mir eigentlich am Vortag versprochen, ich könnte in der Nacht von 12 bis 6 Uhr mal durchschlafen. So ändern sich die Pläne eines Seglers halt immer sehr schnell.

Beim Einlaufen in den Hafen werden wir schon von Kai von der Sailaway erwartet, der uns einen schönen Liegeplatz schräg gegenüber von seinem „gesichert“ hat. Jetzt liegen wir an einem Steg, an dem etliche Wimpel von TO-Mitgliedern im Wind flattern. Das ganze Jahr versammeln sich die Langfahrer vor Nordspanien – Biskaya, Kanaren, Azoren, alle die über den Atlantik wollen oder kommen. Man trifft sich immer wieder – einmal abgesprochen oder einmal zufällig.
Nachdem ja der Plan war, erst mal schlafen…wie immer, wir machen‘s anders. Erst mal gemütlich anlegen und mit Kai das verdiente Anlegerbierchen getrunken und geschwatzt. Mit den Nachbarbooten etwas Konversation betrieben, im Marinabüro anmelden und schon ist es Nachmittag. Jetzt bloß nicht mehr hinlegen, sonst schlafen wir heute Nacht ja nicht. Außerdem sind wir komischerweise beide topfit. Also wird erst noch mal unser Schiffchen etwas gepflegt und von den vielen Salzkrusten, die sich schon bilden (egal, wo man hinlangt), befreit und schön abgespült.
Und dann…bequem ohne Schräglage und festgeklammere ein Abendessen kochen und ohne Eile zusammensitzend einnehmen. Bei den letzten Happen taucht dann auch Kai wieder auf, da wir ausgemacht hatten, den Abend gemütlich zusammen ausklingen zu lassen. Es war dann auch wieder ein sehr schöner und unterhaltsamer Abend bei Bierchen und Gin-Tonic – und Spezi natürlich. Und bald ins Heiabettchen, um so richtig auszuschlafen.
Wir werden jetzt hier einige Tage verbringen, da ab Sonntag Sturm auf dem Atlantik angesagt ist. Aber A Coruña soll ja sehr schön sein und es gibt sicherlich viel anzuschauen. Morgen werden wir erst einmal zum shoppen gehen und ab Nachmittag werden wir mit Kai in die Stadt losziehen, wo wir uns dann erst wieder einmal Tapas gönnen werden. Aaaah, im Land der kleinen Köstlichkeiten – endlich!!!